2006 schrieb der österreichische Schriftsteller Daniel Glattauer mit „Gut gegen Nordwind“ seine Version einer im Internet beginnenden Liebschaft. Darauf folgte eine Theaterfassung, welche an 40 Theatern nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland in Berlin, im Theater am Kurfürstendamm aufgeführt wurde. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis jemand den Stoff für das Kino adaptieren wird. 2019 war es dann soweit und die Darsteller Nora Tschirner und Alexander Fehling schlüpften in Glattauers Figuren namens Emma und Leo. Nun liegt mir der Film für die Heimkinoauswertung auf Blu-ray vor. Wie mir der Film gefallen hat und was es zur Blu-ray zu sagen gibt, erfahrt ihr wie immer in den nachfolgenden Zeilen.
Story:
Für den Linguistik-Dozent Leo bricht gerade eine Welt zusammen, seine Freundin hat Schluss gemacht und Leo plagen Selbstzweifel. So schreibt er seiner Marlene nochmals eine E-Mail, in der er beteuert, sich ändern und sie heiraten zu wollen. Diese hin und her bleibt auch seiner Schwester nicht verborgen. Diese rät ihm, sich ein Zeit-Ultimatum zu stellen und so wird 21:00 Uhr zur vereinbarten Deadline. Die Stunden ziehen sich wie Kaugummi, jedes Bling aus seinem Laptop lässt Leo panisch zum Gerät stürmen. So rückt die Stunde der Wahrheit näher, bis es neun Uhr abends schlägt. Keine Mail von Marlene, doch einige Minuten nach Neun das erhoffte „Bling“. Doch anstatt einer Mail von Marlene wünscht ihm eine Emma Rothner „Schöne Weihnachten und ein gutes neues Jahr“. Leo ist sichtlich verärgert, nix von Marlene dafür ‚nen blöden Gruß von irgendeiner Emma. Entnervt schreibt er zurück und erhält prompt darauf eine Retourkutsche. Diese Reaktion macht ihn mehr als neugierig und die „Mailerei“ zwischen Leo und Emma nimmt ihren Verlauf. Erst alle paar Tage eine Nachricht, dann jeden Tag und schlussendlich mehrmals am Tag. Emma und Leo kommen sich auf diese Weise immer näher. Obwohl sie beschließen, sich nur virtuell auszutauschen, teilen sie immer mehr private Gedanken miteinander. Doch als Leo erfährt, dass Emma verheiratet ist, fühlt er sich betrogen und macht seinem Ärger Luft. So entsteht eine ungewollte Pause, die aber niemand von beiden lange aushält. Als sich die Gefühle füreinander mehren, wird diese Art der Freundschaft immer komplizierter. Beide müssen sich eingestehen, dass diese freundschaftliche Beziehung zu weit mehr geworden ist. Dennoch das Leben außerhalb des Mail-Postfaches geht weiter und dort leben reale Menschen, die einen lieben und die man „eigentlich“ ebenfalls liebt. Aber was soll aus Emma und Leo werden, wie soll das alles weiter gehen. Als sich noch Emmas Ehemann bei Leo meldet, stürzt dieser in ein moralisches tiefes Loch. Was ist jetzt richtig, was soll überwiegen, die Ehe von Emma oder seine Liebe zu ihr. Was ist jetzt die richtige Entscheidung, sofern es diese überhaupt gibt.
