Mit „Get Out“ überraschte uns der Oscar prämierte Regisseur Jordan Peele mit einem regelrechten Kracher des Schocker Genres. Unerwartet, unvorhersehbar, spannend, schockierend und einfach nur gut. Seit langem mal wieder eine Perle, die aus der Masse herausstechen konnte. Somit lag die Messlatte aller Fans inklusive mir entsprechend hoch, was uns Jordan Peele mit seinem nächsten Film präsentieren wird. Wie auch in „Get Out“, verriet der Trailer zu „Wir“ ebenfalls nicht was den Zuschauer letztendlich erwarten wird. Mutmaßungen gab es viele, doch die wenigsten dürften wirklich einen Volltreffer gelandet haben. Ob es Peele mit „Wir“ geschafft hat mit „Get Out“ gleich zu ziehen, oder vielleicht sogar noch besser zu sein, verrate ich euch in diesem Review. Meine Bewertung werde ich so Spoilerfrei als möglich gestalten, um dem geneigten Zuschauer nicht die Spannung zu nehmen.
Story:
Alles beginnt 1986 mit der kleinen Adelaide, im Vergnügungspark an der Strand Promenade in Santa Cruz. Gemeinsam mit ihren Eltern schlendert man zwischen den Schausteller-Buden entlang und an einer gewinnt ihr Vater für sie sogar ein Michael Jackson Thriller T-Shirt. Unbeobachtet von ihren Eltern, schlendert Adelaide weiter zum Strand. Dort entdeckt sie eine weitere Attraktion, ein Spiegelkabinett und in diesem findet sie ein kleines Mädchen. Das gruselige daran, sie gleicht dem anderen Mädchen wie ein Ei dem anderen. Als sie endlich von ihren Eltern gefunden wird, wirkt Adelaide verstört und schweigt stumm darüber was passiert ist.
Rund 30 Jahre später sehen wir eine Adelaide Wilson, wie sie mit ihrem Mann Gabe und ihren Kindern Jason und Zora in ihr Ferienhaus fahren. Gabe hat die für ihn tolle Idee, ans Meer zu fahren um dort ihre Freunde zu treffen. Genau an den Strand von Santa Cruz, wo auch dieses Spiegelkabinett aus Adelaides Kindheit stand. Alles sträubt sich in ihr, diesen Ort aufzusuchen, denn bis heute hat sie niemandem erzählt, was damals wirklich passierte. Nicht mal ihrem Mann. Gabe schafft es trotzdem sie zu überreden und vielleicht hilft es ihr ja auch, über das erlebte hinweg zu kommen. Mit erschrecken stellt sie fest, dass das Spiegelkabinett immer noch existiert und als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, verschwindet auch noch Jason. Doch dieser findet sich wieder schnell auf. Adelaide hat so ein Gefühl, das es eine verdammt schlechte Idee war nach Santa Cruz zurück zu kehren. Ihr Gefühl soll sie nicht betrogen haben.
Abends vom Strand zurückgekehrt und völlig aufgelöst erzählt sie ihrem Mann von damals. Sie bittet, nein sie bettelt sogar darum abzureisen. Doch Gabe kann der Geschichte nicht folgen und weiß auch nicht so recht, was er davon halten soll und zögert. Doch dieses Zögern ist der Beginn eines Albtraums. Denn plötzlich stehen vier Gestalten völlig regungslos in der Auffahrt der Wilsons. Gabe versucht die Situation aufzulösen, doch dann stürmen diese Vier das Haus. Als diese Vier die Wilsons in ihrem eigenen Wohnzimmer festsetzen, bricht das blanke Entsetzen aus. Die Wilsons blicken nicht nur in die Gesichter ihrer Peiniger, sondern sie blicken in ihre eigenen. Ihnen gegenüber stehen Menschen, die ihre exakten Doppelgänger sein könnten. Aber all das ist noch nichts gegen das was noch folgt, denn das sprengt den Rahmen des Begreifbaren.
