James Bond 007: Keine Zeit zu sterben – Kino Review | Universal Pictures | 05.10.2021

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Seit kurzem läuft „James Bond 007: Keine Zeit zu sterben“ im Kino und wir haben für alle Interessierten das Review dazu:

Im Laufe der 59 Jahre, welche die James Bond-Filmreihe nun schon zählt, dürfte die Geduld der Fans selten in dem Ausmaß auf den Prüfstand gestellt worden sein, wie es im Vorfeld von „James Bond 007: Keine Zeit zu sterben“ (im Folgenden: „Keine Zeit zu sterben“) der Fall war. Ursprünglich in Deutschland für den 02. April 2020 angedacht, verschob sich der Kinostart pandemiebedingt mehrere Male. Nun aber ist der 25. Bond-Film (Regie: Cary Joji Fukunaga) endlich im Kino zu sehen. „Keine Zeit zu sterben“ ist jedoch auch abseits der turbulenten Veröffentlichungsgeschichte ein besonderer James Bond: Zum einen brachte es bisher noch kein Film der Reihe auf eine Länge von stattlichen 163 Minuten, zum anderen, und das ist entscheidender, ist dieser lang ersehnte Film zugleich ein Abschied. Handelt es sich doch um den letzten Bond-Film der Ära mit Daniel Craig als 007, welche 2006 mit dem formidablen „Casino Royale“ ihren Anfang genommen hatte. Damit muss „Keine Zeit zu sterben“ nicht nur für die unvorhergesehen lange Wartezeit entlohnen, sondern auch der Craig-Ära einen würdigen Abschluss bieten.

Story:

James Bond (Daniel Craig) hat die Arbeit als Doppelnull-Agent beim MI6 an den Nagel gehängt und genießt mit Madeleine Swann (Léa Seydoux) das Leben in Italien. Ein Anschlag auf Bond stellt jedoch dessen Vertrauen in seine Geliebte auf die Probe und führt schlussendlich zum Zerwürfnis. Fünf Jahre später hat sich Bond auf Jamaika zur Ruhe gesetzt, wird jedoch von seinem alten Bekannten und Freund, dem CIA-Agenten Felix Leiter (Jeffrey Wright), für den Auftrag gewonnen, den von SPECTRE entführten Wissenschaftler Waldo Obruchev (David Dencik) zu befreien. Doch auch Bonds Nachfolgerin als 007 beim britischen Geheimdienst, die Agentin Nomi (Lashana Lynch), arbeitet an Obruchevs Rettung. Bei der Zusammenarbeit mit ihr und seinen alten Weggefährten beim MI6 kommt Bond Lyutsifer Safin (Rami Malek) auf die Spur, welcher mit Obruchevs Forschung ganz eigene Pläne hat und den darüber hinaus ein Ereignis aus der Vergangenheit mit Madeleine verbindet.

Eindruck:

Lässt man die Historie der James Bond-Reihe einmal revue passieren, muss man festhalten, dass Abschiedsfilme unter keinem guten Stern stehen. „Diamantenfieber“, der letzte 007-Auftritt des „Ur-Bond“ Sean Connery, gehört mit Sicherheit zu den schwächsten Bond-Filmen. „Im Angesicht des Todes“, der letzte Film der Reihe mit Roger Moore in der Hauptrolle, ist ein ganz passabler Agenten-Actionfilm, aber auch nicht mehr als das. Und über Pierce Brosnans Schlussvorstellung „Stirb an einem anderen Tag“ legen wir am besten gleich den Mantel des Schweigens. Es ist eine seltsame Regularität, die sich da eingebürgert hat – umso erfreulicher ist es, dem tendenziell durchwachsenen bis negativen Feedback, das der Film gegenwärtig hervorruft, entgegnen zu können, dass „Keine Zeit zu sterben“ den Zirkel der schwachen Ausstiegsfilme endlich durchbricht.

