Im neuesten Ableger der Wolfenstein Serie beschreitet das schwedische Studio MachineGames in Zusammenarbeit mit den Arkane Studios Games neue Wege.
Diesmal ist es nicht William Joseph „B.J.“ Blazkowicz, der seinen privaten Krieg gegen die Nazi-Schergen bestreitet – denn unser Kriegsveteran verschwindet zu Beginn des Spiels – vielmehr sind es seine beiden Zwillingstöchter Jess und Soph. Die beiden jungen Blazkowicz-Töchter hinterlassen auf der Suche nach ihrem Vater einiges an verbrannter Erde und niedergemähten Nazis.
„Wolfenstein – Youngblood“ erscheint in Deutschland in zwei verschiedenen Versionen. Zum einen in der entschärften bzw. zensierten Version, mit deutscher Synchronisation, bei der die verfassungswidrigen Symbole entfernt wurden und man anstelle der Nazis wieder vom Regime spricht. Diese Version haben wir von Bethesda freundlicherweise zur Verfügung gestellt bekommen und unserem Test zugrunde gelegt.
Die zweite, internationale Version, ist zum einen auf englisch und komplett uncut.
Aber egal, für welche Version man sich entscheidet – in beiden geht es im Koop-Modus oder mit KI-Partner brachial und brutal zur Sache. Durchweg gute Dialoge und engagierte Synchronsprecher beinhalten ebenfalls beide Versionen des Spiels.
Auf der technischen Seite ist sowohl auf der PS4 als auch auf der PS4 Pro zumeist alles okay. Während der Missionen haben wir jedenfalls kaum Frameraten-Einbrüche feststellen können. Mini-Ruckler gab es interessanterweise eher bei den Zwischensequenzen.
In Sachen Grafik hinterlässt Youngblood einen Zwiespalt, denn Charaktermodelle und Umgebungen sind sehr detailliert und scharf gezeichnet – dafür sehen aber auf der anderen Seite die Gesichtsanimationen puppenhaft und unglaubwürdig aus.
Die Geschichte wird in kurzen Filmpassagen aus einer Retrospektive erzählt. Für Wolfenstein-Neulinge mag da vieles nicht wirklich in der Story nachvollziehbar sein. Der Hauptplot der Geschichte bringt die beiden Blazkowicz-Zwillinge auf der Suche nach ihrem Dad in das vom Regime bzw. den Nazis besetzten Paris der 80er Jahre. Nachdem sich die beiden dem Widerstand in den Pariser Katakomben angeschlossen haben, erhalten sie massig Haupt- und Nebenaufgaben, die es zu meistern gilt, um das Regime zu schwächen. Als Fortbewegungsmittel innerhalb von Paris dient die METRO – mit dieser kann man die über Paris verteilten verschiedenen Missionen erreichen.
In der Entscheidung, welche Mission als nächste angegangen werden soll, ist man übrigens relativ frei. Allein der eigene Level limitiert die Option, bestimmte Missionen zu spielen. Das heißt im Klartext, ist man zu schwach für eine bestimmte Operation, so ist diese zunächst noch gesperrt.
Auch wenn die freie Wahl der Missionen und vielfältigen Aufträgen das Spielgeschehen beschleunigen, kommen die Spieltiefe und Story leider zu kurz. Man fühlt sich als Laufbursche des Widerstands und hetzt von einem Einsatz zum nächsten. Immerhin gibt es in den Missionen dynamische Ereignisse, wie das Töten bestimmter Personen oder dem Legen von Bomben.
Die Charakter- und Skill-Entwicklung verläuft bei „Wolfenstein – Youngblood“ recht flott. Man kann durch das erfolgreiche Bestehen von Missionen relativ schnell sein Waffenarsenal um größere Magazine, verbesserte Visiere, größere Feuerkraft oder Spezialausrüstung erweitern.
