Ivan Kavanagh selbst und seine bisherigen Werke dürften bisher eher Besuchern von Filmfestivals bekannt sein. Mit „Never Grow Old“ realisierte Kavanagh jetzt sein bisher größtes Filmprojekt. Dafür stand ihm ein entsprechendes Budget von geschätzt rund 12 Millionen Dollar und ein nicht gerade unbekannter Cast zur Verfügung. Unter anderem mit dabei: Emile Hirsch („The Girl Next Door“, „Once Upon a time in Hollywood“), Déborah François („Mademoiselle Populaireund“, „Meine Zeit mit Cézanne“) und John Cusack („2012“, „Zimmer 1408“, „Das Urteil“) diesmal als Bösewicht. Wie bei seinen bisherigen Filmen auch, verfasste Kavanagh selbst die Geschichte zu „Never Grow Old“. Hier erzählt er uns die Geschichte des irischen Zimmermanns Patrick Tate, der 1849 in dem kleinen amerikanischen Kaff Garlow mit seiner Frau Audrey und seinen beiden Kindern sein Glück sucht. Ob Kavanagh dem Western-Genre eine neue Facette hinzufügen konnte oder ob „Never Grow Old“ nur einer unter vielen ist, möchte ich euch in diesem Review eräutern.
Story:
Der Ire Patrick Tate führt mit seiner Frau Audrey und seinen beiden Kindern ein beschauliches und einfaches Leben als Zimmermann in dem kleinen Nest Garlow. Seit Prediger Pike Glücksspiel, Prostitution und Alkohol verboten hat, sank die Zahl der Auseinandersetzungen und die tödlich endeten gleich gen Null. Somit sank auch Patricks Einkommensquelle, weniger Tote, weniger Särge. Zum christlichen Glauben konvertiert, versucht er nun, mit seiner Familie ein gottesgläubiges Leben in dieser kleinen Gemeinde zu führen. Doch der Tag, an dem Dutch Albert an seine Tür klopfte, sollte sein Leben entscheidend ändern. Dutch jagt mit seinen Kumpanen, Dumb-Dumb und dem „Italiener“, einen alten Spießgesellen und Patrick soll ihm helfen, diesen aufzutreiben. Die erste Spur ist eine Sackgasse und so laden sich Dutch und seine Gang mitten in der Nacht bei Patrick selbst zum Essen ein.
Die unheilvolle Ausstrahlung von Dutch lässt Patrick zögern, aber es wäre wohl unklug, sich ihn zum Feind zu machen. Dieses unheilvolle Zusammentreffen bleibt, sehr zum Leidwesen von Patrick, keine Ausnahme. Dutch findet Gefallen an Garlow und eröffnet kurzerhand wieder den Saloon, lässt Huren anschaffen und auch der Alkohol fließt wieder in Strömen. Es dürfte klar sein, die erste tödliche Auseinandersetzung wird nicht lange auf sich warten lassen. Dutch gehört nicht zu den Menschen, die einen Disput lange ausdiskutieren. Die Zahl der Toten steigt und Patricks Taschen füllen sich, sehr zum Argwohn Audreys. Dutch ist sich seines Stands sicher, sieht er doch bei allen Einwohnern Garlows, sowie auch in Patricks Augen, bloße Angst. Doch wer soll wieder Recht und Ordnung in die Stadt bringen, wenn sich selbst der Sherriff hinter seinem Stern versteckt. Und es kommt noch schlimmer, als ein junges Mädchen durch Dutchs Verschulden am Galgen landet. Alles eskaliert und nun stellt sich die Frage, wer überlebt und wer wird im Schlamm Garlows verrecken.
Meinung und Bewertung:
„Never Grow Old“ ist alles andere als ein glänzender Western mit „sauberen“ Saloon Schlägereien oder dem obligatorischen Shootout zur Mittagszeit. Kavanaghs Western schlägt mehr so in die Richtung von Clint Eastwoods „Pale Rider“ oder „Erbarmungslos“, ohne jetzt deren Klasse zu erreichen. Auch durch die Optik und die Settings wurde ich sehr an „Pale Rider“ erinnert. Kavanagh zeigt uns eine kleine dreckige Stadt, bzw. eher ein wahres Kaff, das in einer immerwährenden Herbstperiode angesiedelt zu sein scheint. Sonnenschein, Fehlanzeige, alles erscheint in einem tristen Grau in Grau und John Cusack als Dutch Albert steigert noch das triste und unheilvolle Gefühl des Zuschauers. Gerade bei Cusacks Dialogeinlagen weiß man nie, ob der nächste Satz mit einem Punkt oder einem tödlichen Schuss endet. Dabei bleibt seine Darstellung stets sehr ruhig, was ihn noch wesentlich gefährlicher wirken lässt.
