Im Mai kam der Film „Kalifornia“ auf Blu-ray und DVD in den Handel und wir haben das Review dazu:
Fast 20 Jahre hat der 1993 erschienene US-Spielfilm „Kalifornia“, das Kinodebüt des Regisseurs Dominic Sena, nun auf dem Buckel. Via Capelight Pictures erschien der Film im Mai neu aufgelegt in einer Mediabook-Version, welche sowohl eine Blu-ray- als auch eine DVD-Ausfertigung bietet. Neben aufpolierter Ton- und Bildqualität ist letztlich vor allem die Frage entscheidend, ob der Film als solcher sehenswert ist.
Story:
Der Autor Brian (David Duchovny) interessiert sich für Serienmörder, insbesondere im Hinblick auf ihre psychische Motivation zu töten. Mit seiner Freundin Carrie (Michelle Forbes) begibt er sich auf einen Roadtrip nach Kalifornien, der zu verschiedenen Tatorten berühmter Serienkiller führt und Brian beim Schreiben eines Buches über Serienmörder helfen soll. Auf ihrem Weg nehmen sie den hinterwäldlerischen und sozial vollkommen verkorksten Early Grace (Brad Pitt) sowie dessen naive Lebensgefährtin Adele (Juliette Lewis) mit. Was Brian und Carrie nicht ahnen: Bei Early handelt es sich in der Tat um einen Mörder, dessen Hang zu Gewaltausbrüchen wie eine tickende Zeitbombe ist…
Eindruck:
Für die vier Hauptdarsteller war „Kalifornia“ ein bedeutendes Sprungbrett ihrer Karrieren – was man von Regisseur Dominic Sena weniger behaupten kann, welcher danach nur noch vereinzelt durch Filme wie „Passwort: Swordfish“ oder zuletzt 2010 „Season of the Witch“ auffiel, an die heute kaum mehr jemand denken dürfte. Weder der Leistung der Hauptdarsteller noch der Regiearbeit Senas ist es aber vorrangig anzulasten, dass „Kalifornia“ letztendlich scheitert.
Ansätze mit viel Potenzial bietet „Kalifornia“ durchaus. Die Hauptcharaktere sowie das Verhältnis der Figuren untereinander sind ebenso wenig uninteressant wie die zugrunde liegende Frage des Films, was Mörder eigentlich zum Töten antreibt und was sie von normalen Menschen unterscheidet. Was alles passieren muss, damit ein Mensch die Bereitschaft entwickelt, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen, darauf findet „Kalifornia“ beim erwartbaren, aber prinzipiell nicht schlecht durchdachten Ende eine eigene Antwort.
Bis dorthin darf sich der Zuschauer jedoch auf zwei Stunden Laufzeit einstellen, die träger, uninspirierter und stellenweise auch unerträglicher kaum sein könnten. Es vergeht einiges an Zeit, bis der Roadtrip, der im Mittelpunkt der Handlung steht, beginnt, und diese wird genutzt, um die zentralen Charaktere vorzustellen. Ja, die Grundidee, zwei verschiedene soziale Welten, nämlich die gebildete Mittelschicht, verkörpert durch Brian und Carrie, sowie die Unterschicht, wie sie Early und Adele vertreten, kollidieren zu lassen, birgt eine Menge Potenzial. Allein, wirklich ausgespielt wird dieses Potenzial nur sehr selten. Anstatt wirklich Szenen und Momente von sozialpolitischer und -kritischer Sprengkraft zu erleben, muss der Zuschauer den ganzen Film über endlos wirkende Aneinanderreihungen von Szenen über sich ergehen lassen, welche die einzige Facette, über die einer der Charaktere verfügt, nochmal und nochmal auswalzt. Das betrifft insbesondere Brad Pitts Early: Wenn er sich in einem Restaurant etwa einen Schuh auszieht und sich während des Essens durch seine löchrige Socke hindurch ausgiebig am Fuß kratzt, ist das nicht nur furchtbar plump, sondern lässt den Zuschauer auch innerlich aufschreien: „Ja, danke, aber wir haben bereits drei Szenen zuvor verstanden, dass Early ein primitiver und unkultivierter Redneck ist. Warum wird uns das nochmal gezeigt?“
Auch nach dem Beginn der Reise der vier Hauptfiguren nach Kalifornien dauert es seine Zeit, bis diese wirklich an Fahrt aufnimmt (Wortspiel beabsichtigt). Anstatt einen kohärenten, von den Charakteren und ihren sich untereinander entspinnenden Beziehungen getragenen Spannungsbogen vorzulegen, reiht „Kalifornia“ eine aus dem Kontext gerissene Szene, welche abermals das Wesen eines Charakters illustriert, an die nächste. Fast wirkt es bisweilen so, als bestünde der Film aus kurzen Einzelepisoden einer Serie, die lose durch einen roten Faden zusammengehalten werden. All das gipfelt in einem durchaus annehmbaren Finale, wobei gerade das letzte Drittel des Films durch völlige Überzeichnungen und schwer zu ertragendes Overacting, insbesondere seitens Brad Pitt, dezidiert negativ auffällt.
Bild:
Man merkt es der Blu-ray-Version durchaus an, dass es sich um einen Film der 90er Jahre handelt. Das wäre an und für sich eine gute Sache, um die Atmosphäre zu unterstützen, wenn „Kalifornia“ denn besonders viel davon hätte. Alles in allem wäre noch etwas mehr drin gewesen, sehen lassen kann sich das Bild jedoch allemal.
Ton:
Die Blu-ray-Version bietet zwei Tonspuren: DTS-HD Master Audio 5.1 im englischen Original und in der deutschen Synchronisation sowie PCM 2.0 Stereo. Unverständlicherweise liegt dieser nur in der deutschen Fassung vor. Dass es optionale Untertitel ebenfalls nur auf Deutsch gibt, ist ein weiterer Makel.
Fazit:
Mit einem besseren Drehbuch hätte aus der Grundidee von „Kalifornia“ ein wirklich sehenswerter Film werden können. Weder aus der psychologischen Prämisse um die Frage nach der Motivation von Serienkillern noch aus der Figurenkonstellation und den sozial differenten Hintergründen der Charaktere holt er jedoch ansatzweise das Potenzial heraus, das dem innewohnt. Dieses Versäumnis sowie der Hang zu redundanten, enervierenden Szenen sowie furchtbarem Overacting machen „Kalifornia“ letztlich zu einem uninteressanten, langatmigen und vergessenswerten Film.
Hier erhältlich:
- Kalifornia (Blu-ray) Collectors Edition im Mediabook
- Kalifornia (DVD)
- Kalifornia (Digital)
(Pascal Weber)
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