„The Virgin Suicides“ aus dem Jahre 1999 ist in zweierlei Hinsicht eine Premiere. Es ist das Erstlingswerk des Autors Jeffrey Eugenides, welches er 1993 verfasste, sowie der erste große Kinofilm von Sofia Coppola, Tochter von Altmeister Francis Ford Coppola. Dabei führte Sofia Coppola nicht nur Regie, sondern verfasste auch das Drehbuch. Eugenides Buch erzählt die fiktive Geschichte des mittelständischen Ehepaars Lisbon und ihrer fünf Töchter im Alter von 12 bis 17 Jahren. Diese stecken inmitten der Pubertät und in der Wandlung vom Mädchen zur Frau. Was nach einem Teenagerfilm klingt, welcher das Erwachsenwerden thematisiert, ist es das genaue Gegenteil. Die Geschichte entwickelt sich zu einem grausamen Drama, denn alle fünf Töchter begehen innerhalb eines Jahres Selbstmord. Wie Sofia Coppola sich dieses schweren und intensiven Stoffs angenommen hat, wie die Umsetzung wurde und wie die jetzt von Capelight Pictures neu remasterte Blu-ray geworden ist, erfahrt ihr in den nachfolgenden Zeilen.
Story:
Mitten in den ultra-konservativen Siebzigern lebt in einem kleinen Vorort die Familie Lisbon. Vater Lisbon ein angesehener Lehrer, seine Frau eine streng katholische und sehr umsorgende Mutter sowie ihre fünf Töchter, Cecilia (13), Lux (14), Bonnie (15), Mary (16) und Therese (17). Doch das Familienglück wird überschattet von Cecilias Selbstmordversuch, den sie mit knapper Not überlebt. Doch das wieso, weshalb oder warum steht im Raum und Cecilias Eltern können sich ihre Tat nicht erklären. Der hinzugezogene Psychiater ist der Meinung, dass sich Cecilia eventuell zu eingeschränkt fühlt und man den Kontakt zu Gleichaltrigen und auch zu Jungs fördern soll. Mit den Tagen verblasst die Tat, doch die Angst der Eltern und Geschwister bleibt, was zur erhöhten Alarmbereitschaft im Hause der Lisbons führt. Im Zuge dessen springen die Eltern über ihren Schatten und richten für Cecilia eine Party aus, zu der auch Jungs eingeladen werden. Doch im Laufe des Abends verlässt Cecilia diese, geht in ihr Zimmer und stürzt sich aus ihrem Fenster in die Spitzen des gusseisernen Gartenzauns und vollendet letztendlich ihren damals begonnenen Suizid. Geschockt vom Anblick verlassen die Nachbar-Jungs den Ort des Grauens und zurück bleiben die Lisbons mit ihrer toten Tochter. Cecilias Freitod wird hinter vorgehaltener Hand zum Stadtgespräch und das Leben der Lisbons wird von den Plappermäulern nahezu in seine Einzelteile zerlegt. Währenddessen verschärfen die Lisbons die Aufsicht und Kontrolle über ihre Töchter. Die Tage vergehen, doch Cecilia spukt noch immer in den Köpfen aller herum. Die Schwestern scheinen eine in sich gekehrte Gemeinschaft gebildet zu haben. Besonders Lux versucht sich, der elterlichen Kontrolle zu entziehen und weiß ihre Reize geschickt einzusetzen. So verdreht sie High-School Mädchenschwarm Trip Fontaine den Kopf, sodass dieser alles daran setzt, mit ihr ein Date zu bekommen. Doch zuerst muss er die strenge elterliche Kontrolle überwinden und mit viel Beharrlichkeit und Zugeständnissen überredet er die Lisbons dazu, mit drei anderen Jungs alle vier Töchter auf den Abschlussball auszuführen. Dies nutzt Lux für eine intime Zweisamkeit mit Trip und kehrt nicht zur vereinbarten Zeit zurück. Die Lisbons sind außer sich und verschärfen jegliche Regeln, selbst zur Schule dürfen die Mädchen nicht mehr gehen. Mrs. Lisbon verfällt in eine zwanghafte Kontrollsucht und verbietet ihren Töchtern alles, was sie in ihren Augen verderben könnte. Doch aus den kleinen Mädchen sind junge Frauen herangereift, die sich nicht mehr einsperren lassen und ihren eigenen Gedanken haben, egal wo auch immer diese hinführen. In Lux, Bonnie, Mary und Therese reift ein perfider Plan heran und so laden sie eines Abends die Nachbar-Jungs unter einem Vorwand in ihr Haus ein, sodass diese unwissenden Zeuge eines Massensuizids werden. Eine Irrsinnstat, die die Eltern, die Jungs und viele andere ihr Leben lang nicht mehr loslassen wird.
