Mit „Warten auf’n Bus“ hat der Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) eine Comedy-Serie und teils auch Dramedy-Serie erschaffen, wie es sie bisher wohl noch nicht im deutschen Fernsehen gab. Die von Senator Film produzierte und von Dirk Kummer inszenierte Serie, dreht sich um zwei Brandenburger Ende der 40, deren Dreh- und Angelpunkt eine Bushaltestelle darstellt. Oliver Bukowski schrieb die Drehbücher, die eine Seite der Gesellschaft zeigt, die den Mauerfall nicht ganz so gut weg gesteckt hat. Ob es sich bei dieser Serie um ein Kleinod deutscher Fernsehunterhaltung handelt oder ob die Serie auf ganzer Linie versagt hat, erfahrt ihr wie immer wenn ihr meinen weiteren Zeilen folgt.
Story:
Eine Bushaltestelle im Nirgendwo, der tägliche Treffpunkt von Ralle (Felix Kramer) und seinem alten Kumpel Hannes (Ronald Zehrfeld). Zwei Ossis, die den gefeierten Mauerfall nicht ganz so gut überstanden haben. Jeden Tag treffen sie sich an dieser alten Bushaltestelle, am Ende der Straße eines kleinen Kaffs. Früher war die Welt hier noch in Ordnung, doch genauso heruntergekommen wie die Bushaltestelle, ist nun auch ihr Leben nach der Wende. Langzeitarbeitslos, teils Invalide, vermittlungsunfähig -soweit ist es nun mit ihnen gekommen, den einstigen Arbeitern, die den Aufbau und die Standfestigkeit der DDR laut Politbüro, dem Machtzentrum der SED sichern sollten. Dann kam der Mauerfall und vorbei war es mit den Genossen, der Zukunft des bekannten Lebens. Man musste von jetzt auf gleich Entscheidungen treffen. Das diese nicht immer ganz glücklich ausgefallen sind, das ist das tägliche Gesprächsthema von Hannes und Ralle. Sowie die Frage: „was ist denn da überhaupt passiert?“. Immer mit dabei Ralles Hund Maik, ein leicht verblödeter Mischling und eigentlich feige wie sonst was, aber doch irgendwie liebenswert. So wird den lieben langen Tag über diverse alte und neue Fragen des Lebens philosophiert. Highlight des Tages ist die Ankunft von Busfahrerin Kathrin, hier an der Wendehaltestelle ist immer Zeit für ein Zigaretten Päuschen. Auch wenn sich Hannes und Ralle keine großen Chancen ausmalen, geht für beide die Sonne auf, wenn sie erscheint. Doch auch bei Kathrin, bei der sich unsere Brandenburger sicher sind „sie hätte et jeschafft“, ist nicht alles Gold was glänzt. Schlussendlich haben unsere Hobby Philosophen jede Menge Gesprächsstoff über das Hier, das Jetzt, das was war, was vielleicht noch kommt oder was hätte sein können.
Meinung:
Noch nie gab es im deutschen TV eine Serie, wo man so viel philosophiert, so viel erzählt und sich letztendlich doch nichts daraus ergibt, die Figuren voran bringt oder sich die Geschichte groß ändert. Liest man diese Zeilen müssten man denken „was is dat denn für ein Quark?“, doch genau das, was die Serie da macht, macht sie außergewöhnlich gut. Der Zuschauer bekommt eine Bushaltestelle mit zwei etwas schrägen Endvierzigern und einem verblödeten Hund am Ende einer Busstrecke geliefert, thats it. Nicht wirklich viel, sollte man meinen. Doch die Darsteller Felix Kramer (Ralle) und Ronald Zehrfelder (Hannes) verpassen ihren Charakteren einen sympathische und nachvollziehbare Tiefe, wie ich es selten bei einer deutschen Comedy-Satire Produktion gesehen habe. Ist man Anfangs noch der Meinung, man sehe zwei Ossis, zwei Alkoholiker mit Bier unter der Sitzbank, die im wahrsten Sinne des Wortes sinnbildlich den „Bus“ verpasst haben und nur noch über ihr „verkacktes“ Leben lamentieren, begreift man von Folge zur Folge mehr, welch subtiler, satirischer und teils zynischer Humor dahinter steckt. Wenn man im Hintergrund behält, dass doch so viele den Wandel nicht so gut überstanden haben, kann einem so mancher Gag sogar auch noch im Hals stecken bleiben. Dabei ist „Warten auf’n Bus“ aber keine reine Dramedy Serie, im Gegenteil, sie zeigt auf skurrile und äußerst lustige Art und Weise, welchen Irrungen man unterliegt, wenn sich ein gelebtes System von heute auf morgen verabschiedet. Und das einst so sehr Gewünschte plötzlich und tatsächlich real wird.
