Wir sind beim Durchstöbern unserer Filmregale auf „I’m a Cyborg, But That’s OK“ gestoßen und haben für alle Interessierten das Review zum Film, der schon eine Weile auf Blu-ray, DVD und auf Blu-ray in der Limited Collector s Edition im Mediabook erhältlich ist:
Nur ein Jahr nach „Lady Vengeance“, dem Abschluss der berühmten und gefeierten Rachetrilogie, deren Mittelteil „Oldboy“ längst Kultstatus innehat, lieferte der südkoreanische Regisseur Park Chan-wook 2006 eine gänzlich andere Art von Film ab. Bei „I’m a Cyborg, But That’s OK“ handelt es sich, zumindest im weitesten Sinne, um eine Romantikkomödie. Leicht ist der Stoff trotz einiger Lacher, die der Film liefert oder liefern möchte, aber bei weitem nicht.
Story:
Die junge Fabrikarbeiterin Cha Young-goon hält sich selbst für einen Cyborg. Dies äußert sich darin, dass sie sich am Arbeitsplatz den Arm aufschneidet und versucht, elektrische Energie in diesen zu leiten. Da dies für Außenstehende natürlich wie ein Suizidversuch anmutet, wird sie in eine Irrenanstalt eingewiesen. Dort sind ihre Ansprechpartner zunächst einmal elektrische Geräte wie Lampen und Getränkeautomaten, und anstatt Nahrung zu sich zu nehmen leckt sie an Batterien. Bald jedoch vertieft sich der Kontakt zum gleichaltrigen Patienten Il-sun, der trotz seiner eigenen psychischen Defizite alles daran setzt, zu Young-goon durchzudringen und sie wieder in die Realität zurückzuholen.
Eindruck:
Die Frage, ob es sich bei der Protagonistin Young-goon nun wirklich um einen Cyborg handelt, stellt sich, anders als man das vielleicht erwarten würde, gar nicht erst. Der Film macht von vornherein klar, dass die junge Frau unter Wahnvorstellungen leidet. Das zentrale Anliegen von „I’m a Cyborg, But That’s OK“ ist nicht etwa das schrittweise Auflösen einer rätselhaften Prämisse. Vielmehr stellt die Geschichte des Films eine Parabel über Kontroll- und Realitätsverlust und nicht zuletzt den Verlust von Menschlichkeit dar. Diesem Ansatz wohnt eine große Menge an gesellschaftskritischer Sprengkraft inne: Young-goon führt ein Buch mit sieben angeblichen Todsünden mit sich, von denen sie sich als Cyborg freimachen möchte und die sich fundamental von den tatsächlichen sieben Todsünden unterscheiden. Zu diesen „Todsünden“ zählen unter anderem Trauer, Vergebung und nicht zuletzt Mitgefühl – mit anderen Worten also Werte, die zutiefst menschlich sind, ja, die Menschlichkeit überhaupt erst ausmachen. Und Werte, das beobachtet ein jeder von uns vermutlich immer wieder im Alltag, die wichtig sind, teilweise aber verloren gehen und auf der Strecke bleiben.
Der Cyborg, für den Young-goon sich hält und dessen Existenzform sie zur Vollendung bringen möchte, wird so zur anschaulichen Metapher für maschinell wirkende, emotions- und gefühllose Personen, denen es an Menschlichkeit fehlt. Die Aussage, die der Titel des Films darstellt, ist eine, die vom Film selbst hinterfragt wird. Es ist beeindruckend, wie Park Chan-wook in seinem Film über die gewählten Symboliken auf gesellschaftliche und zwischenmenschliche Defizite hinweist und den Verfall von Grundwerten anprangert. Ferner lässt sich „I’m a Cyborg, But That’s OK“ parallel dazu auch als Kritik am technischen Fortschritt und bzw. genauer der technischen Vereinnahmung des Menschen lesen. Dies ist nicht unbedingt das Hauptanliegen des Films, die Sozial- und Gesellschaftskritik steht schon im Vordergrund – in einer weniger technologisierten Welt wäre man aber vermutlich gar nicht erst auf die Idee gekommen, einen Cyborg als Symbol für mangelnde Menschlichkeit zu wählen.