Meinung und Wertung:
Nach Sichtung dieses Filmes dürfte für jeden erstmal tiefes durchatmen angesagt sein. Was uns Sofia Coppola mit ihrem Kino-Debüt beschert, ist unheimlich intensiv, wie auch schwer zu verarbeiten. Dieser Film dürfte Jeffrey Eugenides Buch in dessen Intensität wohl in nicht vielem nachstehen. Eine Stimme einer der damaligen Nachbarskinder erzählt aus dem Off schon zu Beginn von einem Drama, das sich einst ereignete und welches die Jungs sowie die Einwohner des Vororts über Jahre hinweg beschäftigten. Dabei spricht die Stimme aus dem Off stellvertretend für alle und teilt dem Zuschauer deren Gedanken zu den Vorfällen mit. Der Zuschauer bekommt vorab einen kleinen Einblick zur Figur Cecilia. Eine 13-jährige, die in sich gekehrter nicht sein könnte und niemand so wirklich weiß, was in ihr vorgeht und sie zu ihrem Selbstmordversuch bewegte. Wie allseits bekannt sein müsste, waren die 70er Jahre extrem konservativ, die Welt nach außen war „hui“ und nicht allzu selten nach innen hin „pfui“. Familienprobleme wurden öffentlich verschwiegen und eine strenge Erziehung würde die freigeistigen Jugendlichen schon in die richtigen Bahnen lenken. Das Thema Pubertät, die sexuelle Entwicklung und Neugier wurde zu dieser Zeit gerne verschwiegen, denn man sah Sex als etwas Unreines an. Ebenso die Probleme, die bei der Umstellung der Hormone auf den Geist wirkten, wurden gerne übersehen. Die Schwermut, die Cecilia befallen hatte, würde heute bei allen Erziehungsberechtigten die Alarmsirenen ertönen lassen. Damals nahm man fälschlicherweise an, sie bräuchte einfach nur mehr soziale Kontakte. Und anstatt mehr zu hinterfragen, werfen die Eltern, wie angeraten, für Cecilia eine Party, natürlich unter elterlicher Aufsicht. Und genau an diesem Abend wird Cecilias Vorhaben letztendlich glücken.
Zusammen mit der Stimme des Nachbar-Jungen aus dem Off, begibt sich der Zuschauer mit auf den Lebensweg der verbliebenen Lisbon Schwestern und ebenfalls auf eine Spurensuche nach dem Wieso, Weshalb und Warum. Wir erleben die Mädchen bei ihrer Trauerphase, die so ganz anders wie die der Eltern verläuft. Diese wird von einer merkwürdigen Lethargie getragen, doch langsam stellt sich eine gewisse Normalität ein. Die Nachbar-Jungs scheinen von dem Mysterium, das von diesen vier Mädchen ausgeht, wie verzaubert zu sein. So versuchen sie nicht nur die vielen Fragen zu beantworten, sondern beginnen die Mädchen und ihr Treiben mehr und mehr zu beobachten. Aber keiner dieser Jungs kann sich ihnen wirklich nähern. Als sich Lux nach einiger Zeit dem Mädchenschwarm der Schule zuwendet, werden auch die elterlichen Regeln etwas entschärft. Doch ein Fehltritt von Lux entzündet wieder die elterliche Sorgepflicht in ungeahnter Weise. Für den Zuschauer ist die Verschärfung der Erziehung und des Reglements auf der einen Seite zwar nachvollziehbar, doch Sofia Coppola zeigt auch, in welche Extreme Eltern, die nicht nur sehr konservativ, sondern auch noch stark religiös angehaucht sind, abdriften können. Da wird auch ganz schnell die Rock-Pop-Kultur zum Sündenbock gemacht oder man schließt die Kinder gleich ganz vorm Rest der Menschheit weg. Das schon recht unerträgliche „Familien-Idyll“ wird für die Mädchen zu einem wahren Gefängnis. Während auf der gegenüberliegenden Straßenseite die Jungs wie Voyeure Zaungäste dieser Entwicklungen werden. Doch irgendwann durchbrechen die Jungs ihr voyeuristisches Spiel und suchen den direkten Kontakt. Als dieser tatsächlich gelingt, zeigt uns Regisseurin Coppola schlussendlich das unausweichliche Drama, in das die Jungs hineingezogen werden.
