Wem Fallout ein Begriff ist, der kennt womöglich auch Tim Cain und Leonard Boyarsky die das Spiel 1997 erschufen. Gemeinsam mit Obsidian Entertainment versuchen sich die beiden nun an dem Science-Fiction-Rollenspiel The Outer Worlds was Ähnlichkeiten zum Ur-Fallout sowie Fallout: New Vegas aufweist. Optisch präsentiert sich das Spiel im feinsten Sci-Fi Retro-Look und wirkt dabei auf den ersten Blick wie eine gelungene Mischung aus Bioshock und No Man“s Sky. Gespielt wird übrigens in der Ego-Perspektive.
Kommen wir mal zur Story. Im 23. Jahrhundert sollten zwei riesige Kolonieschiffe, der „Groundbreaker“ und die „Hope“, Kolonisten in das Halcyon Sternensystem, das sich vollständig im Besitz von Konzernen befindet, transportieren. Während der Groundbreaker planmäßig angekommen ist, galt die Hope als verschollen und ist mittlerweile bei vielen, wenn überhaupt, nur noch als Mythos in Erinnerung.
Über siebzig Jahre lang treiben wir an Bord der „Hope“ am Rande der Galaxis durch den Weltraum bis wir plötzlich, vom exzentrischen Wissenschaftler Phineas Vernon Welles, unsanft aus dem Kälteschlaf gerissen werden. An dieser Stelle beginnt, auf Fallout typische originelle Weise, die umfangreiche Charaktererstellung nach welcher wir kurzerhand und wiederum unsanft auf den Planeten Terra-2 katapultiert werden. Während wir noch damit beschäftigt sind zu kapieren was überhaupt passiert ist, wo wir sind und uns mit dem Spiel vertraut machen, stehen wir dabei immer wieder in Kontakt mit Welles. Und da der Herr noch dazu ein gesuchter Verbrecher ist steigert das nicht gerade unser Vertrauen in den verrückt wirkenden Wissenschaftler. Fakt ist, wir sind letztendlich nun doch an unserem Zielort angelangt, rund 70 Jahre später aber immerhin. Das Leben im Halcyon Sternensystem hat sich verändert, so gut wie niemand kann sich an die Hope erinnern und wir leiden, als kleine Nebenwirkung des langen Kryoschlafes, unter einer „taktischen Zeitdilatation“, aber dazu mehr.
Fallout typisch gibt es neben einem ausgefeilten Dialogsystem auch in den Outer Worlds immer mehrere Möglichkeiten zum Ziel zu kommen. Ob man sich nun durchballert, durchschleicht oder lieber diskutiert, das steht uns völlig frei. An dieser Stelle hat die Charakter Skillung großen Einfluss und legt fest welche Optionen uns zur Verfügung stehen. Aber nicht nur unsere Skillung hat Einfluss, sondern auch die unserer Begleiter fließt an dieser Stelle ein.
Nehmen wir Mechanikerin Parvati mit, fallen uns alle technischen Aufgaben wesentlich leichter und ist der Hacker Max mit von der Partie, dann ist kaum ein Computer-Terminal vor uns sicher. Brauchen wir mal beides ist das auch kein Problem, da wir von den sechs möglichen Begleitcharakteren immer zwei mitnehmen können. Ausrüstung, Skills und Verhalten der Begleiter können nach Belieben konfiguriert werden und da jeder von ihnen eine spezielle Kampffertigkeit hat macht das auf jeden Fall Sinn.
Kommt es zum Kampf steht uns kein Fallout V.A.T.S. System zur Seite. Wir können aber, dank der zuvor erwähnten taktischen Zeitdilatation, für wenige Sekunden die Zeit dehnen und somit verlangsamen. In diesem Modus können wir in aller Ruhe die Schwachstellen unserer Gegner aufs Korn nehmen.
