„Malak“, das Erstlingswerk von Regisseur Timo Hinkelmann, ist ein ziemlich kompromissloses und teils brutales Milieudrama, welches mitten in Hannover spielt. Das Besondere daran, Timo Hinkelmann ist kein ausgebildeter Regisseur, sondern ein Autodidakt und wie sich herausstellt ein guter noch dazu. Einen ersten Blick hinter die Welt der Kameras konnte er als Komparse werfen und so flammte der Wunsch auf, selbst einmal einen Film auf die Leinwand zu bannen. Erste Versuche unternahm Hinkelmann noch mit Kurzfilmen, doch nun geht der Autodidakt aufs Ganze und präsentiert den Zuschauern seinen ersten eigenfinanzierten Kinofilm. Dabei hat er nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch geschrieben. Wie sich Hinkelmanns Film „Malak“ bei mir geschlagen hat, erfahrt ihr wie immer wenn ihr meinen Zeilen folgt.
Story:
Hannover, der junge Kazim hält sich mit Jobs als Geldeintreiber für einen türkischen Clan-Boss über Wasser. Seine Schwester geht anschaffen und sein versoffener Vater Baba kommt nur noch ab und an zu sich. Damals, als sein Bruder Malak bei einem tragischen Zwischenfall ums Leben kam, verließ die Mutter die Familie. Seitdem schlagen sich die Drei mehr oder weniger mittelprächtig durchs Leben. Kazim hat seinem Vater bis heute nicht verziehen, dass er die Familie so zerrüttete und mit harter Hand ohne Verständnis seine Patriarchen-Rolle ausübte. Dabei war Baba selbst das schwächste Glied der Kette, kein Job und spielsüchtig, dafür mit einem Sack voller Schulden. Wäre nicht der kleine Verdienst der Mutter gewesen, wäre die Familie völlig abgestürzt. Doch während sich Baba wie ein Wilder in den eigenen vier Wänden aufspielt und immer den moslemischen Glauben zitierte, zerbrach die kleine Familie an Babas Verfehlungen. Die letztendlich das Leben seines ältesten Sohnes kostete. Nun ist Kazim erwachsen, doch nichts hat sich geändert. Sein Leben wird immer noch von Gewalt regiert. Sein Vater hat seinen Glauben längst verloren und ertränkt seine Schuld im Suff, die ihn nach und nach auffrisst. Auch seine geliebte Schwester ist in der Prostitution gelandet und das auch noch bei dem Neffen, von Babas altem Gläubiger Kaan. Ein Teufelskreis, aus dem es scheinbar kein entrinnen gibt. Doch ein Augenblick verändert alles und Kazim steht nicht nur vor den Peinigern seiner Schwester, sondern auch vor seiner größten Herausforderung… der Vergebung.
Meinung:
Laut einem Interview lehnte Timo Hinkelmann eine größere Fördersumme ab, da die mit der Auflage gekoppelt gewesen wäre, wieder nur einen Kurzfilm machen zu können. So finanzierte Hinkelmann seinen Film „Malak“ kurzerhand selbst und erstaunlicherweise sollte er mit dieser Entscheidung Recht behalten. Bei einem Budget von 20.000 Euro sind größere Sprünge natürlich nicht drin, aber Hinkelmann verstand es, jeden Cent gut einzusetzen. Die Besetzung besteht hauptsächlich aus Laiendarstellern und dennoch überraschte mich die eine oder andere Performance. Ebenso verstand es Hinkelmann auch, die nicht ausgebildeten Schauspielern zu führen und anzuleiten.
Das von Hinkelmann selbst verfasste Drehbuch besteht aus zwei Akten und setzt sich mit allerlei gesellschaftskritischen Themen wie, Spielsucht, Gewalt in der Familie, Gewalt auf der Straße, Drogen, Prostitution, Zerrüttung sowie Mord auseinander. Der erste Akt zeigt das Leben von Malak und Kazim als Kinder in einer Familie mit Migrationshintergrund. Diese kann nur durch den Job der Mutter über Wasser gehalten werden, da der Vater zwar ein gläubiger Moslem, aber ein schwacher Geist ist und der Spielsucht verfiel. Dennoch kehrt dieser den Patriarchen heraus und meint, die Familie mit Härte und Strenge führen zu müssen. So bleiben Konflikte nicht aus und häusliche Gewalt ist an der Tagesordnung. Sein ältester Sohn Malak hält dies nicht mehr aus und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis er sich gegen seinen Vater wendet. Während eines erneuten Vater Sohn Konflikts und der Gefahr durch die Schläger von Babas Gläubigern, begeht dieser einen fatalen Fehler, den sein Sohn Malak mit dem Leben bezahlt.
Im zweiten Akt dreht es sich um hauptsächlich um Kazim, Babas jüngeren Sohn und Bruder des toten Malak. Zeitlebens schaffte es dieser nicht, den Tod seines großen Bruders zu verarbeiten oder seinem Vater zu vergeben. Dennoch haust er mit diesem und seiner Schwester in einer Wohnung. So ist Kazim zwischen Verachtung und Hass hin und her gerissen. Auf der einen Seite versucht er seine Schwester zu beschützen und auf anderen muss er sich beherrschen, seinem Vater nicht den Hals umzudrehen. Doch man muss immer bedenken, wer sich in der Spirale der Gewalt bewegt, wird auf Dauer mit immer mehr Problemen konfrontiert. So eskaliert eines Tages die Situation zwischen seiner Schwester, seinem Vater, dem Zuhälter seiner Schwester und einem Freier. Für Kazim bleibt nur noch der Weg der Vergeltung, der auch sein Leben kosten könnte. Doch ist es gerade das Ehrgefühl, seine Schwester rächen zu wollen, die ihm das Leben rettet. Und so ist es sogar der alte Gläubiger seines Vaters, der ihm diese zweite Chance verschafft, denn dieser sieht keinerlei Ehre in seinem Neffen und dessen Tun. Letztendlich muss es aber der Glaube richten, ob Kazim zu sich und zu seinem Vater findet.
