Story: Der Pferdehändler Michael Kohlhaas (Mads Mikkelsen) fühlt sich durch die Willkür eines jungen Barons um sein Recht betrogen. Zu Unrecht forderte man als Pfand zwei edle Pferde von ihm, die er völlig zugrunde gerichtet zurückbekam. Die Obrigkeit ist jedoch auf Seiten des Barons, und als seine Frau stirbt, da sie für ihren Mann bei der Prinzessin vorsprach, gibt es für Kohlhaas kein Halten mehr. Er schart eine Gruppe Gleichgesinnter um sich und beginnt einen blutigen Feldzug. Sein einziges Ziel ist dabei, die Gerechtigkeit. Doch Recht und Gerechtigkeit sind nicht immer das Gleiche, wie er bald feststellen muss.
Kritik: Der Film basiert auf der gleichnamigen Novelle des deutschen Dramatikers Heinrich von Kleist. Erstmals wurde sie im ersten Band von Kleists Erzählungen im Jahr 1810 veröffentlicht, nachdem zwei Jahre zuvor bereits Teile der Novelle in der Juniausgabe der Literaturzeitschrift Phöbus abgedruckt worden waren. Als historisches Vorbild für den Hauptcharakter diente das Leben des Cöllner Kaufmanns Hans Kohlhase, der aufgrund seines Strebens nach Recht um jeden Preis und die im Zuge dieser Bestrebungen verübten Bluttaten am 22. März 1540 in Berlin gerädert wurde.
Die Novelle wurde erstmals 1967 von Regisseur Wolf Vollmar als TV-Siebenteiler mit Rolf Boysen in der Titelrolle verfilmt. Es folgte 1969 eine weitere Verfilmung unter dem Titel „Michael Kohlhaas – Der Rebell“ von Volker Schlöndorff, diesmal mit David Warner in der Titelrolle. John Badhams 1999er Western „Reiter auf verbrannter Erde“ bediente sich ebenfalls deutlich der Geschichte um Kohlhaas, und auch Steven Spielbergs „Sugarland Express“ und Matthew Robbins „Zeit der Vergeltung“ sind ganz klar von dem klassischen Stoff inspiriert.
Somit bringt der renommierte Regisseur Arnaud des Pallieres die dritte werkgetreue Verfilmung des Stoffes auf die Leinwand. Dabei stand ihm für das ehrgeizige Projekt lediglich die geringe Summe von fünf Millionen Euro zur Verfügung, finanziert durch den Grand Accord von Arte, das deutsch-französische Abkommen Minitrainite, die Filmförderanstalt und die Mitteldeutsche Medienförderung sowie nicht zuletzt durch den Filmverleih Polyband selbst, welcher das Endergebnis nun auf Blu-ray herausbringt.
Kurzerhand verlegt des Pallieres die Handlung des Werkes, das zweifellos zur Weltliteratur gezählt werden muss, von Brandenburg und Sachsen in den südöstlichen Teil des französischen Zentralmassivs, wo die Kamera ihrer herrlichen Motive einfangen konnte. Die wenigen Namen der Mitglieder Kohlaas‘ Familie wurden dementsprechend ein wenig an den Handlungsort angepasst. Die Handlung ihrerseits hatte keine Anpassung nötig, sie ist nach wie vor so zeitlos wie zu ihrer Entstehungszeit. Sie portraitiert den ewigen Kampf der Schwachen und Gerechten gegen die Obrigkeit. Gegen das „Recht“, welches sich stets auf der Seite der Machthaber schlägt.
Arnaud des Pallieres studierte Regie an der namhaften Pariser Filmhochschule La Femis. Nach einigen Auftragsarbeiten für das Fernsehen, darunter sowohl Portraits als auch Dokumentarfilme, widmete er sich dem Kino. Mit Filmen wie „Adieu“ mit Michael Lonsdale und der Literaturverfilmung „Parc“ festigte er über die Landesgrenzen hinaus seinen Ruf als engagierter Regisseur.
