Wir schreiben das Jahr 1991. Die letzten vier Filmen waren zu Überraschung vieler unglaublich erfolgreich und begeisterten die Kritiker gleichermaßen. Doch die Frage ist natürlich, kann Ghibli diese Welle des Erfolges weiter reiten? Mit ihrem Film „Only Yesterday“ aka „Tränen der Erinnerung“ sollte Ghibli nun auch ein bisschen einen erwachsenen Touch bekommen und zur Überraschung vieler wurde der Film nicht nur erneut ein kommerzieller Hit, sondern begeisterte erneut die Kritiker. 1991 dominierte „Only Yesterday“ regelrecht die japanischen Kinocharts und wurde in Japan der erfolgreichste Film 1991. Spätestens jetzt war jedem klar, dass Studio Ghibli eine absolute Macht ist, welches ein unglaubliches Level hält, doch ist „Only Yesterday“ wirklich so gut? Wir haben den Film getestet und können euch genau sagen, ob der Film seinen Ruf als Meisterwerk gerecht wird.
Story:
Die 27-jährige Büroangestellte Taeko aus Tokio beschließt, zwei Wochen auf einem Bauernhof Urlaub zu machen. Während ihr das einfache Leben mehr und mehr gefällt, muss sie immer wieder an ihre Kindheit zurückdenken, wo sie nicht immer bekommen hat, was sie wollte. Als sie auch noch Gefühle für jemanden entwickelt muss Taeko sich entscheiden. Will sie auf dem Land bleiben oder zurück ins Großstadtleben von Tokio.
Eindruck:
Das ist der erste Film der Studio Ghibli, der etwas schwächelte. Von der ersten Sekunde an merkt man natürlich, dass der Film im Gegensatz zu den Vorgängern mehr für Erwachsene ausgelegt ist. Das Storytelling ist etwas zweigeteilt. Zum einen erlebt man Taeko in der Gegenwart und ihre Reise und zum anderen wird das Ganze immer wieder unterbrochen durch Rückblenden zu ihrem 11-jährigen Ich.
Die Animation bei den Rückblenden ist sehr gewöhnungsbedürftig. Weil hier sehr wenige Farben verwenden werden und wenn, sind diese teilweise auch sehr blass gehalten. Dadurch gibt es schon einen Hauch von Schwarz/Weiß Touch. Ich muss aber sagen, die Vergangenheitsszenen sind die besseren Szenen im Film. Auch wenn, ähnlich wie bei „Kikis kleiner Lieferservice“, nicht viel erzählt wird, wecken die Szenen der 11-jährigen Taeko unzählige Erinnerungen bei den Zuschauern. Denn jeder Erwachsene kann sich darin wiederfinden, da man jede Situation in ähnlicher Form irgendwie immer selbst miterleben musste. Hier spielt Ghibli natürlich gewaltig mit dem Nostalgiebonus der Zuschauer.
Der Part in der Gegenwart, der deutliche farbenfroher ist, hat zwar, was Taeko angeht, eine sehr gute Charaktertiefe, aber auch mit einigen Längen zu kämpfen, weil die Story zwar nette Ansätze hat, teilweise auch recht interessant, aber auch sehr oberflächlich rüberkommt. Vor allem die kleine Love-Story ist jetzt nicht wirklich spürbar, auch wenn die Entwicklung natürlich von Anfang bis Ende vorhersehbar ist. Im Grunde wirkt der Part in der Gegenwart mehr wie eine Doku darüber, wie schön das einfache Leben auf dem Land ist, auch wenn es anstrengend ist.Richtig schlecht ist der Part in der Gegenwart natürlich nicht, aber vielleicht wäre es besser gewesen, wenn der Film hier nicht zwei Stunden Laufzeit hätte, sondern vielleicht nur 90 Minuten, denn die Längen sind wirklich ab der zweiten Hälfte schon merklich spürbar.
Fazit:
Ein etwas zweigeteilter Film. Tolle Vergangenheitsmomente, aber langatmige Love-Story in der Gegenwart. Die Animationen sind ebenfalls etwas gewöhnungsbedürftig. Es ist zwar immer noch ein ganz guter Film, aber es fehlt das Gewisse etwas, was die Ghibli-Filme davor so groß gemacht haben.
(Pierre Schulte)
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