Fazit:
Ich muss zugeben, nach „Get Out“ waren auch meine Erwartungen entsprechend hoch an das, was Peele als nächstes abliefern wird. Der Anfang des Films bis zu der Szene als sich alle acht Wilsons in die Augen blicken und als es zu den ersten Auseinandersetzungen kommt, entsprechen dem Gefühl das einem auch bei „Get Out“ überkam. Dieses Unwissen, das Unwohlsein, das nicht realisieren können was da gerade passiert, dieser surreale Eindruck. Dies konnte Peele wieder perfekt einfangen und zu dem Zuschauer transportieren. Auch die weiteren Ereignisse bis zur unfreiwilligen Übernahme des Mercedes Benz der Freunde der Wilsons und deren Flucht, gestaltet sich noch durchaus spannend. Man weiß immer noch nicht wohin der Film führen wird. Doch dann baut die Spannung kontinuierlich ab. Nach drei-viertel des Films, hat der Zuschauer noch immer keine Erkenntnis erlangt, nicht mal einen Hauch einer Erleuchtung und das tötet nach und nach den Spannungsbogen. Zu lange wird man mit dem Thema Flucht, Jagd, Überlebenskampf konfrontiert, ohne dass der Film wirklich vorankommt. Im Showdown erfahren wir dann endlich den Hintergrund, dies aber auch nur, weil uns die Hauptdarstellerin die Hintergründe selbst erklärt oder erklären muss.
Der Film selber schafft es ohne Hilfestellung leider nicht sich selbst zu erklären. Dies hat auch einen Grund. Peeles Grundstory ist für den Zuschauer nicht greif- oder nachvollziehbar. Als die Erklärung dann geliefert wird, gibt es aber keinen „Wow“ oder „Schock“ Effekt, im Gegenteil man bleibt verdutzt vor der Mattscheibe zurück. Nachdem man dann wohl oder übel diese Pille geschluckt hat, fängt man über das bisher gesehene nachzudenken. Dann wird schnell klar, warum Peele eine erklärende Figur braucht. Die Geschichte ist letztendlich so hanebüchen und voller Logikfehler zugleich, dass es nur so kracht. Konnte man sich bei „Get Out“ noch mit dem Twist arrangieren, so fehlt es diesem hier an Substanz und Glaubwürdigkeit.
Ohne Spoilern zu wollen, aber wer den Film gesehen hat wird wissen was ich meine. Daher umschreibe ich das folgende nur grob: Man kann sich wirklich nur schwer vorstellen, das gewisse Personen so einen „Fehler“ zurücklassen würden, ohne diesen zu beseitigen. Weiterhin stellt sich die Frage, wie manche Personen zu roten Overalls und goldenen Scheren kommen und das in zigfacher Ausfertigung und dann gibt’s da noch Kaninchen, ja Kaninchen. Man kann ja einiges als gegeben hinnehmen, aber all das will für mich einfach nicht zusammenpassen. War ich von „Get Out“ noch richtig gehypt, so wurde mir mit „WIR“ leider wieder der Stecker gezogen.
Inszenatorisch ist der Film trotzdem über jeden Zweifel erhaben, Schauspieler, Setting, Stimmung, das passt. Der Film schafft es ja auch drei-viertel seiner Zeit zu überzeugen, nur dann wurde die Spitze des Spannungsbogens überspannt und die kommenden Erklärungen sowie das offene Ende sorgen für einen recht unzufriedenen Eindruck. Insgesamt leider einiges schwächer als der Vorgänger.
Habt ihr den Film gesehen, wie habt ihr ihn empfunden, hat er euch gefallen, bejubelt ihr ihn oder fandet ihr ihn bescheiden, wenn nicht sogar schlecht? Teilt es uns in den Kommentaren mit.
Bild:
Das Bild der BD gibt keinerlei Grund zur Beanstandung, richtig schön satte Farben, sehr gute Schärfe und was bei diesem Film, der viel im Dunkeln spielt besonders wichtig ist, der Schwarzwert ist hervorragend. Nichts verblasst ins Graue oder säuft im Schwarzen ab. Durchweg ein tolles Bild.
Ton:
Universal beglückt uns bei der deutschen und englischen Tonspur jeweils mit Dolby Atmos (True-HD. Der Ton ist durchwegs sehr gut, Dialoge immer gut verständlich und verschiedene verstörende Töne, können einem Dank Dolby Atmos auch die Nackenhaare ansteigen lassen. Am Ton gibt somit von mir aus, nichts auszusetzen. Ebenfalls an Bord ist eine türkische Tonspur in Dolby Digital 5.1.
Extras:
- Die Monster in uns
- Miteinander verbunden: Der Doppeldreh
- Szenenbetrachtungen
- Jordan Peeles ganz eigene Art von Horror
- Die Dualität von „Wir“
- Eins werden mit Red
- Jeder stirbt
- Wie oben, so unten: Grand Pas de deux
- Unveröffentlichte Szenen
Die Extras sind ausgesprochen Umfangreich und Informativ, sowas wünscht sich der begeisterte Filmfan auf jeder Disk.
(Marc Maurer)
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Klasse Review, das den Kern des Films absolut trifft. Es deckt sich hundertprozentig mit meinem Eindruck der Sichtung.