Dabei ist des Pallieres ein Mann, der viel von der Kunst des Films an sich versteht und dem Kino in seiner ureigensten Form huldigt wie kaum ein zweiter. Er ist ein entschiedener Gegner von Computer- und Spezialeffekten, und verlässt sich bei seinen Werken lieber auf seine Darstellung und die Gewalt der von ihm eingefangenen Bilder. Auch Michael Kohlhaas verzichtet weitestgehend auf Effekte und lässt die von Kohlhaas und seinen Männern begonnenen Bluttaten außerhalb des Fokus der Kamera geschehen, wo sie eine umso tiefere Wirkung hinterlassen, da der Zuschauer selbst für das verantwortlich ist, was er denkt, was dort gerade passiert.
Schnelle Schnitte, Zeitsprünge und Handlungsverläufe setzten ebenfalls ein gewisses Mitarbeiten des Zuschauers voraus. Michael Kohlhaas ist demnach kein Film für ein verwöhntes Mainstreampublikum, sondern vielmehr ein Film für Menschen, die den Film lieben und begreifen.
Da des Pallieres sich vor allem auf seine Darsteller verlässt, sind diese hier von enormer Wichtigkeit. Mit den beiden Schweizern David Bennent und Bruno Ganz und dem deutschen David Kross kann der Regisseur auf ein Ensemble zurückgreifen, die in der deutschen Filmlandschaft leider viel zu selten zu sehen sind, dafür aber weit über dem stehen, was „Topstars“ wie Til Schweiger und Matthias Schweighöfer zu leisten imstande sind.
Besonders besticht hier allerdings wieder einmal die fantastische Darstellung von Mads Mikkelsen, der uns schon vom Filmplakat respektive Cover stoisch anstarrt, derweil seine graumelierten Haare im Wind wehen. Ein Blick der mehr sagt als tausend Worte! So kennen und lieben wir den Dänen, der 2011 mit dem Europäischen Filmpreis für die „Beste europäische Leistung im Weltkino“ ausgezeichnet wurde.
Bereits als namenloser einäugiger Sklave in Nicolas Einding Refns „Walhalla Rising“ lieferte Mikkelsen eine atemberaubende Performance ab, ohne dabei großer Worte zu bedürfen. Als Pferdehändler Michael Kohlhaas gibt sich Mikkelsen ebenfalls nicht besonders redselig und schaut ebenso stoisch und unerbittlich drein wie damals in Refns Meisterstück. Die Präsens dieses Mannes ist einfach grandios. Alleine seine Anwesenheit erfüllt den Zuschauer mit Ehrfurcht. Kein anderer Schauspieler hätte besser in die Rolle des Gerechtigkeitsfanatikers Kohlhaas hineingepasst. Sein ganzes schauspielerisches Talent wird erst bewusst, wenn man die Hintergründe des Drehs kennt. So ist beispielsweise die Geburt des Stutenfohlens nicht etwa ein Effekt (wir erinnern uns!), sondern eine glücklich getimte echte Geburt, bei der Mikkelsen erstmals – unter Anleitung versteht sich – tatsächlich ein Pferdefohlen zur Welt bringt, und dabei so dreinschaut, als wäre dies sein tägliches Handwerk. Ein Profi, der nie aus der Rolle fällt – bravo!
Der Film lebt jedoch nicht nur durch seine grandiosen Darsteller, sondern auch durch seine atemberaubenden Bilder, die von der gefeierten Kamerafrau Jeanne Lapoirie aufs allertrefflichste eingefangen wurden. Die 1963 geborene Französin lerne ihr Handwerk bei Größen wie Alain Corneau und Agnes Varda und wurde für ihre Kameraarbeit für „8 Frauen“ 2003 für den Cesar nominiert. Die hier zu sehenden Landschaftsaufnahmen der kargen Regionen der Cevennen sind schlicht und ergreifend fantastisch und wie geschaffen für einen Film wie diesen.