Die Spielwelt von The Outer Worlds bietet keine riesige Open World, sondern ein Sonnensystem das wir mit Hilfe unseres Raumschiffes, der „Un-Reliable“, bereisen können. Die einzelnen Planeten präsentieren sich dann als große, in sich abgeschlossene, Areale. In der Unreliable, die uns erfreulicherweise auch als zentraler Hub dient, können wir uns frei bewegen und z. B. unsere Ausrüstung an der Werkbank verbessern, die Quartiere besuchen oder neben den Begleitern auch Gespräche mit ADA, der Schiffs KI führen was so manches Mal für einen Lacher sorgt. Überhaupt ist der gelungene schwarze Humor allgegenwärtig, was dem Spiel sehr gut zu Gesicht steht.
Neben der rollenspieltypischen Kampagne und den üblichen Nebenquesten sind besonders die persönlichen Aufgaben unserer Begleiter wirklich spielenswert und bieten jede Menge Hintergrundgeschichte. Hinzu kommt, dass die Synchronsprecher bei der Vertonung der Begleiter wirklich spitzenmässig abgeliefert haben, zwar nur in englischer Sprache, aber dank deutscher Untertitel ist auch das kein Problem. Und da hier so viel Herzblut investiert wurde, macht es richtig Spaß lange Dialoge zu führen. Auch die einwandfreie Musikuntermalung sowie die gesamte Geräuschkulisse des Spiels kann man nur lobend erwähnen.
Während wir unser Abenteuer bestreiten wacht über allem ein Reputationssystem. Es behält stets im Blick wie wir uns in der jeweiligen Situation verhalten haben. Je nachdem wem wir helfen oder wie wir uns entschieden haben steigt oder fällt unser Ruf, was natürlich Konsequenzen und Einfluss auf die Geschichte und deren Ende hat. Es gibt also jede Menge Möglichkeiten das Spiel zu erleben, daher lohnt sich das mehrmalige Durchspielen.
Obsidian arbeitet diesmal nicht mit der Creation- sondern der Unreal-Engine. Das tut dem Spiel gut und führt dazu, dass es, eigentlich untypisch für Obsidian, durchweg stabil läuft. In den gut 30 Spielstunden kam es zu keinerlei Abstürzen oder Performanceeinbrüchen. Ab und zu werden Texturen nachgeladen, das ist zwar unschön, stört aber den positiven Gesamteindruck absolut nicht. Grafisch wirkt das Ganze Spiel ein wenig altbacken, der Gesamtlook ist aber durchaus sehr hübsch und stimmungsvoll. Und besonders durch den Einsatz von ungewöhnlicher Beleuchtung und knalliger Farben verstärkt sich der Eindruck, dass man sich tatsächlich in den Outer Worlds irgendwo am Rande der Galaxie befindet.
Fazit:
The Outer Worlds ist ein Fest für Fans der Ur-Fallouts, New Vegas sowie SciFi RPGs der alten Schule oder jene die es werden wollen. Das Spiel zieht einen, dank seines einzigartigen Looks, der tollen Dialoge, der vielen satirischen Slogans und dem derben Humor, schnell in den Bann.
Untypisch für ein Rollenspiel nimmt ein Spieldurchgang nur gut 20-30 Stunden in Anspruch. Dank der vielen Dialoge und Entscheidungsmöglichkeiten bietet das Spiel aber einen hohen Wiederspielwert. Da das Spiel nicht sehr schwer ist, sollte man direkt im harten Schwierigkeitsgrad starten.
Wer die Serie Firefly kennt und liebt, dem werden sehr schnell die vielen Parallelen auffallen. Ob es nun die Western-Musikuntermalung, das Raumschiff selbst oder die Besatzung ist, das Spiel ist eine regelrechte Hommage an Firefly und macht daraus auch kein Geheimnis. Da auch ich mich zu den Fans der Serie zähle, ist The Outer Worlds mein persönliches kleines Highlight des Jahres.
Pro:
+ gute Geschichte und tolles Setting
+ typischer Fallout Humor
+ origineller SciFi Retro-Look
+ ausgefeiltes Dialogsystem
+ gut ausgearbeitete Begleiter
+ erstklassige englische Synchronsprecher
Contra:
– Spiel wirkt altbacken
– nachladende Texturen
– keine deutsche Synchronisation
(Björn Cuber)
© Bilder und Trailer Obsidian Entertainment – Alle Rechte vorbehalten!