Fazit:
Sofia Coppola zeigt uns mit der Verfilmung von Jeffrey Eugenides Buch, in ihrem Debüt-Kinofilm, eine zwar fiktive und dennoch sehr intensive und teils verstörende Geschichte, die trotz aller Düsternis, Pastellfarben und traumartig in Szene gesetzt wurde. Während des ganzen Filmes wird das Mysterium um die Lisbon Schwestern hochgehalten. Diese fast schon nymphenartigen Wesen, verdrehen allen schon fast methodisch den Kopf bzw. geht von ihrem Handeln eine teils hypnotische Anziehungskraft aus. Doch was in ihnen wirklich vorgeht bleibt dabei tief verborgen. Diese Darstellung macht es dem Zuschauer umso schwerer, die folgenden Taten und Handlungen nachzuvollziehen. Es wird zwar die Schwermut in dem Film betont und diese ist auch für den Zuschauer selbst noch nach dem Abspann spürbar, dennoch bleiben die Entscheidungen der Lisbon Mädels ein Rätsel. Und selbst wenn sich der Film mithilfe des Off-Sprechers auf die Spurensuche macht, wird jeder Zuschauer wohl eine eigene, aber keine allgemeingültige Erklärung finden. Obwohl der Film dieses düstere Thema behandelt, entschied sich Coppola gegen kalte und dunkle Farben. Sie setzt eher auf eine warme und rotstichige Farbpalette, sowie traumartige Sequenzen, welche den Film noch wesentlich surrealer wirken lassen. Die Musikauswahl für den Film finde ich persönlich durchaus gelungen, denn diese unterstützt mehrfach entsprechende Szenen. Schaut man tiefer in den Film hinein, so behandelt dieser die 70er Jahre sehr gesellschaftskritisch. Auch wenn man unter anderem an Woodstock denkt, waren die 70er damals nicht so liberal wie viele fälschlich annahmen. Die Gesellschaft war immer noch geprägt von sehr konservativen Zwängen und kleinbürgerlichen Denken. Gerade die Pubertät war ein gern tot geschwiegener Nebeneffekt des Erwachsenwerdens. Man merkt eindeutig, dass die Eltern ab einem gewissen Punkt total überfordert sind. Dies sind Probleme, mit denen Heranwachsende und Eltern zu kämpfen hatten und haben. Wie falsch man diesen Problemen begegnen kann zeigt der Film dann auf sehr eindringliche und erschreckende Art. Geht man aber eine Schritt weiter könnte man den Lisbon Mädchen ebenfalls einen gewissen Egoismus unterstellen, der sie dazu verleitete, aus dem Leben zu scheiden, bevor dieses eventuell noch komplizierter werden könnte. So oder so, „The Virgin Suicides“ ist ein Film, der viel Raum zum Spekulieren gibt und so gebe ich die Frage nach dem Warum, Wieso, Weshalb an euch weiter: Wie seht ihr das, bzw. zu welchem Schluss seid ihr gekommen? Teilt es uns wie immer in den Kommentaren mit.
