Anfang der Sechziger entschied Harry Saltzman, damals noch die eine Hälfte des Produzenten Teams Broccoli/Saltzman rund um die „007“ Filme, eine neue Filmreihe zu produzieren. Dabei sollte es zwar auch um Spionage gehen, doch der neue Charakter „Harry Palmer“ sollte so ganz anders sein, quasi ein Anti-Bond. Während James Bond grundsätzlich immer schick und Herr der Lage, finanziell gut situiert sowie technisch mit allerlei „SchnickSchnack“ ausgestattet ist, war Harry Palmer mehr der einfache, normale Typ. Weitsichtig mit dicker Brille, finanziell gerade so über die Runden kommend, keine technischen Hilfsmittel anbei und immer nahe dem Rauswurf oder der Einkerkerung. Dafür kocht er gerne und Frauen ist er auch nicht abgeneigt. Besetzt wurde Harry Palmer mit dem damals noch recht unbekannten „Michael Caine“ der mit „Ipcress – Streng geheim“ seinen Durchbruch feierte. Wie der erste der Harry Palmer Filme, aus dem Jahre 1965, heute auf mich wirkt, wie das Bild geworden ist und was der Inhalt des Mediabooks* von Koch Media zu bieten hat, erfahrt ihr, wenn ihr weiterlest.
Story:
London in den 60ern, Harry Palmer wegen einer kleinen Schmuggelaktion zum Dienst im Verteidigungsministerium verdammt, wird zu seinem Vorgesetzten Colonel Ross zitiert. Palmer soll zur Spionageabwehr unter Leitung von Major Dalby versetzt werden und einen getöteten Agenten ersetzen. Es stellt sich heraus, dass immer wieder britische Wissenschaftler verschwinden, zuletzt der Atomphysiker Radcliff. Harry ist ja nun nicht der Vorzeigeagent, seine Extratouren und seine aufmüpfige Art sind für seine Karriere nicht sonderlich hilfreich. Dennoch zeigt er Gefallen an Major Dalbys Einheit, besser gesagt an dessen Sekretärin. Doch auch die verschwundenen Wissenschaftler und der undurchsichtige Grantby, der hinter dem verschwinden Radcliffs zu stecken scheint, weckt sein Interesse. Doch die Bürokratie bremst ihn gehörig aus, für jeden Ermittlungsweg und Verfolgung benötigt es ein eigenes Formular. Harry spürt auf seine eigene, sehr unbürokratische Methode Grantby auf und bietet ihm einen Deal an. Als es zur Übergabe Radcliffs kommt, scheint alles in Ordnung, doch bei einem Vortrag stellt sich heraus, dass Radcliff psychisch sehr angeschlagen zu sein scheint. Harrys erneuter Versuch, Grantby aufzuspüren schlägt fehl, dennoch schaffen es, die Kollegen der örtlichen Polizei, Grantbys rechte Hand Housemartin, festzusetzen. Als Harry diesen zum Verhör abholen will, findet er diesen tot in der Zelle auf. Bei der Durchsuchung des Unterschlupfs, in dem man Housemartin aufgriff, findet Harry eine Stück Tonband mit verstörenden Klängen und der Beschriftung „Ipcress“ darauf. Nun überschlagen sich die Ereignisse, Harrys Kollege Carswell wird getötet und Harry selbst soll ein Mord untergeschoben werden. Derweil wird Harry auch noch entführt und muss bald am eigenen Leib erfahren, was es mit „Ipcress“ auf sich hat, und dass man niemandem mehr trauen kann.
