Am 22. September kommt der Film „Mittagsstunde“ in die deutschen Kinos und wir haben das Review dazu.
Story
Ingwer zog einst aus dem idyllischen Dorf Brinkebüll nach Kiel, um dort sein Studium zu absolvierten und mittlerweile steht er beruflich auf festen Beinen. Trotzdem hadert er nach sehr langer Zeit mit seinem Leben. So nimmt er sich ein Sabbatjahr und kehrt zurück in seine Heimat. Nicht nur, weil Großvater Sönke sich nicht von seiner Dorfkneipe trennen kann, dessen gute Zeiten lange zurückliegen. Sondern auch wegen seiner Großmutter Ella, die an Demenz erkrankt ist und stetig verwirrter agiert. Doch die Rückkehr nach Brinkebüll öffnet ihm die Augen, Erinnerungen an die damalige Dorfromantik und heile Welt, sind verschwunden. Das Dorf hat einen harten Wandel vollzogen, nur die Alteingesessenen versuchen an ihren Traditionen festzuhalten, genauso wie an Familien geführten Betrieben, so wie es eben immer war.
Eindruck
Der Regisseur Lars Jessen verfilmte mit Mittagsstunde den gleichnamigen Roman von Dörte Hansen. Dieser kommt am 22.09.2022 in die deutschen Kinos und wirft unter anderem einen melancholischen Blick auf das dörfliche Leben und deren Bewohner in der heutigen Zeit. Im Fokus stehen neben dem Dorfleben selbst natürlich Ingwer und seine Familie, welche nicht nur mit den Altersbeschwerden zu kämpfen haben, sondern auch gegen den nicht aufzuhaltenden Verfall ihres Dorfes ankämpfen.
Beim Cast von Mittagsstunde übernahm Charly Hübner den Part von Ingwer Feddersen. Dessen Performance mir schon aus dem Film Lindenberg! Mach dein Ding, oder der TV-Serie Hausen, gut in Erinnerung geblieben ist. Letztlich werden ihn die meisten schon einmal gesehen haben, da der fleißige Charly Hübner in etlichen Filmen und Serien mitgespielt hat. Hildegard Schmahl (Großmutter Ella), sowie Peter Franke (Großvater Sönke) sind ebenfalls keine unbekannten der deutschen Film- und TV-Landschaft. Das sieht und merkte man an ihren einfühlsamen Interpretation der Charaktere, die sie spielen. Das gilt auch für den restlichen Cast, der sich hier ganz der Geschichte unterordnet und den Figuren Leben einhaucht.
Mittagsstunde ist eine Geschichte, die von den Menschen und ihren Schicksalen in dem kleinen Dorf handelt. Von einigen, welche den Weg hinaus in die Stadt wählten. Sowie natürlich denen die knallhart spüren, dass es heutzutage ein täglicher Existenzkampf ist, einen familiären Betrieb zu führen. Eines der Hauptthemen ist das Dorf selbst, auch wenn es die meisten nur noch von alten Bildern und nostalgischen Erzählungen kennen. Die Dorfgemeinschaft, der Zusammenhalt und das turbulente Leben, all das ist längst der tristen Gegenwart gewichen. Hier springt der Film bisweilen in der Zeit mal zurück in die Vergangenheit, nicht nur, um den Zuschauer den damaligen Wandel im Dorf näherzubringen.
Ein schwieriges Thema, wenn man dort groß geworden ist und die Ruhe und sein verträumtes Dorf zu schätzen weiß. Man könnte sagen, dass die Einwohner ignorant auftreten, aber man kann auch sagen, dass sie zufrieden mit ihrem einfachen Leben sind und keine Veränderung brauchen. Sei es fortschrittliche Natur oder eben landschaftliche Einschnitte. Sie leben selbstverständlich nicht einfach vor sich hin, benötigen aber weder eine riesige Weiterentwicklung, noch Statussymbole jeglicher Art, um Anerkennung zu bekommen. Die Dorfgemeinschaft ist ihr Symbol, ihre Stärke und aus meiner Sicht, das Menschlichste.
Erfrischend ist, dass Mittagsstunde keine aufgesetzten Höhepunkte liefert, weder dramatisch noch amüsant. Der Film bleibt authentisch, das, was den Zuschauer bewegt, ist gerade dieser Zustand. Man sieht Menschen wie du und ich, kennt ihre Beweggründe und bangt einfach mit ihnen mit. Simpel, aber ehrlich und deshalb auch effektiv.
Bei Ingwers Ankunft stellt er schnell fest, Ella und Sönke benötigen Hilfe. Ihr hohes Alter macht sich bemerkbar, dennoch plant Sönke eine gemeinsame Feier mit seiner Frau. Indessen nähert sich Ingwer seiner Familie wieder an, welche auf seine Ankunft eher abweisend reagiert hat. Aber auch die Rückkehr nach Brinkebüll weckt in ihm alte Erinnerungen, die er längst verdrängt hatte.
Es gibt einige idyllische Bilder vom Dorf, die gelegentlich etwas unwirklich erscheinen. Apropos Bilder, die Ausstattung ist gelungen, im Heim vom Ingwer macht der Zuschauer eine Zeitreise. Das Setting zeigt ein Mobiliar, welches vermutlich wenige noch live kennen. Und auch genug Stubenfliegen sind gecastet worden, nichts erscheint zu steril, eine geradlinige Inszenierung ohne Schönmalerei. Etwas Kontrast bleibt aber nicht aus, steht dort ein alter, aber robuster Volvo Kombi, parkt direkt daneben, ein moderner, wie stylischer Mini. Klingt nicht besonders, im Film allerdings erweist sich der Mini als Fremdkörper in dieser Szene und Umgebung. Insgesamt bekommt man eine Menge an vielfältigen dörflichen Details präsentiert, die jedoch nie aufdringlich oder künstlich erscheinen, das Ganze passt perfekt zu dieser familiären Geschichte.
Fazit
Mittagsstunde ist ein unterhaltsames wie interessantes Drama, sensibel und einfühlsam erzählt, welches gekonnt zwischen dem Umbruch, den das Dorf durchmacht, ebenso authentisch zeigt, was dadurch mit den Bewohnern passiert. Trotz einiger trauriger, fast frustrierender Momente, behält der Film eine Balance, die einen Funken Hoffnung in sich trägt. Gekonnt hält sich der Regisseur zurück mit dem Finger zu stark auf irgendwelche Missstände hinzuweisen, er bietet somit dem Zuschauer genug Raum, sich sein eigenes Bild der Geschichte zu machen. Daher, von der Inszenierung ein durchweg gelungener Film. Vielleicht ist er hier und da ein Stück weit zu melancholisch, allerdings nie unpassend.
Testequipment
JVC DLA-X35
SONY KD-77AG9
Panasonic DP UB824
Marantz AV8801 / MM7055
B&W 7er Serie 5.1
Hier erhältlich:
- Mittagsstunde (Buch)
(Hartmut Haake)
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