Nichts berührt mehr, als ein unvorhergesehenes schönes Ende.
Story:
Nun ist es also soweit, Helles Ehemann Peter wird in Rente geschickt und mit einer Holzbank mit Widmungstafel von seiner Firma verabschiedet. Nach 40 arbeitsreichen Jahren aufs Abstellgleis geschickt, aber das kann es ja wohl nicht gewesen sein und so erfindet sich Peter kurzerhand neu. Peter investiert in ein exklusives österreichisches Weingut und mimt nun den großen Weinimporteur. Als Helle misstrauisch wird und auf der Bank den Kontostand nachfragt, ist sie geschockt. Peter hat tatsächlich die Altersersparnisse geplündert, 1,8 Millionen Kronen, einfach abgehoben. Nach seiner Meinung hat er ja auch das Geld verdient, so hat er auch das Recht, dieses nach seinem Gusto zu verwenden. Das dabei Helle auf der Strecke bleibt, scheint ihn erstmal nicht zu interessieren. Sein Egotrip scheint keine Grenzen zu kennen und so entscheidet er kurzerhand, dass er eine Auszeit von der Ehe braucht. Es sei an der Zeit, dass er sich um sich kümmert. Helle hätte er ja jeden Wunsch erfüllt, das Haus, die Tochter, das alles hätte er ja nicht gebraucht, geschweige denn gewollt.
Während Peter zu seiner Tochter zieht, fällt Helle aus allen Wolken. Wie soll Helle das alles alleine schaffen, hat doch Peter immer alles erledigt und sich um alles gekümmert. Auch ihre kuriosen Mitteilungen mit „interessanten“ Bildern auf Peters Handy scheinen keine Wirkung zu zeigen. Derweil hat Peter schon ein Dating Profil eingerichtet, dort ist er natürlich 60 statt 70 und die gesuchte Wunschpartnerin sogar noch 20 Jahre jünger als er selbst. Neben Helle kann auch die restliche Familie sowie die Freunde Peters Entscheidungen nicht wirklich nachvollziehen. Helle erkennt, dass es keine Auszeit geben wird, dies ist nur die übliche Floskel. Peter hat schon längst abgeschlossen. Zuspruch und Hilfe erfährt Helle von der Bankangestellten Trine, die laut ihren Worten selbst nach zehnjähriger Ehe „abserviert“ wurde“. Doch während Peters Verwandlung in einen tollen Hecht immer mehr ins Stocken gerät, entdeckt Helle ganz neue Seiten an sich und ihrer Umwelt.
Meinung und Bewertung:
Das alte Lied von der Midlife-Crises. Trat dieses Phänomen früher bereits zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr auf, so bewegt sich der Trend derzeit mehr in Richtung der älteren Jahrgänge. So auch hier in der Dramödie „Happy Ending – 70 ist das neue 70“. „Happy Ending“ erzählt die Geschichte um das Paar Peter und Helle auf sehr eindrückliche und nachvollziehbare Weise. Peter wird nach etlichen Jahren in den Ruhestand geschickt, will aber nicht akzeptieren, dass es nun auch mal an der Zeit wäre, kürzer zu treten. Helle freut sich dabei auf die kommende freie Zeit mit ihrem Mann, könnten die beiden doch endlich mal die Welt erkunden. Derweil schlägt aber Peters Midlife-Crisis unerbittlich zu und sein Egotrip folgt den typischen Irrungen alternder Männer. Dazu gehört natürlich: sich neu erfinden, den Lebemann rauslassen, sich jünger machen -> sowie auf jüngere Partner schielen und der Porsche darf dabei ebenfalls nicht fehlen. Solch einen Totalaussetzer hat bestimmt schon so mancher einmal bei anderen, wenn nicht sogar bei sich selbst beobachten dürfen. Das zeigt der Film auch ziemlich ungeschönt. Ungeschönt, da Peters Wandlung ziemlich egomanisch und unsensibel vonstatten geht und Helle eiskalt erwischt. Helles Versuche der Rückeroberung, die Hilflosigkeit und die Trauer kann ein jeder nachvollziehen, der sich schon mal in dieser Situation befand, bzw. schon mal verlassen wurde. Doch wo Dunkelheit herrscht, tut sich auch ein manches Mal ein Licht auf und während Peter auf seinen Wirrungen wandelt, kehrt Helle mit Hilfe einer neu gefundenen Freundin, aus ihrer Tristesse zurück ins lebenswerte Leben.
Die Erkenntnisse, Gemütszustände und Emotionen, die Helle und Peter im Laufe des Filmes erfahren, werden sehr realitätsnah von den Schauspielern Birthe Neumann und Kurt Ravn dargestellt. Das im Film Gezeigte wirkt nicht aus der Luft gegriffen oder gesponnen. Handlungen und Personen könnte man genauso im wahren Leben antreffen. Und auch das Sprichwort: „Umso oller, desto doller“, kommt in diesem Film in jeglicher Form zum Tragen. Denn so sittlich, wie man sich ältere Leute gerne vorstellt, sind sie in der Realität bei weitem nicht. Die am Ende des Filmes zuschlagende Erkenntnis und das resultierende Ergebnis wird letztendlich wohl nicht jedem gefallen. Besonders Zuschauer mit einem ausgeprägten Harmoniebedürfnis dürften damit eventuell nicht wirklich zufrieden sein. Dabei finde ich es persönlich einfach mal erfrischend, wenn man sich bewusst gegen das typische Hollywood Happy End entscheidet.
Bei diesem Film wäre es auch absolut unpassend gewesen, aber keine Angst, „Happy Ending“ mündet nicht in tiefer Trauer. Im Gegenteil, die Drehbuchautorin hat ein durchaus nachvollziehbares und versöhnliches Ende geschaffen, welches neue Kraft gibt und den Tatendrang neu entfacht. Negativ bei diesem Film sind aber so manche Sprünge in der Erzählung. Die eine Szene war noch nicht wirklich verklungen, so findet man sich schon in einer ganz anderen wieder. So konnte manche Szene nicht nachwirken, da man sich schon auf die nächste konzentrieren musst.
„Happy Ending – 70 ist das neue 70“ zeigt sehr real, wie schwer man sich im Alter tut oder wie hilflos man sich fühlen kann, wenn ein bekannter Lebensabschnitt endet. Ebenso wie man Irrungen verfällt, wenn man nicht mehr das wertschätzt, was man einst hatte. Der Film regt definitiv zum Nachdenken an und ist durchaus für und Jung und Alt geeignet. Die „Alten“ erkennen sich eventuell selbst wieder, während die „Jungen“ bemerken werden, dass man im Alter nicht immer Weise wird und die Versuchungen der Jugend immer noch den Geist verführen. Denn wie heißt es doch: Alter schützt vor Torheit nicht. Ebenfalls zeigt der Film, wie schwer es ab einem gewissen Alter fällt, das Leben neu zu ordnen. Andererseits aber auch, dass sich trotz einschneidender Veränderungen, neue ungeahnte Möglichkeiten eröffnen können. „Happy Ending“ ist einer der Filme, dem man abseits der Hollywood Blockbuster, gerne auch mal eine Chance geben darf.
(Marc Maurer)
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