Meinung und Wertung:
Das Erste, was bereits in den ersten Minuten auffällt, ist die Ähnlichkeit beim Look und Sound zu den James Bond Filmen. Um genau zu sein, zu den ersten Titeln wie „James Bond jagt Dr. No“ und „Liebesgrüße aus Moskau“. Was wohl daran liegt, dass sich Saltzman an seiner Bond Crew bediente und dem Anti-Bond Projekt: Filmeditor Peter R. Hunt, Komponist John Barry und Produktionsdesigner Ken Adam zur Seite stellte. Trotzdem kann man die Harry Palmer Filme*, derer es drei gibt: „Ipcress – streng geheim“, „Finale in Berlin“ und „Das Milliarden Dollar Gehirn“ nicht mit 007 vergleichen. Im Gegensatz zu den Bond Filmen bleibt das böse Mastermind eher im Hintergrund. Die Action ist sehr reduziert, der Ermittlungsanteil steht klar im Vordergrund. Ebenso hüpft Harry Palmer nicht mit jedem Frauenzimmer ins Bett, welches nicht bei drei nicht auf den Bäumen ist. Im Vergleich zu Bond könnte man sogar sagen, dass Harry fast schon monogam lebt, ein intimes Tête-à-Tête pro Film muss reichen.
Der Film selbst ist recht ruhig erzählt, ohne dabei langweilig zu werden, was unter anderem an der sehr abwechslungsreichen Kameraarbeit liegt. Diese reicht von Close-Ups über Weitwinkel bis hin zu schräg gestellten Kameraperspektiven, Dutch Angle genannt. Die Optik des Filmes kann durchweg überzeugen und vermittelt einen ganz eigenen Look. Teils hat man das Gefühl, man würde einem Alfred Hitchcock Film folgen. Das Augenmerk liegt, wie schon gesagt, nicht auf dem Bösewicht, sondern auf Michael Caine als Harry Palmer. Seine teils arrogante, aufmüpfige und eigenbrötlerische Art unterscheidet ihn immens von dem bekannten Agenten der britischen Krone. Oder habt ihr schon mal 007 in einem Supermarkt Lebensmittel einkaufen gesehen? Ebenso arbeitet Harry auch nicht unbedingt freiwillig für den Geheimdienst. Dies nur, weil der Geheimdienst ihn für seine Schieberein im Krieg erpresst, entweder Agent oder Knast. Harry ist auch nicht derjenige, der sich mit Leib und Seele für das Vaterland oder in diesem Fall für die Krone einsetzt. Im Gegenteil, er hat noch eine sehr gesunde Einstellung, was seine eigene Sicherheit angeht. Das bringt dem Zuschauer den Charakter Harry Palmer wesentlich näher, als der schon fast „übermenschliche“ Mr. Bond. Auch die spät einsetzende Erkenntnis um das große Ganze baut Spannung auf und man fiebert mit, ob Harry Palmer sich aus dieser Situation heraus manövrieren kann.
Abschließend noch ein paar Worte zur Musik. John Barrys Score unterstützt den Film auf eine großartige, teils auch sehr unheimliche Art. Das Titelthema ist nicht so reißerisch wie die Bond Melodien, aber dennoch typisch John Barry. Bei „Ipcress – Streng geheim“ setzte Barry auf ein bekanntes Schlag-Instrument, das schon in „Der dritte Mann“ Verwendung fand. Das „Zymbal“ oder zu Deutsch „Hackbrett“, welches diese besonderen Klänge erzeugt. Kurzum, wer John Barrys Arbeit mag, wird auch hier nicht enttäuscht werden.
Fazit:
Läuten wir das Fazit ein: „Ipcress – Streng geheim“ ist, obwohl wir es mit Agenten, einem Bösewicht und einem Anti-Bond bzw. einem Antihelden zu tun haben, kein Action-Film. Ein Thriller in Hitchcock Manier dürfte es eher treffen, was auch an der wirklich tollen Kameraarbeit und John Barrys starken Score liegt. Fast schon pedantisch wurde darauf geachtet, die Hauptfigur als das komplette Gegenstück zu 007 anzulegen. Das macht den Charakter Harry Palmer aber nicht unnahbarerer, ganz im Gegenteil. Agent Harry Palmer könnte genauso wie Du und Ich sein, ein Normalo. Zwar mit einer besonderen Ausbildung, aber ebenso mit seinen Spleens, Vorlieben und auch Macken. Um genau zu sein, ist Harry Palmer der realistischere Bond. Und das Realismus nicht unbedingt langweilig sein muss, beweist „Ipcress – Streng Geheim“ auch heute noch. Für mich hat der Film rund 55 Jahre später nichts von seinem Unterhaltungswert verloren. Andererseits möchte ich noch erwähnen, wer Action, rasante Verfolgungsjagden, harte Mann-zu-Mann Kämpfe, ausufernde Explosionen erwartet, der ist hier eindeutig falsch.