Beginnen wir dort, wo der stärkste Konsens erzielt werden dürfte: Technisch und optisch ist „Keine Zeit zu sterben“ eine Wucht. Was die Trailer hier an traumhaften Kulissen, opulenter Ausstattung und krachenden Actionsequenzen in Aussicht gestellt haben, sind mitnichten leere Versprechen. Ganz reihentypisch verschlägt es James Bond an verschiedene und abwechslungsreiche Schauplätze wie Italien oder Kuba, vor deren Kulissen sich bombastische Feuerwerke entfachen. Die Bond-Filme mit Daniel Craig waren – abgesehen vom furchtbar unübersichtlichen Schnittgewitter namens „Ein Quantum Trost“ – schon immer für sehenswerte und moderne Action gut. „Keine Zeit zu sterben“ führt diese Tradition gekonnt fort. Die Actionsequenzen sind nicht nur rasant und spektakulär, sondern sehen vor allen Dingen auch weiterhin schön handgemacht und echt aus, sodass man sich auch in Bond Nr. 25 wohltuend von den grausigen, technik- und effektüberladenen Materialschlachten anderer Mainstream-Filme abgrenzt. Falls hier mehr CGI zum Einsatz gekommen sein sollte als es den Anschein hat, ist es wahrlich gut kaschiert – etwas, das ja durchaus nicht bei jedem heutigen Blockbuster klappt. Die Kameraarbeit ist vorbildlich und fängt in Groß- und Nahaufnahmen nicht nur das Spektakel, sondern auch malerische Setpieces und die tolle Ausstattung einzelner Szenen wie Kleidung, Innenräume und dergleichen gekonnt ein. So entsteht ein Reigen aus Bildern, in die man sich durchaus verlieben kann. Das erinnert ein wenig an den aktuell ebenfalls im Kino laufenden „Dune“. Obgleich man dessen hohe Ästhetik nicht ganz erreicht, muss doch festgehalten werden, dass „Keine Zeit zu sterben“ mit satten 250 Millionen Dollar Produktionskosten ein sehr teuer angefertigter Film ist, dem man dies auch zu jeder Zeit ansieht.

Wenn die Filme der Craig-Ära eines fast durchgängig bewiesen haben, dann, dass man sich tatsächlich Gedanken um gut geschriebene Antagonisten macht. Auch hier ist „Ein Quantum Trost“ wieder als einziges Negativbeispiel zu nennen. Anders als in so manch anderer Blockbuster-Reihe und auch anders als in vielen früheren Bond-Filmen, sind die Bösewichte in den Craig-Bonds grundsätzlich keine eindimensionalen Eintagsfliegen, die einfach nur da sind, weil man eben einen Schurken braucht. In „Keine Zeit zu sterben“ nun tritt James Bond gegen Lyutsifer Safin an – ein Name, der ja durchaus Bände spricht. Gewiss, an die Konflikte mit den Antagonisten der Vorgängerfilme, besonders hinsichtlich des jeweiligen psychologischen Hintergrundes, reicht diese Auseinandersetzung nicht ganz heran – spannender und gedankenvoller als in vielen Kommentaren zum Film beschrieben ist sie aber doch. Safins Plan sieht vor, einen zur gezielten Eliminierung individueller Ziele entwickelten biologischen Kampfstoff in einen globalen Virus umzuwandeln. Die auf das Individuum beschränkte Wirkung, welche Kollateralschäden ausdrücklich vermeiden soll, wird also zur Gefahr für die Allgemeinheit. Das wirft die Frage auf, inwieweit sich beides, Individuum und Gemeinschaft, trennscharf voneinander losgelöst betrachten lässt, insbesondere dann, wenn Ersteres zur Gefahr für Letzteres wird. Ist beides möglicherweise ebenso schwer voneinander zu unterscheiden wie Helden und Schurken, wie gut und böse, wie es der Film an einer Stelle explizit auf den Punkt bringt?

