Seit einiger Zeit machen immer wieder Filme von Fernreisenden im Kino und Fernsehen auf sich aufmerksam. Die Sehnsucht nach der Weite, der Fremde, des Unbekannten treibt zwischenzeitlich immer mehr Menschen an, sich auf den Weg in die Ferne zu begeben, auch wenn solche Reisen einige Widrigkeiten für diese Flüchtlinge des Alltags bereithalten. Margot Flügel-Anhalt gehört nun ebenfalls zu dieser Gruppe Fernreisender, die der Wunsch packte, die Welt zu erkunden. Zwischenzeitlich ist dies zwar nichts mehr besonderes, Menschen auf ihrem Weg in die weite Welt zu zeigen. Doch Margot Flügel-Anhalt ist mit ihren 64 Jahren nun auch nicht mehr die Jüngste und ebenso außergewöhnlich ist die Wahl ihres Gefährts. Denn obwohl sie noch nie wirklich auf einem Motorrad gesessen ist, wurde genau dies das gewünschte Fortbewegungsmittel. Seit ein paar Tagen liegt mir nun der Film ihrer Reise auf Blu-ray vor und ich möchte ich euch mitteilen, ob dieser einen Blick neben all den anderen Reise Dokus auch wert ist.
Meinung und Fazit:
Dieses Mal verzichte ich bewusst auf eine Inhaltsangabe, da ich diese mit meiner Meinung und dem Fazit inhaltlich nur wiederholen würde. Der Einfachheit halber und da ich bereits auch nicht mehr zu den jüngsten gehöre, nehme ich mir Freiheit heraus, Frau Flügel-Anhalt im Review mit ihrem Vornamen zu benennen. Wie bereits erwähnt, nimmt der Trend der gefilmten Fernreisen von Privatleuten immer mehr zu, so auch die von Margot Flügel-Anhalt. Was aber sollte Margot von den anderen Fernreisenden unterscheiden. Es ist nicht nur ihr Alter, wobei man da schon Respekt zollen kann, dass eine 64-jährige Rentnerin die Anstrengungen eines solchen Trips auf sich nimmt. Es ist auch die Wahl des Fortbewegungsmittels, einer Honda Enduro und der Fakt, das sie bis dahin noch niemals wirklich mit einem Motorrad, geschweige denn allein oder länger unterwegs war. Und ihr Weg führt sie sogar sehr weit und zwar mitten durch den Osten und Zentralasien, quer durch Polen, Russland, Tadschikistan, das Pamir-Gebirge, den Iran, die Türkei. Sprich, ihre Reise belief sich auf 117 Tage und durch 18 verschiedene Länder. So kamen rund 18.000 km zusammen, die sie auf ihrer kleinen 125er Enduro von Honda zurücklegte. In meinen Augen ein Trip, der schon für jüngere Menschen zu einer echten Herausforderung werden kann.
Begleitet wird sie in Abschnitten von einem Film-Team um Johannes Meier und Paul Hartmann. Den Großteil ihrer Reise legte sie jedoch völlig auf sich allein gestellt zurück. Dabei filmte sie ihren Weg mit Handy sowie Helm bzw. einer Action-Cam. Umso weiter sie gen Osten vordringt desto mehr entfernt sie sich von der gewohnten Zivilisation. Die Landschaften werden weiter, aber auch karger und die Natur zeigt ihr wahres Antlitz. An ihrem ersten großen Etappenziel trifft sie erstmalig auf das zuvor genannte Filmteam, die sie ein Stück weit begleiten werden. Ein recht guter Zeitpunkt wie ich meine, da die Natur immer rauer, der Höhenunterschied zunimmt, die Luft dünner und die Reise dadurch entsprechend anstrengender werden wird. Bei ihren doch recht umfangreichen Vorbereitungen, sollte sich das Wetter laut Vorhersagen von einer besseren Seite zeigen. Doch wie das Wetter nun mal so ist, hält sich selten an die Vorhersagen meteorologischer Wetterfrösche. So verschlechtert sich die Wetterlage und wo einst eine Straße war, befindet sich nur noch ein breiter Streifen mit tiefem Matsch. Margots Fahrt wird erheblich erschwert und man kann nur erahnen, was mit ihr noch hätte passieren können, wäre da