Obendrein bietet das Mediabook* von Koch Media einen ungeahnten Mehrwert. Das Mediabook* bietet im Gegensatz zu den üblichen Verdächtigen, anstatt zwei Medien des selben Inhalts, hier eindeutig mehr: einmal den Film „Ipcress – Streng geheim“ auf Blu-ray, dazu gibt es noch eine Blu-ray mit der Doku „My Generation“ mit Michael Caine und eine weitere DVD mit Bonus Material. Dies nenne ich mal wieder ein Mediabook*, welches diesen Namen auch verdient.
*Zum Testzeitpunkt lagen mir nur die Check-Discs vor, daher kann ich keinerlei Informationen zu der Verpackung, sprich dem Mediabook selbst abgeben.
*Jahrzehnte später kehrte Caine nochmals als Harry Palmer in den beiden von Harry Alan Towers produzierten Filmen „The Palmer Files – Der rote Tod (1995)“ und „The Palmer Files – Herren der Apokalypse (1996) zurück.
Habt ihr den Film gesehen, wie habt ihr ihn empfunden, hat er euch gefallen, bejubelt ihr ihn oder fandet ihr ihn bescheiden, wenn nicht sogar schlecht? Teilt es uns in den Kommentaren mit.
Bild:
Ich bewerte die Bildqualität von Filmen immer dem Alter entsprechend und das Bild ist für das Alter dieses Filmes wirklich toll geworden. Natürliches Filmkorn ist minimal vorhanden, aber nie störend. Die Bildschärfe ist hervorragend für das Alter, feine Details sind stets erkennbar. Farben und Kontraste sind sehr ausgewogen abgemischt, der Film wirkt auf Blu-ray eindeutig frischer, als noch auf der alten DVD. Da der Film mit viel dunklen „Ecken“ und „Winkeln“ spielt, ist ein ausgewogener Schwarzwert ein Muss und diesen liefert das Bild auch. Ich persönlich bin durchweg mit dem Bild zufrieden. Natürlich reicht dieses nicht an aktuelle Produktionen heran. Das muss es auch nicht, denn wie ich eingangs erwähnte, bewerte ich ein Bild immer dem Alter entsprechend und für dieses kommt es sehr gut daher. Ein besseres Bild bekommt man, wenn wir schon beim Bond Vergleich sind, nur bei den alten Bond Filmen gleicher Jahrgänge. Dort wurde aber auch eine Bild zu Bild Präzisionsarbeit der US-amerikanischen Firma Lowry Digital geleistet. Solch ein Aufwand wäre bei den zu erwartenden Einnahmen, in keinem Verhältnis zu den Kosten gestanden. Trotzdem darf man mit dem Ergebnis durchaus zufrieden sein.
Ton:
Der Ton liegt in folgenden Formaten vor: Deutsch 2.0, Englisch 2.0 und Englisch 5.1. Die Dialogverständlichkeit ist durchweg gegeben, diese werden nie durch Effekte oder die Musik beeinträchtigt. Der Ton klingt frisch, klar und sauber. Störgeräusche, rauschen oder sonstiger Fehler sind mir zu keiner Zeit aufgefallen. Der Ton ist für das gewählte Format gut, nicht mehr nicht weniger.
Extras:
Disc 1:
- Englischer Trailer
- Trailers from Hell
- Radio Spots
- Textless Vor/Abspann
- Bildergalerie
Disc 2:
- Exklusive Dokumentation: „My Generation“ von und mit Michael Caine
Disc 3:
- Doku „Candid Caine“
- Interview mit Michael Cain
- Interview mit Ken Adam
- Michael Caine goes Stella
Wie immer möchte ich mich für eure Aufmerksamkeit bedanken und hoffe wir lesen uns bei meinem nächsten Review wieder.
(Marc Maurer)
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