Mit „Parasite“ aus dem Jahre 2019 präsentiert uns Südkoreas Top Regisseur Bong Joon-ho eine unglaublich atmosphärische und dichte Gesellschaftssatire, die bisher zig Preise einheimsen konnte. Die bekanntesten dürften neben Cannes Goldene Palme und dem Golden Globe, der Oscar sein. Vergangene Woche bei den 90. Oscar Verleihungen, konnte dieser nicht nur einen sondern gleich vier der begehrten goldenen Statuen abräumen. Den ersten erhielt Bong Joon-ho für das beste Drehbuch, den zweiten für den besten ausländischen Film, den dritten für die Beste Regie und schlussendlich den vierten, für den besten Film des Jahres. Nun darf ich mir ein Bild von diesem Streifen machen und kann herausfinden, ob Parasite seine Preise wirklich verdient hat oder ob dieser Hype nur viel heiße Luft um nichts war. Wie ich Bong Joon-hos neustes Werk empfunden habe, erfahrt ihr wie immer, wenn ihr weiterlest.
Story:
Familie Kim fristet ihr ärmliches Dasein in einer schäbigen Untergeschoss Wohnung. Die Vier halten sich mit Aushilfsjobs, wie dem Falten von Pizza Schachteln über Wasser. Alternativen und bessere Aussichten auf ein besseres Leben sind rar und so produzieren Vater Kim Ki-taek, seine Frau Chung-sook, Tochter Ki-jung und deren Sohn Ki-woo, völlig demotiviert entsprechend viel Ausschuss, was mit einer Lohnkürzung bestraft wird. Da scheint der Besuch von Ki-woos Freund ein Licht am Ende des Horizonts zu sein. Dieser bietet ihm seinen Nachhilfe Job bei der reichen Familie Park an, während er ein Auslandssemester wahrnehmen möchte. Ki-woo ist zwar etwas unschlüssig, da ihm eigentlich die Referenzen fehlen, sagt aber dennoch zu, mehr als schief laufen kann es ja nicht. Sein Kumpel sieht dabei gar kein Problem, denn die Hausherrin scheint ein leichtes Gemüt zu sein. Entgegen Ki-Woos Befürchtungen läuft es bestens bei den Parks und das nicht nur mit der Nachhilfe, sondern auch mit der Tochter. Während seiner Nachhilfestunden fällt ihm auf, dass die Mutter von der „künstlerischen Ader“ ihres kleinen Sohnes schwärmt und es doch soooo schön wäre, wenn man dieses Talent fördern könnte. Da wächst in Ki-Woo der Gedanke, seine Schwester Ki-jung mit ins Spiel zu bringen. Mit PhotoShop und ihrem kreativ ausgelebten Hobby, Unterlagen zu fälschen, macht ihr eh keiner was vor. Und so bringt er auch seine Schwester als Kunstlehrerin ins Haus der Parks. Natürlich ohne dabei zu erwähnen, dass sie verwandt sind. Und auch sie beginnt sogleich zu intrigieren. Platziert sie doch ihr Höschen im Mercedes des Hausherrn. Dieser verdächtigt natürlich sofort seinen Fahrer. Sex seines Fahrers, in seinem Auto, das geht ja mal gar nicht und so folgt die sofortige Kündigung. Aber woher einen neuen Fahrer auf die Schnelle nehmen? Welch ein Zufall das Ki-jung einen erfahrenen Fahrer kennt und schon hat Vater Ki-taek die Stelle. Natürlich ebenfalls in völliger Unwissenheit seines neuen Arbeitgebers, in welcher Beziehung dieser zu dessen „Nachhilfe-Lehrern“ dieser steht. Nun fehlt nur noch die Haushälterin, die es durch Mutter Chung-sook zu ersetzen gilt. Ein perfider Plan zwingt auch die Haushälterin aus dem Hause der Parks. Nun können sie die Kims nach und nach im Haus ihrer wohlhabenden Arbeitgeber breit machen. Doch auch die ehemalige Haushälterin hat noch ein düsteres Geheimnis, welches im tiefsten Inneren des Gebäudes haust und sie tut alles, um dieses zu beschützen…