Bild:
Gerade bei Filmen, die vor dem Jahrtausendwechsel entstanden sind, bin ich immer sehr gespannt, was die Labels und Studios aus dem vorhandenen Material gemacht haben, damit diese nun die Chance haben in HD in perfekten Glanz zu erstrahlen, so auch „The Virgin Suicides“. Vorab möchte ich noch erwähnen, dass der Film mit einigen filmischen Stilmitteln spielt, ebenso bewegt sich dieser mehr in warmen Farbräumen. Dies ist von der Regisseurin so gewollt und führt zu keiner Ab- oder Aufwertung der neuen BD. Die bereits erwähnt, bewegen sich die Farben zumeist im warmen Farbraum und neigen dabei etwas ins Rötliche. Dennoch werden die restlichen Farben niemals überlagert, sprich: ein saftiges Blattgrün bleibt auch ein saftiges Blattgrün, ebenso blau, gelb, etc. Somit bleibt trotz der Verschiebung in den warmen Farbraum das Bild sehr ausgewogen. Die Kontraste sind durchweg optimal eingestellt und wirken nie zu steil oder überstrahlen das Bild. Ebenso ausgewogen sind die Schwarzwerte, Details bleiben in dunklen Bereichen immer klar erkennbar. Natürliches Filmkorn ist vorhanden, wirkt dabei aber niemals störend und unterstützt den filmischen Look. Sehr zum Vorteil des Bildes, da man auf übertriebenen Filtereinsatz verzichtet hat. Einzig bei ein paar seltenen Innenaufnahmen tritt es ab und an mal etwas stärker in den Vordergrund, dies aber nur für ein paar kurze Einstellungen. Die Stärke des Bildes ist die Schärfe, Haare, Poren, Strukturen, Oberflächen, Texturen sind knackscharf und durchweg gut erkennbar. Was mich positiv überraschte, für einen älteren Film wirkte das Bild des Öfteren sogar sehr plastisch. Einzig ein paar Weitwinkel Aufnahmen zeigen mal kurz ein paar Unschärfen und fallen im Verlauf des Filmes auch gar nicht ins Gewicht. Es gibt auch Erinnerungssequenzen, die Unschärfen aufweisen, dies ist in diesem Fall aber als Stilmittel zu sehen und so gewollt. Die Datenrate bewegt sich immer im oberen Drittel einer Blu-ray, was dem Bild sehr zugute kommt. Bildfehler oder Bildverschmutzungen waren durchweg keine auszumachen. Alles in allem kann ich nur sagen, dass das Bild für einen älteren Titel wirklich sehr gelungen.
Ton:
Der Ton liegt in Deutsch und Englisch jeweils im Format DTS-HD Master Audio 5.1. Der Film ist durchweg Dialog- und Musiklastig, erwartungsgemäß gibt es kein Surround-Effekt-Gewitter. Dabei sind die Dialoge durchweg klar und verständlich und werden niemals überlagert, auch nicht von Musik Einspielern, die sich in den Momenten vornehm zurückhalten. Die Musik wird bei dialogfreien Szenen wunderbar in das heimische Wohnzimmer übertragen und man ist versucht, die Lautstärke nach oben zu regeln. Ebenso wie bei dem Bild bin ich auch mit dem Ton durchweg zufrieden. Besonders die gelungene Abmischung zwischen Dialogen und Musik fand ich sehr ausgewogen. Das machen selbst aktuelle Titel manches Mal schlechter.
Extras:
- Making-of
- Musikvideo: Air – „Playground Love“
- Kinotrailer
- Filmtipps
Wie immer möchte ich mich für eure Aufmerksamkeit bedanken und hoffe wir lesen uns bei meinem nächsten Review wieder.
(Marc Maurer)
©Bilder, Trailer und Medium zur Verfügung gestellt von Capelight Pictures – Alle Rechte vorbehalten.
Tolles Review, das definitiv neugierig macht.
Der Film ist dank dir notiert.