Der Film wurde mit der Goldenen Iris des Brüsseler Film Festivals 2013 ausgezeichnet und erhielt jeweils einen Cesar für die Beste Filmmusik und den Besten Ton. Bei den 66.Internationalen Filmfestspielen von Cannes blieb es 2013 lediglich bei einer Nominierung für die Goldene Palme für den besten Spielfilm. Darüber hinaus wurde der Film der Filmbewertungsstelle Wiesbaden vorgelegt und erhielt daraufhin das Prädikat „Besonders Wertvoll“.
Bildqualität: Der Film wurde unter Ausschluss von künstlicher Beleuchtung ausschließlich mit Naturlicht aufgenommen, wodurch ein unglaublich authentisches Bild entsteht – allerdings ist dieses dadurch auch ein wenig wechselhaft. Solange sich alles im hellen Tageslicht abspielt ist das Bild absolut herrlich und makellos. Die Schärfe bewegt sich beinahe jederzeit auf Referenzniveau und lässt selbst kleinste Hautunreinheiten und Oberflächenstrukturen erkennen. Die Farben sind ebenfalls absolut brillant, und die Bäume – die aufgrund der Jahreszeit gerade ihr leuchtendes Laubwerk abwerfen – erstrahlen in einer absolut hinreißenden Farbenpracht. Der Kontrast ist absolut perfekt eingestellt. Der Schwarzwert hingegen schwankt erheblich zwischen tiefstem dunkel und hellem grau, aber das ist auch Szenenabhängig und unvermeidlich. Die absolut genialen Landschaftsaufnahmen besitzen eine verblüffende Plastizität, wodurch das Bild zuweilen schon fast dreidimensional wirkt.
Szenen, die sich im inneren von Gebäuden oder während der Nacht abspielen sind hingegen ein kleinwenig schlechter geraten, können aber dennoch noch gut überzeugen. Die Schärfe ist auch hier absolut vorbildlich, allerdings kommen die Farben bei weitem nicht so gut zur Geltung wie bei den Außenaufnahmen bei hellstem Sonnenschein. Ausnahme sind auch hier wieder gut ausgeleuchtete Szenen mit Einsatz von Feuer. In diesen Szenen wirken selbst dunkle Aufnahmen unglaublich warm und wundervoll.
In dunklen Szenen rauscht das Bild ein wenig, was allerdings ebenfalls unvermeidlich ist und nur wenig stört. Helle Szenen wiederum sind glasklar und frei von jedweden Störfaktoren. Artefakte oder Fehler konnten ebenfalls keine festgestellt werden. In der Summe macht das Bild unterm Strich einen mehr als guten Eindruck und kratzt derart häufig an der Referenz, dass unter den selbst gewählten Aufnahmeumständen kaum ein besseres Bild zu erzielen wäre. Deshalb wird hier, trotz oben genannter Mängel, ohne lange Überlegungen die Höchstpunktzahl vergeben.
Tonqualität: Wie beim Bild setzt der Film auch hier ausschließlich auf Originalton. Hier gibt es keine im Tonstudio aufgenommenen Effekte zu hören, sondern ausschließlich des Tons, der auch am Ort des Geschehens eingefangen wurde. Sowohl die Filmmusik als auch der Ton wurden 2014 mit dem Französischen Filmpreis Cesar ausgezeichnet, dementsprechend wäre es vermessen gewesen, der akustischen Untermalung von Jeanne Lapoiries fantastisch eingefangenen Bildern eine weniger als herausragende Umsetzung angedeihen zu lassen. Die gute Nachricht – auch der Ton ist mehr als gelungen und wird dem Titel in jeder Hinsicht gerecht.
Bereits in den ersten Momenten macht sich ein ausgezeichneter Raumklang bemerkbar, der im Großen und Ganzen über den ganzen Film hinweg aufrechterhalten wird, dabei aber eher dezent und zurückhaltend ist. Auch die Direktionalität ist absolut hervorragend. Gerade während der Szenen im Pferdestall sucht man im Heimkino nach der lästigen Fliege, die einen zu malträtieren scheint, jedoch ausschließlich aus der Heimkinoanlage summt. Der Subwoofer bleibt von der Filmhandlung unangetastet, dafür nutzt der Soundtrack ihn ein ums andere Mal ganz ausgezeichnet. Die Mixtur aus Musik, Geräuschen und Dialogen ist ebenfalls absolut gelungen, obschon manche Dialoge ein genaues hinhören voraussetzten, was jedoch so gewollt ist und der Authentizität enorm in die Karten spielt. Die Dialoge sind, abgesehen von natürlichen Lautstärkeschwankungen, sehr gut verständlich und klingen, aufgrund der hervorragenden Synchronisation, absolut authentisch.