Timo Hinkelmann beschreibt eine Familie, die sich in Hannover am sozialen Abgrund bewegt. Er zeigt auch ungeschönt die Gewalt, die es in diesen Brennpunkten gibt, innerhalb wie auch außerhalb der Familie. Er lässt seinen Protagonisten Kazim im Verlauf einen gewalttätigen und racheerfüllten Weg beschreiten. Ebenso wichtig scheint Hinkelmann aber auch das Thema Vergebung und Glaube, um einen Neuanfang beschreiten zu können. Dies zeigt der Regisseur aber glücklicherweise nicht durch eine rosarote Brille im amerikanischen Happy End Stil. Ganz im Gegenteil, er zeigt, dass dies ein langer und schwerer Weg für alle Beteiligten werden wird und eventuell der Glaube dabei hilft, die Menschen wieder zusammen zu führen. Zugegeben, der Plot ist jetzt nicht gerade bahnbrechend neu und auch das Pacing hätte etwas straffer sein können. Aber für eine Erstlingswerk ohne entsprechende Erfahrung, geschweige denn Ausbildung, kann sich dieser Streifen durchaus sehen lassen. Besonders überraschend fand ich die Führung des Laien-Casts von einem unerfahrenen Regisseur. Diese Aufgabe hat Timo Hinkelmann wirklich respektabel gelöst. Hier wären dann auch gleich Bunga Lopez (Kazim) und Lewis Lovely Asamoah (Baba) und Bruder des bekannten Fußball Spielers Gerald Asamoah) erwähnt. Beide sind keine gelernten Schauspieler und beiden merkt man auch ihr Laienspiel an. Doch während bei Bunga Lopez dies ab und an mehr auffällt, war ich von Asamoahs Performance mehr als nur positiv überrascht. Seine Darstellung des einst strengen Vaters, der von seiner Schuld innerlich aufgefressen wird, war für einen Laien schon eine richtig starke Darstellung. Noch ein bisschen mehr Routine und ich könnte mir Asamoah in jeglicher Fernsehproduktion vorstellen. Die restlichen Amateur Darsteller spielten nach ihren Möglichkeiten recht ordentlich, auch wenn so einige Betonungen und das eine oder andere Mimikspiel stark am Overacting vorbei schrammten. Der Film setzt zwar hauptsächlich auf eine Laienspieltruppe, weist aber dennoch einen prominenten Darsteller auf, Imad Mardnli, bekannt aus der Netflix Serie „Dogs of Berlin“.
Fazit:
Kommen wir zum Fazit: Ich muss sagen, es ist schon eine Weile her, dass ich einen Independent Titel auf der Mattscheibe hatte, der mich nicht beeindrucken konnte. Dass es sich dabei auch noch um ein Erstlingswerk eines, ich betone, nicht ausgebildeten Regisseurs handelt, war dann noch die Überraschung schlechthin. Ich kenne so einige Erstlinge, doch selten waren diese so rund wie Hinkelmanns „Malak“. Ich möchte nun auch nicht, dass es nach reiner Lobhudelei klingt, denn natürlich hat auch dieser Film noch Luft nach oben. Doch der Regisseur machte in diesem Streifen schon so einiges richtig, was man einfach anerkennen muss. Dazu gehört auch die Führung seiner Laienschauspieltruppe. Das Pacing ist zwar noch nicht ganz stimmig, auch das Drehbuch mag noch Feintuning vertragen sowie die eine oder andere Kameraeinstellung, doch mit zunehmender Erfahrung sollten diese Defizite der Vergangenheit angehören. Hinkelmann erzählt im Film die Geschichte einer Migranten Familie aus Mali, dabei splittet er den Film bewusst in zwei Akte, Kids und Grown-ups. Beide Akte bestehen aus dramatischen Verläufen, die in diesem Milieu keine Seltenheit sind. Dies stellt der Regisseur sehr realitätsnah und nachvollziehbar dar. Mit Bunga Lopez und besonders mit Lewis Asamoah hat Hinkelmann in seinem Laiencast zwei wirklich sehr gute Trümpfe, die dem Film noch den richtigen Schliff verpassen, auch wenn nicht jede Textzeile oder Mimik sitzt. Timo Hinkelmann erzählt zwar jetzt keine neue bisher unbekannte Geschichte, aber er fügt der anhaltenden Problematik in diesen sozialen Brennpunkten eine interessant inszenierte Seite hinzu. Kurzum, mit „Malak“ hat er schon mal einen guten Einstieg hingelegt und ich bin gespannt wo Hinkelmanns weiterer Regie Weg noch hinführt.
Wie immer möchte ich mich für eure Aufmerksamkeit bedanken und hoffe wir lesen uns bei meinem nächsten Review wieder.
(Marc Maurer)
©Bilder und Screener zur Verfügung gestellt von Busch Media Group GmbH – Alle Rechte vorbehalten.