Nun könnte man natürlich argumentieren, dass dies nur eine Serie über zwei Penner sei, die über ihr Leben schimpfen, sich die DDR zurückwünschen und sonst auch nichts auf die Reihe bekommen haben. Dieser Eindruck könnte tatsächlich nach Sichtung der ersten Folge auch entstehen. Schaut man aber weiter, erkennt man, wie tiefgründig und satirisch das Thema aufgearbeitet wurde. Denn im Gegensatz zu anderen Filmen und Serien, die sich dieses Themas annahmen, wird keines von beiden Systemen hochgejubelt oder gar romantisiert. Die Ironie an dieser Wende, viele wurden zu den Verlierern, die einfach nur in ihrer Heimat bleiben und wie gewohnt weiterleben wollten. So stehen Hannes und Ralle stellvertretend für alle, die der Wandel nicht so gut bekommen ist. Natürlich hätten sich diese ebenfalls schnell umorientieren können, doch wenn man mit dem, was man hatte zufrieden war, wieso sollte man? Wer hätte denn schon ahnen können, dass der große Bruder nach Öffnung der Mauer und dem „herzlichen willkommen“ sich eher dem Ausverkauf des Ostens zuwandte. Das hat nicht nur die einfache Bevölkerung kalt erwischt.
Was die Serie ausmacht ist der satirische und teils zynische Blick auf beide Systeme. War das eine am Ende, so war das kommende nicht automatisch auch für alle das Bessere. Noch herausragender an der Serie ist der Punkt, dass unsere beiden Bushaltestellen Philosophen nicht nur den Systemen die Schuld geben, sondern auch selbst erkennen, was sie falsch gemacht haben. Doch die Serie bietet noch mehr, sie nimmt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichermaßen aufs Korn und behandelt auch ziemlich spezifischen Themen wie Rassismus, Akzeptanz, Krankheit, Arbeit, Ängste, Hoffnungen, Freude und Ärger. Driften die Themen dann zu sehr ins Ernste, Traurige ab, hat der Autor mit dem Hund von Ralle, genannt Maik (Maik natürlich typisch Ostdeutsch mit ai geschrieben) ein probates Mittel geschaffen. So werden die entsprechenden Szenen entschärft und dem Witz wieder der Vorrang gegeben. Nicht zuletzt da der Mischling Maik, ein teils schon recht verblödeter Hund ist. Das Tages Highlight der Beiden bleibt dann das Eintreffen von Busfahrerin Kathrin, die es wohl geschafft hat. Doch auch hier erfahren wir gen Ende, das nicht alles, was nach außen so toll aussieht, auch im Inneren so schön ist. Ein Manko der Serie ist mir nach Sichtung dann doch noch aufgefallen. Die Serie konzentriert sich auf die beiden Endvierziger und ihrer Erlebnisse vor, während und nach der Wende. Gerade jüngere Zuschauer könnten genau deswegen eventuell keinen Zugang zu der Serie finden, weil, ohne diese Zeit miterlebt zu haben (egal ob im Osten oder Westen), wird es manchen einfach schwer fallen, den Gedanken und Erzählungen zu folgen und diese auch nachzuvollziehen. Die Serie nimmt sich im Verlauf auch aktueller Themen an, doch die ersten Episoden beziehen sich doch sehr auf die Ende 80er, Anfang 90er Jahre. Dies bildet auch das Fundament der Serie, die auf diese Erlebnisse aufbaut.