Die deutschsprachigen Darsteller Bruno Ganz, David Kross, David Bennent und Roxane Duran synchronisieren sich dabei kurzerhand selbst. Mads Mikkelsen hingegen wurde von Ulrich Noethen synchronisiert, der dem Dänen im Deutschen die gleiche Schwermut, den gleichen gerechten Zorn und die gleiche Verzweiflung verleiht, den er auch im Original besitzt.
Extras: Die Disc kommt in einer Standard-Amaray Hülle, die ihrerseits in einem Pappschuber steckt. Leider befindet sich auf beidem das grüne FSK-Siegel, ein Wendecover gibt es leider nicht. Dafür ist die Innenseite des Einsteckcovers mit einem schönen Artwork verziert.
Das Menü ist im Stil des Films eher spartanisch gestaltet. Im Hintergrund laufen Szenen des Films ab während die Abspannmelodie läuft. Im unteren Bildrand befinden sich die üblichen Anwahlpunkte.
An Extras werden neben einer Trailershow leider lediglich der Teaser und Trailer zum Film und zwei Interviews mit Mads Mikkelsen und dem Regisseur geboten, in welchem beide über ihre Ambitionen und die Produktion des Films reden. Die Interviews sind deutsch untertitelt.
Weitaus informativer ist dabei das 16-seitige Booklet, welches Haufenweise Hintergrundinformationen zum Film, der Novelle und sämtlichen Darstellern bereithält. Auch hier kann unterm Strich gesagt werden, dass das Bonusmaterial, trotz seiner Übersichtlichkeit, durchaus angemessen und informativ ist, und damit wesentlich mehr zu bieten hat, als manche hochdekorierte Hochglanzproduktion, die umfangreiche, aber inhaltsleere Werbefilmchen auf ihre Scheiben presst.
Fazit: Arnaud des Pallieres Version von Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas“ kommt in einer absolut makellosen Präsentation auf den deutschen Blu-ray Markt. Das Bild ist atemberaubend schön und trotz einiger kleinerer Mängel durchaus als Referenz zu betrachten. Unter Naturlicht gedreht offenbart sich eine Farbenpracht und Schärfe, wie man sie nur selten zu sehen bekommt. Auch der Ton, der zwar recht zurückhaltend und genrebedingt eher leise Töne anschlägt, ist absolut fantastisch und gibt keinerlei Grund zur Beanstandung. Vor allem können hier die Musik und allgegenwärtige Räumlichkeit voll punkten, und alles klingt so authentisch, als stände man mitten im Geschehen.
Das Bonusmaterial ist leider etwas übersichtlich, dafür aber sehr informativ. Vor allem ist es nett, mal wieder ein informatives Booklet geboten zu bekommen, aber bei Polyband ist diese Dreingabe erfreulicherweise eher die Regel denn die Ausnahme.
Der Film ist nicht weniger als ein absolutes Meisterwerk. Großartige Darsteller in einer atemberaubenden Kulisse geben ein Stück zum Besten, das absolut zeitlos und packend ist. Wer aufgrund des actionreich zusammengeschnittenen Trailers einen Film im Stile von Robin Hood oder ähnliches erwartet, wird sicherlich enttäuscht sein. Wer aber etwas für handwerklich perfektes Geschichtenerzählen übrig hat, der sollte sich diesen Film auf keinen Fall entgehen lassen. Hier trifft Arthouse auf Mainstream. Allein wegen Mads Mikkelsens absolut Oscarreifen Darstellung sollte man sich diesen Film unbedingt zu Gemüte führen.
(Michael Speier)
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