Meinung und Wertung:
Mit „Gut gegen Nordwind“ präsentiert Autor Glattauer eine moderne Version einer elektronischen Romanze. Das Thema ist dabei nicht wirklich neu, denn schon längst findet man in vergangener Literatur genügend Romane, die sich diesem Thema annahmen. Aber auch in der Moderne ist das Thema nicht wirklich neu. Hier fällt einem sofort die allseits bekannte Verfilmung mit Tom Hanks und Meg Ryan namens „e-m@il für Dich“ aus dem Jahr 1998 ein. Doch im Gegensatz zu dieser präsentiert sich „Gut gegen Nordwind“ von Regisseurin Vanessa Jopp wesentlich komplexer, intimer, schwieriger, während „e-m@il für Dich“ trotz einiger Irrungen und Wirrungen recht simpel verläuft und die Dramatik eher konstruiert wirkt. Hier zeigt der Film „Gut gegen Nordwind“ grundsätzliche und reale Probleme auf, die den Figuren Emma und Leo im Wege stehen. Beide sind oder waren in einer Beziehung. Während nun der eine Part eigentlich frei von Verpflichtungen ist, wird es für den anderen immer schwieriger, Freundschaft von Zuneigung zu trennen. Als der „freie“ Leo wiederum erfährt, dass Emma verheiratet ist, fühlt er sich erst belogen, um daraufhin die Freundschaft wieder in den Vordergrund zu rücken. Nur kann man Gefühle schlecht zurück auf Anfang stellen und so verkompliziert sich die Situation dann doch wieder. Das sich Emma und Leo immer mehr zueinander hingezogen fühlen, lässt sich schwerlich umkehren. Als selbst Eifersucht aufkeimt, weiß der Zuschauer, dass es um beide geschehen ist. Die Bemühungen, die Beziehung wieder auf ein freundschaftliches Level zurück zu fahren, ist nur ein kläglicher Versuch, seine eigenen Gefühle zu belügen. Dennoch steht immer noch Emmas Beziehung zu ihrem Mann und seinen Kindern im Raum, was der Geschichte ein einfaches Happy End verwehrt. Die Lage spitzt sich zu, als Regisseurin Jopp Emmas Ehemann Bernhard offensiv mit in das Geschehen wirft. Dieser fordert Leo auf, sich mit Emma zu treffen. Seiner Meinung nach muss Emma erst diese reale Erkenntnis gewinnen, damit er Bernhard beginnen kann, um sie zu kämpfen. Somit löst dieser Twist ein moralisches Dilemma für die Figur Leo aus. Durch die wirklich herausragende Darstellung Alexander Fehlings, überträgt sich dieses Dilemma auch sehr eindringlich auf den Zuschauer. Man sitzt da und denkt sich nur: „verdammte Kacke und jetzt?“.
Somit habe ich gleich die perfekte Überleitung zum Schauspiel, auf das ich noch eingehen möchte. Seit einigen Jahren stolpere ich über Filme mit Alexander Fehling und muss sagen, dass er immer besser wird und seine Leistung bei „Gut gegen Nordwind“ finde ich überragend. Frauen, die Frauen spielen, die sich verlieben gibt es schon in jeder Variante. Männer spielen meist Männer, die wissen, was sie wollen und die eigentliche Konstante im Film sind. Bei „Gut gegen Nordwind“ spielt Fehling nun einen Mann, der eben nicht abgeklärt ist, Selbstzweifel hegt, Bindungsängste hat und dennoch eine Beziehung haben möchte. Männer mit Schmetterlingen im Bauch wurden eher selten gezeigt und wenn, dann war das unheimlich schnulzig. Fehling zeigt neben den Schmetterlingen, noch Eifersucht, Enttäuschungen, Erwartungen, Hoffnungen und Verletztheit und das auf eine sehr eindringliche Weise. Denn sind wir mal ehrlich meine Herren, wer saß nicht schon als Junge, junger Mann oder auch gereifter Mann wegen einer Frau betroffen mit einem Tränlein im Auge alleine da. Aber auch Nora Tschirner als Emma weiß zu überzeugen und ich war sehr überrascht, dass sie realistisch und nicht wie so oft, etwas zu drüber ihren Charakter darstellte. Tschirner hat dabei anfangs den einfacheren Part, da aus einem Versehen ein freundschaftlicher Kontakt entsteht. Während Fehling schon erste Hoffnungen in diesen Mail-Verkehr legt. Im Verlauf wird es aber auch für diesen Charakter immer schwieriger, nur eine Freundschaft sehen zu wollen. Besonders der Konflikt, mit dem sie zu kämpfen hat, da sie im Vergleich zu Leo nicht ungebunden ist. Ich muss zugeben, dass mir das Schauspiel beider sehr gut gefallen hat. Das von Fehling aber noch ein Ticken besser.