Meinung und Wertung:
Vorab muss ich schon mal sagen: was für ein irrer Trip war das denn?!? Alleine die Eingangssequenz nach der Suche eines freien Wlans ist schon sehr skurril, wenn man an das „Örtchen“ denkt, in dem es noch Empfang gibt. Doch das ist nur ein harmloses Intro, für das, was für den Zuschauer noch folgen und nicht zu erwarten sein wird. Auch ist der Einstieg in die Rolle als vermeintlicher Nachhilfelehrer noch recht nachvollziehbar. Aber sodann beginnt sich die skurrile Spirale zu drehen, als Ki-woo die Chance sieht, seine Schwester ebenfalls in das Haus der Parks zu holen. Und diese ebenfalls anfängt einen Plan zu spinnen, wie ihr Vater zu einem Job kommen kann. Ganz zu schweigen von der Mutter, die ebenfalls einen Platz im Haus der Familie Park bekommen muss, koste es was es wolle. Wenn man sich bis zu diesem Punkt dachte „was für ein verschlagenes Pack“. So kommt man nicht umhin, bei den Aktionen der Familie Kim nicht nur zu schmunzeln, sondern teils erstaunt, teils schallend lachend deren parasitären Werdegang zu beobachten. Als geübter Cineast ist man anfangs noch der Meinung, den weiteren Verlauf des Films voraus ahnen zu können. Doch weit gefehlt, ab einem gewissen Zeitpunkt wirft Bong Joon-ho geradezu mit etlichen und nicht zu erwartenden Twists um sich. Von Minute zu Minute rutscht einem der Unterkiefer tiefer und tiefer. Das einzige, was sicher ist, dass man jegliche Vorhersagen wieder einmotten darf. Zu gerne würde ich dies etwas mehr ausführen, damit würde aber die Gefahr des spoilerns bestehen. Natürlich werde ich mich hüten das zu tun, denn dieser Film sollte von jedem so unbefangen und unwissend wie nur möglich gesehen werden.
Erwähnen möchte ich auch noch den tollen Cast, dieser spielt so unheimlich gut und teils sehr intensiv auf. Dabei verkörpern die Darsteller ihre Rollen absolut überzeugend. Hier ist eine tolle Symbiose aus Regie und Schauspiel entstanden. Auch ist die musikalische Untermalung zu jederzeit überaus gut gewählt und unterstützt diese Tragik-Satire auf eine stimmige und emotionale Weise. Was ich jetzt schon bezogen auf das Ende sagen kann: selbst wenn man die Wendungen und das Finale kennt, wird der Film auch bei einer Zweit-, Dritt oder Mehrfachsichtung nicht langweilig. Was unter anderem an der Story selbst, den Bildern und der Bildsprache, des Schauspiels, des Settings, der Regie und den Einstellungen sowie der gesamten Kameraarbeit liegt. Das Gesamtpaket ist, um es kurz zu sagen, unheimlich stimmig, so dass man sich an diesem tatsächlich mehrfach ergötzen kann.