„Keine Zeit zu sterben“ ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch zu neu, um ihn im Gesamtkontext der Reihe zu verorten. Es wird spannend zu beobachten sein, wie er in einigen Jahren, vielleicht Jahrzehnten, rezipiert werden wird, ähnlich, wie wir heute auf die Bond-Filme vergangener Dekaden zurückblicken. Dass „Keine Zeit zu sterben“ derzeit aber für eher verhaltene Reaktionen und auch Enttäuschungen sorgt, wird ihm zwar nicht gerecht, überraschen kann es indes nicht. Ohne zu viel zu verraten, lässt sich vorwegnehmen, dass es sich, mehr als dies auf die bisherigen Beiträge der Craig-Ära zutraf, bei „Keine Zeit zu sterben“ mitnichten um einen Film für Bond-Puristen handelt, die nach wie vor gerne den James Bond der 60er oder 70er Jahre zurück hätten. Hatten die Craig-Bonds den Charakter James Bond schon immer menschlicher, facettenreicher und auch emotionaler dargestellt als dies die Tradition erlaubt, legt „Keine Zeit zu sterben“ in dieser Hinsicht noch einmal deutlich zu. Hinzu kommt, dass sich der Film, gerade im Hinblick auf die Figur James Bond, die eine oder andere Sache traut, die früher undenkbar gewesen wäre.

Davon abgesehen machen sich auch äußere Umstände bemerkbar: Ein Film wird, auch wenn er sich nicht explizit an ihnen beteiligt, bis zu einem gewissen Grad doch durch die Diskurse seiner Zeit beeinflusst. Im Falle von „Keine Zeit zu sterben“ hält sich dies in Grenzen, doch scheint es in erster Linie die seit 2017 aktuelle „#MeToo“-Bewegung zu sein, welche ihre Spuren hinterlässt. Eine Liebesszene wie noch in „Spectre“ zum Beispiel, bei der sich Lucia Sciarra (Monica Bellucci) der Annäherung James Bonds zunächst widersetzt, sich ihm dann aber doch lustvoll hingibt, war 2015 noch problemlos machbar, heute wäre dies vermutlich schwieriger. Anstatt nun aber zu moralisieren, macht „Keine Zeit zu sterben“ aus der Not eine Tugend – die Selbstironie, mit welcher der Film Bonds sexuelle Enthaltsamkeit an zwei Stellen kommentiert, ist absolut köstlich.

Nun bedeutet dies alles aber nicht, dass nur noch umgekrempelt wird. „Keine Zeit zu sterben“ verzichtet längst nicht auf alle Elemente, welche zur Grundausstattung der Filmreihe gehören. Da ist ein Bösewicht, von dem eine weltweite Bedrohung ausgeht, da sind exotische Schauplätze, da ist das klassische Bond-Theme, da ist der geschüttelte Wodka Martini und da sind knackige Oneliner, die ohne weiteres Roger Moores James Bond über die Lippen hätten kommen können. „Keine Zeit zu sterben“ ist noch James Bond, gleichzeitig tritt er jedoch weiter aus dem Schatten der langlebigen Filmreihe heraus als jemals zuvor. Dass das nicht allen Zuschauern gefallen würde, muss den Verantwortlichen klar gewesen sein – es ist ja auch nicht lange her, dass Reaktionen auf neue Star Wars-Filme oder Star Trek-Serien gezeigt haben, wie unvorbereitet und letztlich wenig offen Fangemeinden sein können, wenn ihr Franchise mal andere, neue Dinge ausprobiert. „Keine Zeit zu sterben“ macht genau dies, und er macht es vollkommen richtig: Er bewahrt die Essenz der Reihe, fügt ihr jedoch noch nie Dagewesenes hinzu und scheut sich nicht vor der Kontroverse – eingedenk aller Tiraden, die damit unweigerlich vorprogrammiert sind. Das macht ihn letztlich, ähnlich wie beispielsweise die achte Star Wars-Episode „Die letzten Jedi“, welche sich in einer vergleichbaren Tradition sehen lässt, zu einem sehr mutigen Film.

Fazit:

Wie auch immer man sich zu „Keine Zeit zu sterben“ auch positioniert, außer Frage dürfte stehen, dass der Film Bond-Geschichte schreiben wird. Nicht nur deswegen, weil es der bisher längste Film der Reihe ist, auch nicht nur deswegen, weil er die Ära mit Daniel Craig abschließt, sondern auch und vor allem deswegen, weil er sich, konsequenter als die vorherigen Bond-Filme dieser Ära, nicht davor scheut, das enge Bond-Korsett an den richtigen Stellen abzustreifen. „Keine Zeit zu sterben“ ist ein würdiger Abschluss für Daniel Craig und ein bemerkenswerter Bond-Film – für den ein großer Teil der Zuschauerschaft nicht bereit ist.

 

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(Pascal Weber)
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