„Phantom im Paradies“ von 1974 dürfte wohl Brian De Palmas persönlichster Film sein. Niemand rechnete bis dato mit der Unterhaltungsbranche so direkt ab, wie De Palma mit seinem Musical Film oder besser gesagt seinem „Grusical“ Film, ähnlich der „Rocky Horror Picture Show“. Ungeschönt zeigt er die Macht derer, die sich junger Talente und deren Körper zu Nutze machen. Dies kam wohl nicht von ungefähr, denn Brian De Palma selbst gehört wie viele andere auch, zu den Opfern der großen Medien-Mogulen. Wie jeder junge, aufstrebende Regisseur wurde auch De Palma von den großen Studios umworben. So unterschrieb er bei einem der Major Label für einen Film. Nach Beendigung der Dreharbeiten wurde sein Film von dem produzierenden Studio ohne sein Wissen komplett um geschnitten. Somit sah er wie alle anderen Kinoschauer auch erst beim Kinostart, was das Studio aus seinem Film gemacht hatte. Das Traurige daran, rund 45 Jahre später ist der Film aktueller denn je. Was die letzten aktuellen Aufdeckungen wieder einmal belegt haben, als Beispiel sei nur der Weinstein Skandal genannt. Obgleich der Film damals im Kino ein Flop wurde, so war er in der kanadischen Stadt Winnipeg ein Kassenknüller und auch heute wird der Film dort immer noch jährlich mit einem Festival namens Phantompalooza abgefeiert. Dieses Jahr erscheint ebenfalls auch noch eine Doku, welche den Erfolg dieses Grusical in Winnipeg zum Inhalt hat.
Story:
Der mysteriöse Plattenmogul Swan plant die Eröffnung seines neusten und größten Clubs, doch dafür braucht er etwas besonders, einen Song mit dem gewissen Kick. Da kommt ihm der junge und unbekannte Komponist Winslow Leach gerade recht. Mit großen Versprechungen lässt Swan, seinen Handlanger Philbin auf Winslow los, der ihm auch sogleich sein musikalisches Werk abluchst. Winslow wartet Tag um Tag und auch nach Nachfrage ignoriert ihn Swan völlig. Winslow greift zu anderen Methoden und schleicht sich in Swans Villa. Dort findet er ein weiteres Casting vor und trifft auf die noch unbekannte Sängerin Phoenix. Angetan von ihrer Stimme und ihrer Ausstrahlung, merkt er sofort, Phoenix ist die einzige, die seinen Song singen kann oder besser noch, singen muss. Doch Winslows Verkleidung fliegt auf und Swan lässt ihn von seinen Schlägern hochkant hinauswerfen. Als wenn das nicht schon reichen würde, kommt Winslow vor Gericht und wird mit Gefängnis bestraft. Das ist mehr, als er ertragen kann und so flüchtet er, dem Wahnsinn verfallen, aus dem Gefängnis.
Als er in Swans Studiokomplex eindringt wird er angeschossen, dabei werden seine Stimmbänder irreparabel geschädigt. Daraufhin stürmt er Hals über Kopf in Swans Plattenpresswerk, um alles zu vernichten, was ihm in die Finger kommt. Durch eine Unachtsamkeit gerät er mit seinem Kopf in eine der Plattenpressmaschinen, was sein Gesicht auf immer und ewig entstellt. Erschöpft und halbtot schleppt er sich in Swans Club, dem Paradise, wo er auf Rache sinnt und fortan als Phantom herum spukt. Doch Swan ist clever, ausgekocht und mit allen Wassern gewaschen. So schafft er es ein zweites Mal, Winslow zu einem Deal zu überreden, indem er Phoenix mit ins Spiel bringt. Für Phoenix und seinen Song würde Winslow alles tun. So unterschreibt er Swans Vertrag, einen Vertrag, der nicht von dieser Welt ist und dessen teuflische Ausmaße er nicht einmal im Ansatz erahnen kann.
