Seit kurzem kann man die Serie „Vikings: Valhalla – Staffel 1“ auf Netflix ansehen und wir haben das Review dazu:
Von 2013 bis 2020 lief die kanadisch-irische Historienserie „Vikings“ in insgesamt sechs Staffeln. Obwohl die Qualität nach vielversprechenden Anfängen zum Ende hin immer fragwürdiger wurde, darf man die Serie als durchaus erfolgreich und beliebt einstufen. Nachdem Spin-Offs und Prequels in der Film- und Serienlandschaft heutzutage ja praktisch zum guten Ton gehören, war es demnach auch hier im Grunde selbstverständlich, dass „Vikings“ in irgendeiner Form zu einer Fortführung gelangen würde. Seit dem 25. Februar 2022 ist die erste Staffel der Spin-Off-Serie „Vikings: Valhalla“ in ihrer Gänze auf Netflix abrufbar und erzählt eine Geschichte, die über 100 Jahre nach den Geschehnissen der Hauptserie stattfindet. Eine zweite Staffel ist bereits abgedreht und könnte noch Ende diesen oder Anfang nächsten Jahres erscheinen.
Story:
Im frühen 11. Jahrhundert stellen Wikingergemeinden einen festen Bestandteil Englands dar. Die Wikinger leben in Siedlungen und haben sich kulturell bisweilen längst von ihren nordeuropäischen Ursprüngen wegentwickelt. Dennoch ordnet König Æthelred (John Bosco Hogan) am St. Brice’s Day ein Massaker an, dem viele Wikinger zum Opfer fallen. Die Reaktion der Wikinger in ihren nordeuropäischen Kerngebieten lässt nicht lange auf sich warten: Der dänische König Knut (Bradley Freegard) zieht ein großes Heer zur Invasion Englands zusammen, um Rache zu üben. Doch sind die Wikinger, die zum Teil dem Christentum und zum Teil noch dem traditionellen nordischen Götterglauben anhängen, tief gespalten. Und bevor es überhaupt losgehen kann, haben Leif Eriksson (Sam Corlett) und seine Halbschwester Freydís Eiríksdóttir (Frida Gustavsson) noch eine persönliche Rechnung im Heereslager zu begleichen…
Eindruck:
Die erste Staffel von „Vikings: Valhalla“ beinhaltet acht Folgen, welche jeweils eine Laufzeit zwischen 44 und 59 Minuten aufweisen. Stilistisch bleibt man der Mutterserie weitgehend treu. Auffallend und in vielen Internetdiskussionen einen Stein des Anstoßes darstellend ist jedoch der Umstand, dass sich die Serie in einigen Szenen klar als ein Produkt ihrer Zeit ausnimmt. Der fiktive Ort Kattegat in Norwegen, bereits in „Vikings“ ein zentraler Handlungsort, ist deutlich multikultureller dargestellt und bietet längst nicht mehr nur hellhäutigen, nordischen Wikingern ein Zuhause. Das Ganze gipfelt im Charakter der Jarl Håkon, welche von der schwarzen schwedischen Schauspielerin Caroline Henderson (nebenbei bemerkt war der historische Håkon als Håkon Eiriksson zudem männlich) dargestellt wird.
Nun lässt sich das Ganze verschiedenartig betrachten. Es ist durchaus verständlich, sich durch solch einen Charakter aus der Wikinger-Immersion herausgerissen zu fühlen. Es ist schon richtig, dass die Wikinger ein weites Aktionsgebiet hatten, nicht zuletzt im Bereich des Handels, das sich auch bis nach Asien und Afrika erstreckte, sodass sie mit entsprechenden Ethnien in Kontakt kamen. Eine farbige Wikinger-Anführerin wirkt aber dennoch arg an den Haaren herbeigezogen, was ebenso auf die hanebüchene Erklärung dieses Umstandes in einer der ersten Folgen zutrifft, die man sich am besten komplett gespart hätte. Auf der anderen Seite muss jedoch auch eingeräumt werden, dass sich bereits „Vikings“ ohnehin nie sonderlich viele Gedanken über geschichtliche Genauigkeit und Authentizität machte. Diese Besetzungsentscheidung ist dementsprechend letztlich nur ein weiterer Verstoß unter sehr vielen anderen.