Fazit:
Es ist Zeit, der Bus kommt, sorry ich meinte das Fazit kommt: Mit „Warten auf’n Bus“ hat Autor Oliver Bukowski eine unheimliche treffende Serie geschaffen, die der Geschichte zwar nichts neues hinzufügt und deren Aussagen auch keinerlei Auswirkungen haben, aber dennoch so treffsicher inszeniert wurde, dass sich viele der damaligen Generation in Ralle und Hannes wieder erkennen werden. Und was noch überraschender daran ist, es spielt keine Rolle ob man Ossi oder Wessi ist. Im Verlauf der Serie kommt die Geschichte auch in der jetzigen Gegenwart an. Ab da bezieht sie sich nicht nur auf damalige, sondern auch auf heutige Irrungen und Wirrungen der modernen Gesellschaft. Sprich, die Serie trifft den Zeitgeist von Vergangenheit und Gegenwart punkt genau. Die Bushaltestelle wird hierbei zum Zufluchtsort und Anker der beiden Protagonisten. Auch wenn es die eine oder andere Folge gibt, bei der man versucht, ihnen diesen zu verleiden. Im Verlauf der Serie wird diese sogar so eine Art Heimat und man könnte sich schlapp lachen, auf welch kuriose Weise diese Bushaltestelle zweckentfremdet wird. Und das, obwohl sie völlig ungeschützt am Ende eines kleinen Dörfchens mitten im Nirgendwo liegt. Dazu ist die Bushaltestelle auch der Ort, an dem Hannes und Ralle, ihren Lichtblick des Tages treffen, Kathrin die Busfahrerin. Anfangs noch so unnahbar, tough und anbetungswürdig, doch im Verlauf erkennen unsere beiden Hobby-Philosophen, dass auch sie einige Packerl mit sich herumschleppt. So endet die Staffel mit vielen skurrilen Momenten, subtilen Humor sowie toll geschriebener intelligenter Dialoge, bis hin zu lustigen und zynisch, sarkastischen Witzen. Die manches Mal auch derbe in die Weichteile gehen, wenn man genauer drüber nachdenkt. Für mich ist „Warten auf’n Bus“ jedenfalls schon jetzt der Überraschungshit deutscher Unterhaltungskunst des Jahres 2020. Ich muss zugeben, dass ich nicht damit gerechnet hätte, solch eine zielsichere und sehr gute Millieu-Dramedy-Satire geliefert zu bekommen. Besonders gut finde ich den Mut auf manche, eher unangenehme Dinge einzugehen, die wohl nicht jeder Bevölkerungsschicht gefallen werden. Hierbei sitzt jede Spitze zielgenau, sowas kannte ich in filmischer Form bisher nur von Gerhard Polt.
Habt ihr die Serie gesehen, wie habt ihr sie empfunden, hat sie euch gefallen, bejubelt ihr sie oder fandet ihr sie eher bescheiden, wenn nicht sogar schlecht? Teilt es uns doch in den Kommentaren mit.
Bild:
Das Bild ist einer deutsche TV-Produktion und DVD-Veröffentlichung angemessen. Farben, Kontraste und Schärfe gehen soweit in Ordnung und sind aufgrund der Vorlage auch nicht wirklich zu bemängeln. Hier bekommt der Zuschauer eine ordentliche Qualität geboten.
Ton:
Der Ton gibt sich Genrebedingt auch keinerlei Blöße und wurde ebenfalls ordentlich im Format Dolby Digital 2.0 abgemischt. Man bekommt das was man bzgl. des Genres erwartet, einen sehr guten und verständlichen Dialogton.
Extras:
- 12 Seitiges Booklet
Technische Bewertungen beziehen sich immer auf das Alter und das vorhandene Ausgangsmaterial!
Wie immer möchte ich mich für eure Aufmerksamkeit bedanken und hoffe wir lesen uns bei meinem nächsten Review wieder.
(Marc Maurer)
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