Keine Filmschmiede konnte so viele Erfolge einfahren wie Hollywood. Ryan Murphy und Ian Brennan wagen in der gleichnamigen Serie einen Blick hinter die Kulissen und Abgründe der Starfabrik. Denkt man an Filme und großes Kino, so hat man unweigerlich das Bild des großen Hollywood-Schriftzugs in Los Angeles im Kopf. Das Bild einer weltweit florierenden Filmschmiede, die uns in fremde Welten entführt. Doch bei genauerem Hinschauen wirft auch das große Hollywood-Sign einen gigantischen Schatten. Erst 2017 geriet die Filmwelt in Verruf, nachdem der Weinstein-Skandal diverse sexuelle Belästigungen und Ausbeutungen aufgedeckt hatte. Seiten, die so gar nicht nach Traumwelt klingen. Diesen wendet sich Murphy in seiner neuen Miniserie zu.
Los Angeles am Ende des zweiten Weltkrieges. Die Welt scheint eine bessere zu sein und viele Menschen, insbesondere Veteranen, suchen ihr Glück in der Stadt der unbegrenzten Möglichkeiten. Schnell wird den hoffnungsvollen Männern und Frauen klar, dass Hollywood wohl mehr als nur Glanz und Glamour ist. Hinter dem roten Vorhang verbirgt sich in der Ferne eine Maschinerie aus Ausbeutung und abstrusen Machtverhältnissen.
2017 zeigten Ethan und Joel Coen in „Hail, Caesar!“ einen würdevollen, wie auch humorvollen Rückblick auf das ehemals glanzvolle Hollywood. Darauf folgte vergangenes Jahr Quentin Tarantinos Film „Once Upon A Time… In Hollywood“. Beide Filme schwelgen in der Vergangenheit eines nahezu makellosen Hollywoods. Zwar kritisiert man im Werk der Coen-Brüder den Kommunismus und die Machtstellung von Regisseuren, belässt es allerdings beim Sekundären. Anstatt eines Blickes auf die bereits erfolgreichen Schauspieler, zeigt Murphy die Perspektive derjenigen, die noch davon träumen. In „Hollywood“ liefert man anders als in Tarantinos Märchen keinen naiven Abgesang auf vergangene Zeiten, sondern eine kritische Einordnung.
Story:
Die Geschichte beginnt mit der Einführung von Jack Castello (David Corenswet). Nach seinem Kriegsdienst kommt der Veteran nach LA und möchte dort um jeden Preis Schauspieler werden. Doch während er jeden Tag vergeblich vor den großen Toren der Ace Studios steht, spielt die Zeit gegen ihn. Seine Frau ist schwanger – Zwillinge. Als dann noch der Strom abgestellt wird, muss sich für Castello etwas ändern. In einer Bar wird er von Ernie (Dylan McDermott), einem Tankstellenbesitzer, als Tankwart angeworben. Doch hinter dem vermeintlichen Job verbirgt sich mehr. So ist die Tankstelle ein heimlicher Ort der Prostitution. Kunden kommen mit dem Codewort „Dreamland“ zu den Mitarbeitern und bezahlen diese anschließend für ihre Dienste. Castello, der damit erst ein Problem hat, muss sich wegen seines Traumes aufopfern. Mit seinem Schicksal scheint der Veteran jedoch nicht der einzige zu sein. Der später dazukommende Archie Coleman (Jeremy Pope) stellt sich als Drehbuchautor heraus. Gemeinsam mit dem zukünftigen Regisseur Raymon Aynsley (Darren Criss) kämpft er für das Verfilmen seines Autorendebüts „Peg“. Doch das konservative Hollywood scheint nicht bereit zu sein für den dunkelhäutigen sowie homosexuellen Schreiber.
Kritik:
Ryan Murphy greift in „Hollywood“ Themen auf, die aktueller kaum sein könnten. So spielt der Film zwar einige Jahrzehnte in der Vergangenheit, doch spiegelt in vielerlei Hinsicht noch immer das aktuelle Hollywood wider. In dieser Serie wird eine Welt portraitiert, in der Erfolg einen hohen Preis trägt.
Am Beispiel des Filmprojekts „Peg“, welches auf dem Leben von Peg Entwistle basieren soll, fasst man diese Maschinerie gekonnt zusammen. Der Weg nach oben ist eine emotionale Achterbahnfahrt gekennzeichnet von Rassismus und sexueller Ausbeutung. Und wie jüngste Ereignisse zeigen, ziehen sich diese in gewissem Ausmaß noch bis heute.
Neben einem Darsteller aus der Netflix-Produktion „The Politician“ (David Corenswet) besetzte man mitunter auch den „The Big Bang Theory“-Darsteller Jim Parsons. In „Hollywood“ schlüpft er in die Rolle des Künstleragenten Henry Willson. Kaum eine Besetzung hätte dabei wohl treffender ausfallen können. Jim Parsons kann in der Rolle des niederträchtigen Managers brillieren und zeigt sein Können abseits der Sitcom-Welt. Doch auch der Rest des Casts ist gut gewählt und liefert eine sehr gelungene Performance ab.
„Hollywood“ von Ryan Murphy und Ian Brennan ist mehr als nur eine Hommage oder Kritik an der Filmindustrie. Viel mehr ist die Serie eine Inkarnation all dessen, wovon der Namensgeber lebt und wofür er steht. Keine Minute der Serie wirkt zu viel oder in einen Punkt verrannt. Sowohl die Bildsprache als auch die Dramaturgie sind perfekt inszeniert. „Hollywood“ ist all das, was das wahre Hollywood sein möchte, nur eben von Netflix.
(Nils Zehnder)
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