Historische Korrektheit darf man nämlich auch bei „Vikings: Valhalla“ keineswegs erwarten. Die mangelnde Authentizität im Hinblick auf beispielsweise Kleidung, Ausrüstung oder Kulissen wurde bereits bei der Mutterserie seitens Historikern ausführlich herausgestellt, und „Vikings: Valhalla“ ist ganz ähnlich ausgestattet wie diese. Bis zu solchen Details muss man aber gar nicht vordringen, die großen Unstimmigkeiten beginnen schon bei zeitlichen Abläufen. Ein Beispiel gefällig? Das eingangs erwähnte St.-Brice’s-Day-Massaker fand 1002 statt, der Tod König Æthelreds datiert auf das Jahr 1016. In der Serie ereignet sich sein (bereits sehr früh vorbereiteter und deshalb kaum als Spoiler zu bezeichnender) Tod gerade mal ein Jahr nach dem Massaker. Wie schon bei „Vikings“ und überhaupt den meisten Historienserien gilt es daher, das Gezeigte nicht unbedingt für bare Münze zu nehmen, auch wenn einzelne Ereignisse und Charaktere der Serie durchaus nicht nur aus der Luft gegriffen sind.
Was den generellen Stil, die Atmosphäre und den Ablauf der Serie angeht, bietet „Vikings: Valhalla“ im Grunde die Kernbestandteile der Hauptserie: Alle möglichen Kämpfe und Schlachten, etwas Erotik, politische Intrigen und Verrat. Der Cast, egal ob Haupt- oder Nebendarsteller, wirkt ebenfalls erneut so, als habe man ihn aus den Mitgliedern verschiedener Metal-Bands heraus zusammengestellt, die dazu passenden Kostüme könnten frisch vom nächstgelegenen Mittelaltermarkt eingekauft sein. Das alles sorgt dafür, dass man sich grundlegend schnell heimisch fühlt, wenn man „Vikings“ mochte, obwohl das qualitative Niveau ausbaufähig ist und sich insgesamt eher mit dem der späteren „Vikings“-Staffeln als mit dem der rundum gelungenen frühen Staffeln vergleichen lässt.
Die Story ist nur leidlich interessant und bietet zwischen vereinzelten gelungenen Momenten sehr viel Leerlauf. In erster Linie mangelt es „Vikings: Valhalla“ jedoch an wirklich überzeugenden Charakteren. Die Besetzung erfüllt dabei durchaus ihren Zweck. Oscarverdächtig spielt hier gewiss niemand auf, größtenteils agieren die Darsteller aber auf einem zumindest annehmbaren und soliden Niveau, vom einen oder anderen Overacting-Moment einmal abgesehen. Problematisch ist aber vor allem, dass es den neuen Hauptfiguren wie Leif, Freydís oder Harald (Leo Suter) schlicht an der Zugkraft und letztlich auch der Tiefe fehlt, welche in „Vikings“ Charaktere wie Ragnar, Lagertha, Floki oder später auch Björn oder Ivar aufbringen konnten.
Fazit:
Mehr als gehobenen Durchschnitt vermag „Vikings: Valhalla“ schlussendlich nicht zu bieten. Seien wir ehrlich: Wirklich gebraucht hätte diese Serie niemand. Aber sie ist nun einmal da, und man muss auch festhalten, dass sie nicht wirklich misslungen ist. Ein Meisterwerk hat von diesem Projekt wohl ohnehin niemand ernsthaft erwartet. Man muss sich die erste Staffel von „Vikings: Valhalla“ alles in allem nicht ansehen, man kann aber.
Hier erhältlich:
- Vikings: Valhalla – Staffel 1
(Pascal Weber)
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