nicht die Unterstützung von Johannes und Paul gewesen. Die Straßen werden immer unbefahrbarer und Margot muss öfter den einen oder anderen Sturz hinnehmen. Das geht nicht nur auf die Technik, sondern auch entsprechend auf ihre Knochen und somit an ihre Substanz. Als Zuschauer spürt man regelrecht, wie beschwerlich die Wege und wie wichtig die Etappenpausen zum regenerieren werden. Auch eine schwerere Prellung, die sie sich im Verlauf ihrer Tour zuzieht, zwingt sie zu einer wesentlich längeren Auszeit. Aber auch die Angst vor weiteren Stürzen wächst. In dieser Zeit ist das Filmteam nicht an ihrer Seite und man spürt regelrecht ihre Furcht, wieder auf den umgangssprachlich genannten „Bock“ zu steigen. Dennoch springt Margot über ihren Schatten und lässt ihre Dämonen hinter sich. Das muss man ihr lassen, Aufgeben scheint kein Teil ihres Wortschatzes zu sein. Entschädigt, wenn nicht sogar belohnt werden ihre Anstrengungen durch die Landschaften und die Begegnungen. Fernab der Heimat und jeglicher bekannten Zivilisation trifft sie auf Einheimische, die ihr Leben in Einöden mit so gut wie nichts fristen und dennoch irgendwie zufrieden scheinen. In diesen Augenblicken vermute ich, erfährt man Demut und lernt wieder das zu schätzen was man hat.
Die Landschaften sowie die Menschen hinterlassen nicht nur bei ihr einen tiefen Eindruck. Durch die Wahl per Handy und Action-Cam, eine Art Videotagebuch zu führen, übertragen sich Margots Eindrücke und Reaktionen direkt auf den Zuschauer. Auch wenn sie weiß, dass die Aufnahmen niemand live verfolgt, spricht sie mit der Optik der Kameras, wie mit einer Person und teilt so ihre Eindrücke, Befürchtungen und Erkenntnisse einem später zusehenden Zuschauer mit. Durch diese Authentizität wird man fast schon ein Teil ihrer Reise, man könnte auch sagen, ein Zaungast der auf ihrer „Schulter“ sitzt. Besonders im Iran mit seinem strengen religiösen Regelwerk, bezogen auf den Stand der Frauen, wird der Zuschauer tiefer in ihre emotionale Welt gezogen. Bei diesem Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen und Sitten merkt man, wie Margots Verständnis und Akzeptanz an ihre Grenzen stoßen. Wie immer ist es ein Unterschied zwischen dem theoretischen Wissen und dem persönlichen Erfahren. Fand sie zuhause das Kopftuch für das Visa Foto für die Einreise in den Iran noch irgendwie belustigend, so wird für sie das Kopftuch von Tag zu Tag zu einer spürbaren Bürde. So schön das Land und so nett die Leute und geführten Gespräche sind, lassen diese Margot dennoch an der Richtigkeit der Sache zweifeln. Für eine emanzipierte Frau, die ihre Freiheiten nach ihren Wünschen ausleben darf, dürfte das eine einschneidende Erfahrung gewesen sein. Was sich in einem emotionalen Moment ihrer Betroffenheit auch unter Tränen zeigt. Bei ihrer Rückreise spürt man die Erleichterung, als sie sich des Kopftuchs entledigen kann. Während ihrer Fahrt durch den Balkan zeigt sie sich auch wesentlich nachdenklicher. Denn nicht nur das Erlebte lösen verschiedenen Gedanken aus, auch das nahende Ende ihrer Reise beschäftigt sie zunehmend. Die Frage, die immer mehr in den Mittelpunkt rückt: wie kann man nach all diesen Eindrücken, Erfahrungen und Erlebnissen wieder in das Alltagsleben zurückkehren. Ich empfand diese Gedanken absolut nachvollziehbar, da ich mich schon in ähnlicher Situation befand. Und besonders dann, wenn sich das Fernweh erstmal in einem eingenistet hat und dieses danach drängt, einem noch viel mehr von der Welt zeigen zu wollen, wird die Heimreise umso schwerer.