Der flotte Spielablauf, die Masse an Aufgaben, die Belohnungen und der wirklich toll gelungene Koop-Modus bringen eine Menge Spielspaß. Apropos Koop-Modus: Der Mehrspieler-Modus funktioniert leider ausschließlich online, d.h. es existiert jedenfalls aktuell (noch?) keine Option, das Spiel im Split-Screen zu spielen. Aber wer weiß, vielleicht wird ja mal ein Couch-Koop Update nachgeliefert.
Im Gefecht teilen sich die Blazkowicz-Schwestern nicht nur die Gegner, sondern auch die Leben. Sind die maximal drei Herzen aufgebraucht, muss man den Spielabschnitt erneut absolvieren – man behält allerdings die bereits erhaltenen Erfahrungspunkte und Errungenschaften. Bestimmte Aktionen, wie das Öffnen von bestimmten Kisten oder Türen führen die Zwillinge gemeinsam aus. Die direkte Interaktion im Spiel löst MachineGames durch verschiedene Gesten, die per Steuerkreuz auf dem Gamepad aktiviert werden.
Die Handbewegungen sehen nicht nur cool aus, sondern erzeugen im Gefecht ein „Wir-Gefühl“, dass den Spielspaß nochmals steigert. Beispielsweise kann man mit einer Geste die Rüstung der beiden Schwestern kurzzeitig verbessern, oder kurze Zeit unverwundbar machen. Das System passt super zum leicht abgedrehten Style der beiden Schwestern und fügt sich klasse in den Spielablauf ein.
Obwohl die beiden Blazkowicz-Schwestern zumeist ein lautes Chaos auf der Suche nach ihrem Vater hinterlassen, ist es durch Schleichangriffe und Tarnen auch ebenso möglich, die Feinde lautlos auszuschalten.
Übrigens ist es auch möglich, die Kampagne ohne menschlichen Koop-Partner zu spielen. MachineGames hat dem Solo-Modus eine wirklich gut gestaltete KI spendiert, die die Rolle der zweiten Schwester übernimmt und wirklich gut interagiert und unterstützt.
Fazit:
„Wolfenstein – Youngblood“ bietet gewohnt gekonnte Shooter-Action. Die Entscheidung von MachineGames, vom alternden Kriegsveteran Blazkowicz auf seine beiden Töchter als Hauptcharaktere zu wechseln, ist mutig aber eigentlich konsequent.
Klar, die Story ist nicht gerade Pulitzerpreis verdächtig und die Charakterzeichnung eher blass. Die Gesichts-Animationen wirken teilweise wie bei Wachspuppen und es gibt in den Zwischensequenzen Mini-Ruckler, aber eigentlich spielt man in der Regel einen Titel aus der Wolfenstein-Serie doch aus anderen Gründen.
Vielmehr geht es doch um gnadenlose, brachiale Action, und gerade im Koop-Modus spielt „Wolfenstein – Youngblood“ hier seine wahren Stärken aus. Man führt fordernde Gefechte gegen das Regime, spurtet durch enge Gänge, führt tolle Doppelsprünge aus, bestaunt tolle Explosionen und Spezialeffekte, ohne spürbare Frameeinbrüche.
Aber auch im Solo-Modus mit einer-KI gestützten Partnerin bringt der Titel wirklich viel Spielspaß, da die virtuelle Schwester gut unterstützt.
Ob man dabei die Version in der geschnittenen Version spielt, oder die Uncut-Version – möchte ich an dieser Stelle jedem selbst überlassen. „Wolfenstein – Youngblood“ ist für mich auf jeden Fall ein toller Action-Shooter geworden.
Pro:
- Brachiale Action
- Toller Koop-Modus (auch im Solo-Modus mit KI-Unterstützung)
- Sehr viele frei wählbare Missionen
- Detaillierte Umgebungen und Modelle
- Konstante Frame-Rate
Contra:
- Schwache Gesichtsanmimationen
- Story sehr vorhersehbar
- Mini-Ruckler während der Zwischensequenzen
(Michael Schröder)
©Bilder Bethesda – Alle Rechte vorbehalten!