Ab dem 05.08.2021 läuft „Quo Vadis, Aida?“ im Kino und wir haben für alle Interessierten das Review dazu:
Bei dem fünften Spielfilm der bosnischen Regisseurin Jasmila Žbanić handelt es sich um eine internationale Koproduktion unter Beteiligung der Länder Bosnien-Herzegowina, Deutschland, Frankreich, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen und Rumänien. Angesiedelt ist „Quo Vadis, Aida?“ vor dem historischen Szenario des Bosnienkrieges, der von 1992 bis 1995 stattfand. Im letzten Jahr dieses Krieges spielt der Film und setzt sich mit den Folgen des Massakers von Srebrenica auseinander. Unseren Eindruck von „Quo Vadis, Aida?“ könnt ihr im Folgenden nachlesen.
Story:
Die bosnische Dolmetscherin Aida ist für die UNO tätig. Sie vermittelt zwischen der politischen Führung der Stadt Srebrenica und UNO-Funktionären, um Maßnahmen gegen serbische Übergriffe auf die Stadt auszuhandeln. Als am 11. Juli 1995 das Massaker von Srebrenica seinen Anfang nimmt, drängt es zahllose Schutzsuchende in das UNO-Flüchtlingslager nahe der Stadt. Unter ihnen befinden sich auch Aidas Ehemann Sead und ihre beiden Söhne Nihad und Hamdija. Als diesen wegen Überfüllung des Lagers die Unterbringung verwehrt wird, sucht Aida selbständig nach Möglichkeiten, um ihre Familie in Sicherheit zu bringen.
Eindruck:
Ein Film tut sich selbst nicht automatisch einen Gefallen, wenn er sich einer historischen Thematik annimmt – noch dazu, wenn diese, wie das Massaker von Srebrenica, noch nicht lange zurück liegt. Es gelingt in solch einem Fall nicht immer und ist auch keineswegs eine einfache Aufgabe, den richtigen Ton zu treffen, das jeweilige Ereignis angemessen darzustellen ohne all zu pathetisch zu werden. „Quo Vadis, Aida?“ macht, die Entwarnung sei vorausgeschickt, in dieser Hinsicht so ziemlich alles richtig. Die tatsächliche Grausamkeit der Ereignisse, die der Krieg im Allgemeinen und das Massaker von Srebrenica im Speziellen mit sich brachten, wird behandelt, es bleibt dabei jedoch bei feinfühligen Andeutungen. Viel mehr im Vordergrund stehen die Konsequenzen und Auswirkungen des Geschehens, das Leid und das Elend der Betroffenen. Nicht in erster Linie mittels blutiger Gewaltszenen, sondern vor allem mittels langer Kamerafahrten über die Reihen der Flüchtenden trägt der Film die Grausamkeit des Krieges an den Zuschauer heran. „Quo Vadis, Aida?“ ist, anders als viele andere Filme, die das Thema Krieg behandeln, nicht unbedingt ein visuell brutaler Film. Aber es ist ein durchaus beklemmender Film, der durchgehend eine greifbar unheilvolle Atmosphäre heraufbeschwört, ohne dabei besonders stark auf die Tränendrüse zu drücken. Hierzu passt auch der Umstand, dass sich die Bildsprache größtenteils ruhig und unaufgeregt, aber keinesfalls wirkungslos präsentiert.