Fazit:
Wie angekündigt halte ich mich, um Spoiler zu vermeiden, nun bewusst mit meiner Schreibe zurück und komme direkt zum Fazit: Bong Joon-ho entwarf mit „Parasite“ nicht nur eine Gesellschaftssatire sowie eine Gesellschaftskritik, sondern auch eine bitterböse und rabenschwarze Tragik-Komödie. Dabei ist der Film mehr Satire als Komödie. Dennoch entsteht aus der Situation und der daraus resultierenden Situationskomik ein tief schwarzer, teils düsterer und böser Humor, welcher dem Zuschauer auch öfter mal im Halse stecken bleiben wird. Während des Films rutschte mir mehrmals die Floskel: „was zum Geier geht denn da ab“ (neudeutsch auch: „wtf“) über die Lippen. Selbst Stunden nach der Sichtung geisterten mir immer noch Szenen im Kopf herum, die mich nicht mehr losließen. „Parasite“ ist neben „Once upon a time in Hollywood“ von Quentin Tarantino, die zweite große und überaus positive Überraschung des Filmjahres 2019 für mich. Ich bin der Meinung, genau dafür wurde Kino erfunden, um solche Geschichten zu erzählen: die den Zuschauer packen, mitreißen, erstaunen, erschrecken, begeistern, sowie viele weitere Emotionen auslösen und den Wunsch aufkommen lassen, den Film nach dem Abspann gleich nochmals sehen zu wollen. Wenn ein Film dies alles schafft, hat er alles richtig gemacht und ich behaupte mal, dass „Parasite“ genau solch ein Film ist. Wer ein Faible für außergewöhnliche Kino Geschichten und ebenso außergewöhnliches Storytelling hat und sich dazu noch an toller Kameraarbeit erfreuen kann, darf diesen Film definitiv nicht verpassen!
Habt ihr den Film gesehen, wie habt ihr ihn empfunden, hat er euch gefallen, bejubelt ihr ihn oder fandet ihr ihn bescheiden, wenn nicht sogar schlecht? Teilt es uns in den Kommentaren mit.
Bild:
Das Bild ist durchgängig knackscharf, die Farben sind sehr kräftig und passen perfekt zu dem Film. Die Farbtemperatur bewegt sich immer zwischen sehr warmen und kalten Farbtönen hin und her und ist als Stilmitteln hervorragend eingesetzt. Die hell/dunkel Kontraste sich durchweg ausgewogen. Ebenso hat das Bild einen tollen Schwarzwert, der besonders bei den vielen dunklen Szenen durchaus nötig ist. Dadurch sind Details immer sehr gut erkennbar und teils wirkt das Bild auf mich sogar recht plastisch. Für mich gibt es an dem Bild nichts bemängeln, bzw. nichts was eine Abwertung rechtfertigen würde.
Ton:
Der Ton liegt für Deutsch in DTS-HD Master Audio 5.1 und für die koreanische Tonspur in DTS-HD Master Audio 7.1 vor. Der deutsche Ton ist glasklar, die Dialoge stehen klar im Vordergrund und werden zu keiner Zeit von räumlichen Effekten überdeckt. Dabei gehen diese aber auch nicht unter, sondern sind immer differenzierbar im Raum zu hören. Als Beispiel sei hier der prasselnde Regen genannt. Auch die emotionalen Musikeinlagen überlagern nie die Dialoge, sondern unterstützen diese angenehm im Hintergrund und treten ebenso wie die räumlichen Effekte nach Dialogeende wieder in den Vordergrund. Die Tonabmischung finde ich trotz fehlenden Dolby Atmos als sehr gelungen.
Extras + Bonus Disc:
- Deutscher Trailer (Deutsch / OmU)
- Koreanischer Trailer / Teaser
- Teaser (Koreanisch, Deutsche Untertitel)
- Character Teaser #1 (Deutsch / OmU)
- Character Teaser #2 (Deutsch, OmU)
- TV Spots
- Pizza-Schachtel-Video
- Interview mit Bong Joon-Ho
- Q&A mit Bong Joon-Ho (Filmfest München)
- Q&A mit Cast und Crew (TIFF)
- Bong Joon-Ho: Expect the Unexpected (TIFF)
- Bong Joon-Ho Masterclass (TIFF)
- Making of
- Hinter den Kulissen
- Keine Spoiler
- Grüße von den Darstellern
- Entfallene Szenen
Wie immer möchte ich mich für eure Aufmerksamkeit bedanken und hoffe wir lesen uns bei meinem nächsten Review wieder.
(Marc Maurer)
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