Fazit:
Kommen wir zum Fazit: Der Film „Gut gegen Nordwind“ erzählt dem Zuschauer keine wirklich neue Geschichte. Die Romanze per Brief, Mail oder Chat durchwandert die Jahrhunderte bereits seit langem. Im Vergleich zu „e-m@il für Dich“ kann er sich dafür emotional richtig abheben, da er intensiver auf die Entwicklungen eingeht. Der amerikanische Vertreter ist zwar schön und nett anzusehen, bleibt aber eine seichte Liebeskomödie, während „Gut gegen Nordwind“ als Romantik Drama durchgehen kann. Das Schauspiel ist wirklich großartig und der Zuschauer kann Dank Fehling, die emotionalen Phasen sehr gut miterleben. Die Story ist wie gesagt nicht neu und auch „Gut gegen Nordwind“ fügt dem Genre keine neuen Innovationen hinzu, dafür aber ein paar realistischere Handlungen. Dennoch muss ich bemängeln, dass ihm der Mut fehlt, eine für das Publikum unschöneren Konsequenz zu zeigen. So endet „Gut gegen Nordwind“ mit einem leicht offenen Ende, das man sich als Zuschauer dennoch als Happy End schönreden kann. Natürlich folgt man auch dem aktuellen Trend und baut ein paar Erotik und Nackt-Szenen ein. Dagegen gibt es eigentlich nichts einzuwenden, wenn manche davon nicht völlig unnötig wären. Zu wissen, dass Leos Schwester lesbisch ist, muss man im Verlauf des Filmes nicht unbedingt nochmals damit untermauern, dass man sie während eines Telefonats mit ihrem Bruder, nackt am Esstisch mit ihrer ebenfalls nackten Liebhaberin sitzend zeigt. Eine völlig sinnlose Szene, dem Zuschauer sollte die sexuelle Ausrichtung der Schwester wohl mit dem Holzhammer eingebläut werden, anders erklärt sich mir diese nicht. Auch die Geschwindigkeit mit der E-Mails versendet werden und eintreffen, ließ mich mehrmals schmunzeln. Diese ist eigentlich nur mit Chatprogrammen zu erreichen, aber sei‘s drum. „Gut gegen Nordwind“ ist ein überraschend starkes Romantik Drama mit einem Hauch Witz geworden. Dieser kann es durchaus mit der internationalen Konkurrenz aufnehmen und ist wirkt dabei sogar noch eindringlicher, als so manch andere Vertreter dieses Genres. Zu keiner Zeit wirkt er dabei zu schnulzig, denn im Gegensatz zu anderen Genrevertretern wird der Zuschauer nicht dazu animiert, im Minutentakt vor Rührung dahin zu schmelzen. Im Gegenteil man wird mit Entscheidungen konfrontiert, die zum Denken anregen und man beginnt, sich in die Figuren hineinzuversetzen. Dabei stellt man sich immer öfter die Frage, wie man selbst damit umgehen würde, denn nichts kann komplizierter als die Liebe sein. Somit kann ich für jeden der dem Genre zugeneigt ist eine klare Sichtungsempfehlung aussprechen.
Habt ihr den Film gesehen, wie habt ihr ihn empfunden, hat er euch gefallen, bejubelt ihr ihn oder fandet ihr ihn bescheiden, wenn nicht sogar schlecht? Teilt es uns in den Kommentaren mit.
Bild:
Das Bild ist erwartungsgemäß für eine Blu-ray ordentlich ausgefallen. Zu bemängeln gibt es eigentlich nichts, außer dass das Bild noch etwas Luft nach oben hat. Farben und Kontraste sind ausgewogen, die Schärfe auf sehr gutem Niveau, ebenso der Schwarzwert. Bildfehler, rauschen oder sonstiges war nicht auszumachen, dennoch fehlt das letzte bisschen bis zur Referenz. So erlangt das Bild eine Wertung im oberen Bereich.
Ton:
Beim Ton gibt es ebenfalls keine Überraschungen, weder positive noch negative. Die deutsche Tonspur liegt im Format DTS-HD MA 5.1 vor. Da der Film eigentlich überwiegend Dialoglastig ist, gibt es auch keine Überraschungen beim Surround Sound. Dafür sind die Dialoge über den ganzen Film hinweg der Hauptakteur und werden zu keiner Zeit von Geräuschen oder Effekten überlagert.
Extras:
Sind leider keine vorhanden!
Wie immer möchte ich mich für eure Aufmerksamkeit bedanken und hoffe wir lesen uns bei meinem nächsten Review wieder.
(Marc Maurer)
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