Nun ist das alles schön und gut, es kann jedoch die Defizite des Films, wenn es um die konkrete Handlungsebene geht, nicht verschleiern. Regisseurin Jasmila Žbanić formulierte die Intention ihres Films in der offiziellen Presseerklärung wie folgt: „This film is about a woman caught in a male game of war. It is about courage, love and resilience – and also about what happens if we fail to react on time to warning signs“. Das lässt, wenn auch ungewollt, bereits anlauten, dass sich „Quo Vadis, Aida?“ viel auf einmal vorgenommen hat – zu viel, um alledem gerecht zu werden. Krieg ist ein weit um sich greifendes Phänomen, das eine Vielzahl an Menschen in Mitleidenschaft zieht. Dafür hat der Film durchaus ein Gespür, doch geht es ihm zentral um etwas anderes, kleiner dimensioniertes. Mit dem großen Konflikt, dem Bosnienkrieg, vor dessen Hintergrund das Massaker von Srebrenica stattfand, wird sich kaum auseinandergesetzt, im Mittelpunkt steht das Bestreben Aidas, ihre Familie in Sicherheit zu bringen. Was anfänglich durchaus wie eine filmische Reflexion über den Krieg und seine Folgen anmutet, wird immer mehr zum Familiendrama, das sich vor dem Hintergrund des Kriegs abspielt. Die eigentliche Geschichte, die der Film im Kern erzählt, ließe sich prinzipiell vor dem Hintergrund eines jeden beliebigen anderen Krieges ansiedeln. So rückt „Quo Vadis, Aida?“ Individuen in den Mittelpunkt, mit denen der Zuschauer eine Verbindung eingehen und besonders stark mitfühlen sollen – mehr als mit der großen Masse an anderen Schutzsuchenden, die der Film zwar nicht gänzlich ausblendet, die größtenteils aber recht blass bleibt.
Aidas Familie kommt gewissermaßen die Funktion eines emotionalen Ankers zu, über den der Zuschauer für das Leid und die Schrecken des Krieges sensibilisiert werden soll. Dabei betrifft dies eine ganze Menge an anderen Personen und Familien in nicht weniger erschreckendem Maße – herausgehoben werden aber diese Einzelfälle, welche die schlichtweg die Besonderheit an sich haben, Familienmitglieder der Hauptfigur zu sein. Ein Film wie „Quo Vadis, Aida?“, der vor dem Hintergrund eines grauenvollen Ereignisses spielt, sollte den Einsatz eines derartigen Ankers, die emotionalisierende Herstellung einer Verbindung zwischen Zuschauer und hervorgehobenen Charakteren, nicht nötig haben – die Grausamkeit und das Leid des Krieges spricht für sich. Es hätte, nicht zuletzt auch aufgrund des hervorragenden Schauspiels der Hauptdarstellerin Jasna Đuričić, völlig genügt, Aida als einzigen Bezugspunkt für den Zuschauer zu wählen und ihn aus ihrer Perspektive heraus das Gesamtbild überblicken zu lassen.
Mit diesem eher auf der Mikroebene als auf der Makroebene operierenden Blickwinkel, den der Film den Zuschauer einnehmen lässt, geht es dann auch einher, dass „Quo Vadis, Aida?“ keine Vorkenntnisse über den historischen Hintergrund voraussetzt, um verstanden werden zu können. Das ist für diejenigen, die trotz mangelndem Hintergrundwissen am Film interessiert sind, natürlich von Vorteil. Es bringt jedoch eine recht oberflächliche Betrachtung des Bosnienkrieges und des Massakers von Srebrenica mit sich. Wir erfahren, dass es den Krieg gab und dass es am 11. Juli zu diesem Massaker bzw. zu seinem Beginn kam, das muss dann aber auch genügen. Über die genauen Hintergründe, Umstände und die Vorgeschichte des Konflikts erzählt der Film nichts.
Fazit:
„Quo Vadis, Aida?“ ist in weiten Teilen eine verpasste Chance. Obwohl es sich angeboten hätte, handelt es sich weniger um eine Studie über das historische Ereignis des Bosnienkrieges und des damit verbundenen Massakers von Srebrenica, als vielmehr um ein Familiendrama vor oberflächlich skizziertem historischem Hintergrund. Trotzdem macht der Film einiges richtig und so ist es auch nicht verwunderlich, dass er sogar für den diesjährigen ®Oscar nominiert wurde. Der Preis in der Kategorie „Bester Fremdsprachiger Film“ ging allerdings dann an „Der Rausch“ aus Dänemark.
(Pascal Weber)
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