Seit kurzem läuft auf Netflix Martin Scorseses neuer Mafia-Epos „The Irishman“. Mit etwas zeitlicher Distanz möchten wir uns heute dem Film widmen.
Seit dem 27. November gibt es auf Netflix deren Produktion „The Irishman“ zu sehen. Schon kurz nach der Erscheinung begann dieser Film die Filmschauenden zu spalten. Die einen hielten den Film für eine Sensation, gar eine Rückkehr des alten, guten Kinos. Für die anderen ist der Film eine mehr als drei Stunden andauernde Sterbehilfe.
Doch beginnen wir von vorne: „The Irishman“ von „GoodFellas“-Regisseur Martin Scorsese erzählt die Geschichte von Frank Sheeran (Robert De Niro). Frank war einst ein aufstrebender LKW-Fahrer. Doch heute sitzt der alte Mann rückblickend im Altersheim und erzählt die Geschichte seines Lebens. Dieses ist gezeichnet von Verbrechen bis hin zu Morden. Sheeran, der einst nur als Fahrer von Fleischwaren begann, arbeitete sich seinen Weg nach oben und scheute dabei vor keinen Maßnahmen zurück. Doch egal wie gut sein Aufstieg bis zum Bodyguard des berühmten Gewerkschaftsführer Jimmy Hoffa (Al Pacino) ist, es gibt auch eine andere Seite der Medaille. Am Ende seiner Tage gibt es für Frank viel zu bereuen, auch wenn doch nur wenig Verständnis für die Vergangenheit vorhanden ist.
Als Zuschauer erleben wir das Erzählte immer nur aus der Perspektive von Frank Sheeran. Andere Figuren, die er vernachlässigt, wie etwa seine Frau und Kinder, werden ausgeblendet. Es gibt nur wenige Szenen, in denen sie zu Wort kommen, doch viel geschieht hier durch das Ungesagte, die Bilder, die wir sehen. Genau diese Perspektive ändert auch im Laufe des Filmes die Art wie der Film voranschreitet. Während der Film im ersten Schritt den Aufstieg des Frank Sheeran begleitet und dabei ein recht positives Bild abzeichnet, so wandelt sich dieses Bild im Laufe des Filmes immer mehr.
Als die ganze Crew rund um den ehemaligen LKW-Fahrer altert, beginnt auch das Hinterfragen des Lebens und der Werte. Viele Dinge, die Frank in der Vergangenheit verpasst hat oder in einer vermeintlich guten Absicht getan hat, lassen sich nicht wieder umkehren. Das geht soweit, dass man Mitleid mit der Rolle von De Niro bekommt. Ein Mann im Altersheim, der auf sein Leben zurückblickt und sich nichts sehnlicher wünscht, als ein paar Minuten mit seiner Tochter zu sprechen. Nur einige Szenen später wandelt sich das Mitleid des Zuschauers allerdings in Skepsis. Erkennt Sheeran wirklich seine Taten als Falsch an oder versucht er die Gräueltaten nur zu rechtfertigen?
Kritisiert wird der Film hauptsächlich für zwei Punkte: 1. Die digitale Verjüngung und 2. Die Lauflänge.
Zur digitalen Verjüngung der Protagonisten lässt sich sagen, dass sie durchaus auffällt – nicht aber allzu negativ. Klar gibt es Szenen, in denen die Augenfarbe von De Niro verfälscht ist, allerdings ändert dies nichts an der Aussagekräftigkeit der Szenen und irritiert höchstens ein wenig.
Die Lauflänge, die vor allem die Konsumenten stört, ist da ein durchaus größerer Kritikpunkt. Bei „The Irishman“ geht es schließlich nicht um einen 100 Minuten Film. Der neuste Mafiastreifen von Scorsese geht geschlagene 3 ½ Stunden – die man fühlt. Der Film lässt sich bei seiner Art des Erzählens viel Zeit und lässt dabei keinerlei Details aus. Viel Spannung wird dabei über die gesamte Geschichte nicht aufgebaut, aber das braucht es auch nicht.
Dennoch lässt sich festhalten: Dieser Film braucht Ausdauer. Gerade in Zeiten des Streamings fällt eine solche Laufzeit auf der heimischen Couch deutlich auf. Doch wer sich die Zeit nimmt, wird dafür auch belohnt. Nach Durchschauen des Filmes, fühlt man sich selbst als Begleiter von Franks Leben. Jegliche Hoch- und Tiefpunkte haben wir gesehen und auch dass das Mafialeben nicht nur aus wilder Action besteht, durften wir bekunden.
So ist „The Irishman“ ein durchaus gelungener, wenn auch spezieller und anspruchsvoller Film. Wer Filme wie „Taxi Driver“ oder „GoodFellas“ mochte, wird hier einen leichten Einstieg haben. Und auch wer noch nie einen der Klassiker von Martin Scorsese gesehen hat, verpasst zwar einige Referenzen, bekommt allerdings einen guten Einstieg in die Welt des Mafia-Films.
(Nils Zehnder)
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