Fazit:
Mit „Phantom im Paradies“ vermischte Brian De Palma, „Das Phantom der Oper“, „Das Bildnis des Dorian Gray“ und „Goethes Faust“ zu einem Film, der rigoros die gesamte Unterhaltungsbranche, Musik, wie Film gleichermaßen abstraft. Wie bereits in der Einleitung geschrieben, wurde De Palma zu Beginn seiner Karriere selbst Opfer dieser Unterhaltungsindustrie. Somit könnte man „Phantom im Paradies“ als private Abrechnung De Palmas sehen. Wer aber hätte gedacht, dass dieser Musical Film rund 45 Jahre später aktueller denn je sein könnte?
Und ja, selbst heute kann er immer noch die Verfehlungen der Personen hinter der Unterhaltungsbranche anprangern. Daher ist der Mix, den De Palma aus oben genannten Filmen zu einem Drehbuch zusammenstellte, geradezu perfekt. Das musikalische Genie in Form eines Phantoms, dessen Liebe von seiner Muse nicht erwidert wird, ein eitler und vom Erfolg versessener Geck, der nicht altern will und die Seele als Vertragsgegenstand macht, auflösbar nur durch den Tod.
Dies alles wird untermalt mit einem sehr stimmigen Soundtrack und einem tollen Cast. Allen voran Paul Williams, der den Swan mimt und das, obgleich er eigentlich in Wirklichkeit Komponist, Sänger und Musiker ist. Williams steuerte den Soundtrack zu dem Film bei, für den er im Jahre 1975 Oscar nominiert wurde. Seine Rolle des Swan spielt er in dem Film dermaßen gut, dass man meinen könnte, er wäre in Wirklichkeit ebenfalls ein eiskalter Produzent. Für einen ungelernten Schauspieler, ist das eine sehr gute Leistung. William Finley spielt Winslow Leach / Das Phantom und gerade letzteres verkörpert er mit voller Inbrunst. Manchmal ist die Darstellung zwar ziemlich überzogen, im Bezug zur jeweiligen Szene aber dennoch absolut passend. Man spürt seine Zerrissenheit, seinen Zorn, seine Trauer und seinen Hass. Gerade De Palmas bekannter Einsatz der Steadicam sowie auch Nahaufnahmen, setzen das Phantom als Wahnsinnigen extrem gut in Szene. Aber nicht nur diese, sondern ebenso auch die hektischen und psychodelischen Finalszenen.
Dann hätten wir noch Jessica Harper in der Rolle der Phoenix, sie spielt ihre Rolle durchweg solide mit einer tollen Gesangstimme. Was man noch hervorheben muss, Harper konnte sich sogar gegen die professionelle Sängerin Linda Ronstadt durchsetzen.
Es ist kein Geheimnis, dass der große Alfred Hitchcock De Palmas selbsterklärtes Vorbild ist, und das merkt man auch schon seinem frühen Werk „Phantom im Paradies“ an. Seien es die Kamerafahrten oder der Erzählstil, es riecht förmlich nach Hitchcock und spätestens bei einer Duschszene lässt sich De Palmas Vorliebe für Hitchcock nicht mehr leugnen. Dies ist nicht negativ gemeint, De Palmas Stil mit Hitchcocks Einflüssen ergeben meistens einen tollen Film. Im „Phantom im Paradies“ spielt er aber auch noch mit eher ungewohnten Einstellungen, in diesem Fall sei eine Zeitraffer-Szene, wie in den alten Stummfilmen, genannt. Ebenso auch Aufnahmen, die die Technik zeigen, was ebenfalls immer wieder in De Palmas Filmen sieht sowie verstörende oder psychodelische Aufnahmen und Nahaufnahmen, die den Wahnsinn widerspiegeln. Dies alles sind Zutaten, die das Grusical abrunden.