So ansprechend und klug die Grundidee und die Aussage des Films auch sind, Park Chan-wook macht es dem Zuschauer nicht unbedingt einfach, sich darauf einzulassen. Freilich gehört das Exzentrische und bisweilen Surreale bei ihm und seinem Schaffen dazu. Was bei einem Film wie „Oldboy“ aber perfekt funktioniert, schlägt hier an manchen Stellen schon weit über die Strenge und zu sehr ins Groteske. Es ist kein wirkliches Vergnügen, sich „I’m a Cyborg, But That’s OK“ anzusehen, und zwar nicht deshalb, weil der Film schwer zugänglich ist, sondern weil der Zuschauer schon eine ganze Menge Kitsch über sich ergehen lassen muss, um in den Film einzutauchen. Wenn Young-goon Visionen davon hat, wie sie mit Roboterwaffen, die aus ihren Gliedmaßen wachsen, das Krankenhauspersonal über den Haufen schießt, dann wirkt das wie direkt aus einem Trash-Film entnommen. Ein überdimensional großer, nicht besonders gut animierter Marienkäfer macht auch keinen viel besseren Eindruck, und ob man wirklich einen koreanischen Gesangsverein die Schweizer Alpen besingen und jodeln hören möchte, ist auch etwas, das wohl jeder Zuschauer für sich selbst entscheiden muss.
„I’m a Cyborg, But That’s OK“ ist in weiten Teilen in der Tat als Komödie angelegt. Wirklich lustig ist hier aber nur wenig, und es beißt sich auch mit dem doch recht ernsten Anliegen des Films. Es ist verständlich, wenn Park Chan-wook nach seinen schwermütigen Rachethrillern der Sinn nach einem Kurswechsel stand – dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob die gewählte Ausdrucksform wirklich geeignet für den Film und seine Grundthematik war.
Bild:
Hierzu gibt es eigentlich nicht viel zu sagen. Die HD-Bildqualität ist einer Blu-ray Ausführung würdig. Es gibt zwar Blu-rays mit schärferem Bild, man hat aber auch schon schlechteres gesehen.
Ton:
Auch hier wird der Standard angeboten. DTS-HD MA 5.1-Ton auf Koreanisch und Deutsch. Die koreanische Tonspur klingt ordentlich ohne Schwächen, die verfügbaren deutschen Untertitel machen das Ganze für Nichtkenner der Sprache, die dennoch den Originalton hören möchten, nachvollziehbar.
Extras:
(Die folgende Auflistung bezieht sich auf den Inhalt der Bonusdisc, welche der Collector’s Edition beiliegt.)
- „Kein Mitgefühl“: Interview mit Park Chan-wook
- „Keine Traurigkeit“: Making of
- „Keine Sehnsucht“: Interviews mit Lim Soo-jung und Jung Ji-hoon
- „Kein Hinauszögern wichtiger Dinge“: Die Viper-Digitalkamera
- „Keine sinnlose Tagträumerei“: Crew-Interviews
- „Keine Schuldgefühle“: Entfallene und alternative Szenen
- „Keine Dankbarkeit“: „I’m a Cyborg, but That’s OK“ auf der Berlinale
- Director’s Choice: Kurzfilm „2 Minutes“
- Musikvideo
- Original Kinotrailer
- Teaser Trailer
- TV-Spot 1
- TV-Spot 2
- TV-Spot 3
Fazit:
Eine der Kehrseiten von Exzentrik und Surrealismus ist, dass die Grenze zu Kitsch und Fremdscham oft sehr fließend ist. Obwohl Park Chan-wook diese Elemente eigentlich sehr gut beherrscht, überschreitet er mit „I’m a Cyborg, But That’s OK“ diese Grenze mehr als einmal. Das ist insofern schade, weil der Film in seinem Kern eine interessant angelegte und beachtenswerte Reflexion darüber darstellt, was das Menschsein eigentlich ausmacht. Mag der Regisseur es hier mit der Darstellungsweise übertrieben haben, inhaltlich ist auf Park Chan-wook auch bei „I’m a Cyborg, But That’s OK“ damit vollauf Verlass.
Hier erhältlich:
- I’m a Cyborg, But That’s OK (Blu-ray)
- I’m a Cyborg, But That’s OK (Blu-ray als Collectors Edition im Mediabook)
- I’m a Cyborg, But That’s OK (DVD)
(Pascal Weber)
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