Aber auch Emile Hirsch als Patrick Tate weiß zu überzeugen. Man merkt ihm seine Zerrissenheit förmlich an. Er weiß, dass er Teil von etwas Schlechten ist und er möchte sich befreien. Doch die erneute Einnahmequelle durch die Bestattungen lassen ihn wiederaufleben. Er kann sich endlich wieder als jemand Besseres fühlen. Anders als das, was die christliche Gemeinde in ihm als irisch-stämmigen Einwanderer sieht und ihn leider auch spüren lässt. Trotzdem merkt er wie die Gefahr wächst, die er sich und seiner Familie aussetzt.
Auch wenn die Geschichte in einer Stadt spielt und wie üblich die Einwohner entsprechend weit um den Stadtkern auseinander wohnen, fühlt sich der ganze Film wie ein Kammerspiel an. Es gibt keine weite oder epische Wilder-Westen-Szenerie, alles spielt sich im Recht kleinen Kreis ab. Erst zum Ende hin bezieht Kavanagh seine Nebencharaktere stärker in den Film mit ein. Diese sind es auch, die dem Plot einen Wendepunkt hinzufügen und den Film zum übersichtlichen Finale führen. Der Regisseur verzichtet dabei auf großartige Duelle, ausufernde Kampf- oder Abschiedsszenen. Meiner Meinung nach sehr zum Vorteil des Films. So bleibt der Tenor des Werks erhalten und beeindruckt mehr durch die Handlungen der Figuren zum Finale hin.
Ebenfalls rückt Kavanagh die Tatsache in den Mittelpunkt, dass man im „Wilden Westen“ auf sich allein gestellt war und man gegebenenfalls nur seine Familie an seiner Seite hatte. Wer was erreichen wollte, konnte nur auf die eigenen Hände harte Arbeit zählen. Taugte der Sherriff nichts, gab es auch keine Gerechtigkeit. Und auch mit der Kirche rechnet Kavanagh ab und stellte deren begottisches Verhalten und die einseitig verteilte Nächstenliebe an den Pranger. Der Score untermalt dabei den Film perfekt und verstärkt die Tristesse.
Kommen wir zum Fazit, „Never Grow Old“ ist kein heroischer Hochglanz Western mit Happy End. Er ist eher ein dramatisches Kammerspiel. Dabei erreicht er zwar nie die Klasse der ernsten Eastwood Western, weiß aber dennoch kurzweilig gut zu unterhalten. Wer mal wieder einen Western außerhalb des Mainstreams sehen und sich dabei auch noch von ein einem wirklich gut aufspielenden Duett, bestehend aus Cusack und Hirsch, unterhalten lassen möchte, dem sei „Never Grow Old“ ans Herz gelegt. Ich für meinen Teil wurde positiv überrascht, obwohl der Film jetzt nicht zur Ober-Liga des Western Genres gehört. Gefühlt bewegt er sich auf gehobenem Durchschnitt und zeigt, dass auch „kleine“ Filme durchaus sehenswert sein können.
Habt ihr den Film gesehen, wie habt ihr ihn empfunden, hat er euch gefallen, bejubelt ihr ihn oder fandet ihr ihn bescheiden, wenn nicht sogar schlecht? Teilt es uns in den Kommentaren mit.
Bild:
Das Bild ist meist dunkel und gräulich gehalten. Die Farben bewegen sich im Farbbereich erdiger Töne. Vermutlich wurde der begrenzte Farbraum als Stilmittel gewählt. Die Kontraste und Schwarzwerte überzeugen auf ganzer Linie. Besonders das schwarze Outfit John Cusacks wirkt tiefschwarz und dennoch sehr gut durchzeichnet. Die Schärfe bewegt sich auf oberem Niveau.
Ton:
Der Ton liegt jeweils für deutsch und englisch in dts HD-Master 5.1 vor. Viel Surroundeffekte hat der Film nicht zu bieten, dennoch klingt der Regen schön differenziert, die Schüsse der alten Western Waffen wurden nicht mit modernen Effekten überzogen, daher klingen diese wie sie klingen müssen dumpf und druckvoll. Die Dialoge sind durchweg klar und dauerhaft verständlich.
Extras:
- Making-of
- Interviews
- B-Roll
- Trailer
Als Extras gibt es ein kurzes Making-of, das auf die Entstehung, die Location und einiges anderes eingeht. Weiterhin sind noch ein paar Interviews vorhanden, die ein wenig zusammengestückelt wirken. Dazu noch ein kurzes B-Roll und Trailer. Es ist zwar nett, dass es ein paar Infos gibt, aber vom Hocker hat mich dieses Bonusmaterial jetzt nicht gehauen.
(Marc Maurer)
©Bilder und Medium zur Verfügung gestellt von Koch Media – Alle Rechte vorbehalten.
Schönes Review, Western schaue ich auch gern abseits des üblichen Strickmusters.
Daher wage ich dank deinem Eindruck eine Sichtung.