Dazu gesellen sich auch seine allseits bekannt beliebten Themen, wie die des Voyeurismus oder vollständiger Überwachung. Ist doch das ganze „Paradise“ und Swans Villa mit Überwachungskameras gespickt, was er immer wieder in Nahaufnahmen zeigt. Zum Ende hin nimmt der Film dann ungeahntes Tempo auf und wirkt teilweise schon gehetzt. Die Infos, das Swan ein großes Geheimnis hegt und Winslows Entdeckung von Swans Achillesferse, erfährt man wie im Fluge, fast schon beiläufig. Die den Zuschauer treffende Erkenntnis hat fast keine Zeit zu wirken, denn das unerbittliche und konsequente Ende folgt auf dem Fuße. Ist man noch der Meinung, das sei jetzt aber ziemlich schnell abgehandelt worden, so kommen in der darauffolgenden Endszene, der Moment der Erkenntnis und das dramatische Finale, wieder zusammen und wirken wohl gerade deswegen noch einige Zeit nach.
Ich muss ehrlich zugeben, erst mit zunehmendem Alter konnte mich der Film überzeugen. Die Darstellung war in meinen jungen Jahren für mich noch nicht so greifbar, wie das heute der Fall ist. Das Thema selbst ist leider aktueller denn je und wird immer noch sehr gut durch den Film thematisiert. Dennoch muss man auch sagen: der Filmlook stammt aus den 70ern, ebenso die Musik, die Kleidung, die Settings, etc., das muss einem schon gefallen. Wem diese Epoche nicht zusagt, wird eventuell auch nicht viel mit dem Film anfangen können. Wer aber auf die Musik der 70er steht, sprich auf Music hinter der noch richtiges Songwriting steckt, dem wird der Film gefallen. Wer mit Muscial-Filmen an sich kein Problem hat und dem De Palmas Filme eh zusagen und gern mal ein satirisch-zynisches Grusical über die Unterhaltungsindustrie sehen mag, demjenigen kann ich das „Phantom im Paradies“ nur wärmstens ans Herz legen.
Info: Der Soundtrack zu dem Film, ist als mp3 Download bei Amazon erhältlich, die original CD wird zwischenzeitlich zu horrenden Preisen gehandelt.
Habt ihr den Film gesehen, wie habt ihr ihn empfunden, hat er euch gefallen, bejubelt ihr ihn oder fandet ihr ihn bescheiden, wenn nicht sogar schlecht? Teilt es uns in den Kommentaren mit.
Bild:
Zuletzt sah ich den Film im Fernsehen auf einem Röhrengerät, umso mehr war ich auf die Bildqualität gespannt und die ist auf BD wirklich sehr gut geworden. Das Bild ist scharf mit tollen Farben und Kontrasten, der Schwarzwert wirklich gut. Bildfehler und Rauschen wurden entfernt. Filmkorn ist so gut wie nie zu sehen, daher könnte doch der ein oder andere Filter zum Einsatz gekommen sein. Dies tut dem Bild aber kein Abbruch oder müsste man anprangern. Gerade der farbliche Look, der teils übersteuert daher kommt, war damals schon gegeben und dürfte meiner Meinung nach ein Stilmittel sein des Films gewesen sein. Für 5 von 5 Punkten reicht es zwar nicht, da gibt es doch noch Unterschiede zu einer Referenz BD, aber 4 von 5 sind allemal drin.
Ton:
Der deutsche Ton liegt im DTS-HD 2.0 Format vor und klingt ordentlich für Stereo Ton. Die englische Tonspur liegt im DTS-HD 5.1 Format vor, wurde von mir aber nicht verglichen.
Extras:
An Bonus enthält die Disc:
- Audiokommentar mit Jessica Harper, Gerrit Graham und den Juicy Fruits
- Kinotrailer
- Radio und TV Spots
- Bildergalerie
Da hätte ich mir wirklich wesentlich mehr gewünscht, ein Interview mit Brian De Palma oder Paul Williams, das hätte dieses Standard Bonus Material wirklich aufgewertet. Daher bleibt es leider bei einer eher durchschnittlichen Ausstattung.
(Marc Maurer)
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