Seit dem 26. August 2020 gibt es die „Tenet“ im Kino zu sehen und hier gibt es unser Kino Review dazu:
Nach vielen Monaten der Abstinenz kehrt, Dank einem ehrgeizigen Christopher Nolan, mit „Tenet“ der erste neue große Kino-Film in die Lichtspielhäuser. Denn für den britischen Visionär Regisseur kam eine Veröffentlichung über digitale Kanäle, wie nun bei Disneys „Mulan“ geplant, absolut nicht in Frage. Das erfreut zum einen unzählige Kinobetreiber und zum anderen etliche Film-Enthusiasten, zu denen wir uns selbstverständlich dazu zählen. Mit Freude und Euphorie haben wir uns daher „Tenet“ angeschaut. Wie der Film bei uns abschneidet, erfahrt Ihr in dem nachkommenden Review – natürlich 100% spoilerfrei.
STORY
Nach seinem letzten Auftrag wird der Protagonist (John David Washington) von einer unbekannten Organisation rekrutiert, die den sich anbahnenden dritten Weltkrieg verhindern will. Bei der geheimen Mission „Tenet“ handelt es sich um verschiedene Inversionen, wodurch die Zeit manipuliert werden kann. Der Protagonist soll, mit Hilfe seines neuen Partners Neil (Robert Pattinson), diese Eingriffe unterbinden, um die Menschheit zu bewahren.
KRITIK
Christopher Nolan ist von der Zeit fasziniert, zumindest mag man das glauben, wenn man sich seine Filme anschaut, die immer wieder dieses Element beinhalten. War es in „Memento“ die rückwärts erzählte Geschichte, in „Inception“ die unterschiedlichen Zeitebenen in den Träumen oder in „Interstellar“ die Zeitdehnung auf verschiedenen Planeten durch die Gravitation – Nolan hat eine wahrliche Begabung, die Zeit als Werkzeug zu seinen Gunsten einzusetzen und erstklassig in seinen Erzählungen einfließen zu lassen. Dabei erweckt er beim Zuschauer die selbige Faszination, die letztendlich in Begeisterung mündet und das immer mehr verblasste Hollywood, abermals erleuchten lässt. Mit „Tenet“ geht Nolan einen Schritt weiter und verpasst der Zeit eine unsichtbare, aber fühlbare Hauptrolle, die Dreh- und Angelpunkt der Erzählung ist.
Als würde man sprichwörtlich keine Zeit verlieren wollen, setzt „Tenet“ sofort den Fuß auf das Gaspedal und drück ordentlich durch. Nach dem ersten Einsatz, folgt ein Crash-Kurs zur Inversion, eine Art Basis-Formel, um den weiteren Verlauf zu verstehen und folgen zu können. Anfangs klappt das recht gut, doch mit zunehmender Laufzeit, nimmt die Flut an Details und Ereignissen immens zu, so dass der Faden doch verloren gehen könnte – doch auch hierfür hat Nolan einen Tipp mit eingebaut. Wie einst Morpheus in „Matrix“ zu Neo sagte: „Nicht denken, wissen!“, so wurde auch für „Tenet“ der Hinweis „Nicht denken, fühlen!“ implementiert und das sollte zu gegebenen Anlass beherzigt werden. Im Kino kann man schlecht auf die Pausen-Taste drücken oder gar zurück spulen. Und beim Versuch wirklich alles aufzunehmen und zu verstehen, könnte man eventuell enttäuscht zurück bleiben. In diesem Fall sollte der Fokus auf die Empfindung des Geschehens konzentriert werden, denn Nolan bringt eine beachtliche Bildsprache zum Vorschein. Die etlichen Sequenzen sind wuchtig, imposant und zum Bestaunen. Ein revolutionierendes Niveau der Inszenierung, welche die Messlatte für künftige Produktionen nochmal höher setzen wird. Die Sequenzen, in denen zwei parallele Zeitabläufe ineinander verschmelzen und doch erkennbar von einander getrennt werden können, sind eine phänomenale Glanzleistung, die Ihresgleichen sucht.
Die visuelle Intensität ist meisterlich und steht ausnahmslos außer Frage, doch diese ist ebenso auf einen stimmigen Soundtrack angewiesen und mit dem schwedischen Komponisten Ludwig Göransson wurde auf den richtigen Mann gesetzt. Göransson hat schon bei „Black Panther“ bewiesen, dass er ein sehr gutes Gespür bzw. Ohr für die Situation hat und passt die Klänge perfekt und harmonisch an, wodurch die Szene an Tiefe und Emotionalität gewinnt. Die Tonsprache ist beeindruckend und lässt die Szenerie akustisch pulsieren und beben, dabei wird der Adrenalinpegel immer wieder zu Spitzenwerten angepeitscht. Doch die tonale Raffinesse kommt nicht zu kurz und die eingebauten Klänge vermitteln je nach Szenerie das passende Gefühl von Unbehagen oder kompromissloser Härte. Kurzzeitig lagen mir auch ein paar Nuancen vom Daft Punk „Tron: Legacy“ Soundtrack in den Ohren, was mir ein Lächeln entlockte.
Vor der Kamera hat der gesamte Cast eine solide und ordentliche Performance abgeliefert. Sämtliche Charaktere waren gut durchzeichnet und es gibt absolut kein Grund zur Kritik – aber auch kein Anlass zur außerordentlichen Lobes-Hymne. Das Herzstück von „Tenet“ ist und bleibt die Grundidee der Geschichte und unverständlicherweise hapert es diesmal genau an diesem Eckpfeiler. Christopher Nolan bringt eine sehr hektische und sprunghafte Erzählstruktur zum Vorschein, die in dieser Form in seinen früheren Werken nie in Erscheinung getreten ist – ganz im Gegenteil. Gerade die eher ruhigere, dafür interessant gestaltete Erzählweise, wodurch der Zuschauer bestens aufgehoben ist – ganz egal wie komplex das Thema war – war einer der Stärken des Briten. Doch in „Tenet“ fehlt diese Ruhe zur Entfaltung und der Zuschauer wird oftmals von Situation zu Situation befördert, ohne dabei durchatmen zu können. Mit einer Laufzeit von 150 Minuten ist „Tenet“ nicht gerade kurz geraten, doch bei der komplexen und umfangreichen Thematik, wäre etwas mehr Fingerspitzengefühl in der Erzählung angebracht gewesen – eventuell musste die Schere öfters als gewünscht angesetzt werden, um die drei Stunden Marke zu vermeiden.
„Tenet“ weiß dennoch bestens zu unterhalten und kann optisch, wie akustisch, Bestnoten einsacken. Doch die Begeisterung, wie bei vorherigen Nolan Werken blieb leider bei der Erstsichtung aus. Eine Zweitsichtung wird definitiv nach Release auf einem physischen Medium angepeilt und dann ist auch die Fernbedingung am Start, die bei Rat und Tat unterstützend zur Verfügung steht.
FAZIT
Mit „Tenet“ wird das Kino erstmals seit dem Lockdown wiederbelebt und der Zuschauer wird audiovisuell superb verwöhnt. Leider trübt eine zu salopp geratene Erzählweise das Erlebnis und verhindert die Höchstwertung.
(Deniso)
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