Fazit:
Kommen wir zum Fazit: Mit „Über Grenzen“ nimmt uns Margot Flügel-Anhalt mit auf ihr „grenzüberschreitendes“ Abenteuer, wobei sich grenzüberschreitend nicht nur auf Landesgrenzen, sondern auch auf das Alter bezieht. Ich muss aber auch zugeben das es natürlich wesentlich höherwertige Dokus über Fernreisen gibt. Die auch mit besserer Technik, einem größeren Team, professionelleren Aufnahmen und was weiß ich nicht alles glänzen können. Auch sind Margots Landschaftsaufnahmen zwar schön anzuschauen, aber auch solche konnte man schon spektakulärer sehen. Aber, im Gegensatz zu diesen, wirkt Margots Reise auf mich wesentlich authentischer. Bis auf die paar Male, wo das Filmteam zu ihr stößt, filmt sie alles nur mit Handy und Helmkamera und ist auch sonst meist auf sich alleine gestellt. Manche Kritiken, über die ich bei meiner Recherche stolperte, bemängelten, dass sie Dank des Filmteams doch nicht ganz so auf sich alleine gestellt war. Und brachten Begriffe wie „Mogeln“ in deren Review mit ein. So wie ich diese Doku erfahren habe, lässt Margot Flügel-Anhalt den Zuschauer bei der Erfüllung ihres Traumes teilhaben, nicht mehr, nicht weniger und stellt sich dabei niemals selbst als die tolle Überlebenskünstlerin dar. Wenn dann Menschen jeglicher Herkunft, sei es das Filmteam, Ortsansässige, Fremde oder sonst wer helfend eingreifen, ist das in meinen Augen völlig legitim. Was mich wiederum persönlich begeisterte ist der Mut, diesen Traum auch in einem höheren Alter auszuleben und dabei eigene und gesellschaftliche Grenzen zu überwinden. Denn während sich andere im Rentenalter nach der nächsten vier oder gar fünf Sterneunterkunft auf südlich gelegenen Inseln umschauen, macht sich eine 64-jährige Frau auf, eine 18.000 km lange Reise in recht entlegene Ecken dieser Welt, um Land und Leute in dieser ihrer Natürlichkeit zu entdecken und zu erleben. Natürlich muss man sich dabei allerlei Widrigkeiten, Gefahren und Problemen stellen und auch die ein oder anderen körperlichen Verletzungen in Kauf nehmen, das steht außer Frage. Dass sie dabei aber auch noch andere Menschen, sprich uns Zuschauer auf diese private und persönliche Erfahrung einlädt und auch emotionale Einblicke gewährt, finde ich wirklich außergewöhnlich und möchte mich für diesen Trip bedanken. Und wer weiß, vielleicht nimmt sie uns auch ein zweites Mal auf eine ihrer Reisen mit, ich wäre als Zaungast sicherlich wieder mit dabei.
Habt ihr diese Doku schon gesehen? Wie habt ihr sie empfunden, hat sie euch gefallen, bejubelt ihr sie oder fandet ihr diese eher bescheiden, wenn nicht sogar schlecht? Teilt es uns in den Kommentaren mit.
Bild & Ton:
Bild und Ton fasse ich dieses Mal zusammen, da sich diese mit professionellen Aufnahmen und Hobby Filmerei mit Handy und Helm-Cam mischen. Die Bilder des Filmteams sind scharf, die Farben und Kontraste sind durchweg ausgewogen. Die Handy- und Action-Cam-Bilder wiederum sind zweckdienlich, das gleiche gilt für den Ton. Dieser entspricht der eingesetzten Handy Technik, reißt aber erwartungsgemäß keine Bäume aus. Aber das muss weder das Bild noch der Ton, entscheidend sind die Eindrücke, die diese vermitteln.
Extras:
- Nicht verwendete Szenen
- Diashow und Lesung
Wie immer möchte ich mich für eure Aufmerksamkeit bedanken und hoffe wir lesen uns bei meinem nächsten Review wieder.
(Marc Maurer)
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