Am 26. Oktober 2020 kam „Gretel & Hänsel“ auf Blu-ray, als 4K UHD als Blu-ray im Mediabook und auf DVD in den Handel und wir haben das Review dazu:
„Gruselmär trifft Arthaus-Look“
Die Märchen der Volkskundler und Sprachwissenschaftler Jacob und Wilhelm Grimm, kurz den Brüdern Grimm (laut Germanisten ist der Begriff „Gebrüder“ Grimm schon lange nicht mehr in Verwendung), sind wohl allen von uns ein Begriff. Als Kind fand man deren Geschichten abwechslungsreich und spannend, als Erwachsener eventuell sogar düster bis brutal. So ist es auch kein Wunder, dass deren Stoff schon öfter nicht nur in klassischen TV-Märchen, sondern auch in Action- als auch in Gruselfilmen herhalten musste. Meistens kamen aber diese Beiträge aus dem Bereich der B-Movies und verfehlten den erhofften Erfolg.
Einer dieser Gruselfilme ist der 2020 entstandene „Gretel & Hänsel“, der nun über Capelight Pictures und im Vertrieb der Al!ve AG als DVD, als Blu-ray und auch als 4K UHD (die beiden Letzteren sogar im schicken Mediabook) rechtzeitig zur „dunklen Jahreszeit“ im heimischen Handel erschienen. Hier wird natürlich und auch offensichtlich, deren Anfang des 19. Jahrhunderts entstandene Märchen von „Hänsel und Gretel“, neu interpretiert. Ob die Hexe an ihren eigenen Lebkuchen erstickte, Hänsel und Gretel jemals wieder zurückfanden und was noch viel wichtiger ist, wie sich die Story und auch die Umsetzung der Blu-ray Disc so schlägt, durfte die filme.de Redaktion für ihre Leser ausgiebig testen…
STORY:
Wir finden uns wieder in einem verfluchten Land vor langer Zeit. Die junge Gretel (Sophia Lillis) und ihr kleiner Bruder Hänsel (Sammy Leakey) sind gezwungen ihr Haus zu verlassen, da sie Nahrung und Arbeit finden müssen. Sie irren völlig orientierungslos umher und verirren sich schließlich im tiefen dunklen Wald, wo sie auf die alte, aber freundlich wirkende Frau (Alice Krige) stoßen. Diese gibt ihnen Essen und eine Schlafmöglichkeit. Doch Gretel bekommt Visionen von anderen Kindern und hört deren Stimmen. Sie spürt, dass etwas nicht stimmt und versucht ihren kleinen Bruder zu beschützen. Die Hexe selbst hat ein grausames Geheimnis…
EINDRUCK:
„Gretel & Hänsel“ ist eher bedrohlich als aufregend, eher trostlos als gewalttätig und mehr von Dario Argento als von modernen Blumhouse Produktionen inspiriert. Der Versuch, Arthouse-Horror stilvoller, beeindruckender und salonfähiger zu machen, war leider nicht wirklich von Erfolg gekrönt, wenn man rein vom mäßigen Einspielergebnis ausgeht. Tatsächlich wirkt der Film stellenweise etwas chaotisch, insbesondere wenn es um die unerklärlichen Enthüllungen im Finale geht.
Mit Sophia Lillis („Es“ 2017) in der Hauptrolle, hat „Gretel & Hänsel“ die Reihenfolge dieser Titelnamen aus einem ganz bestimmten Grund geändert, denn in der von Regisseur Oz Perkins („The Twilight Zone“ 2020) inszenierten Version, ist Gretel eine, naja, sagen wir einmal „taffe“ 16-jährige, die ihren Bruder Hänsel (Sammy Leakey), ein lieber aber hilfloser Achtjähriger, beschützen soll. Somit übernimmt sie das Ruder und dadurch auch die Hauptrolle dieses Werks. Sie ist es auch, die ihre Rolle mit gedämpfter Intensität spielt. Man weiß als Zuschauer nie so genau, welche Kräfte in Gretel stecken.
Optisch bietet der Film eine Fülle von auffälligen Kompositionen: Wenn die beiden Kinder durch den Wald gehen, findet die Kamera immer die exotischsten Perspektiven. Kameramann Galo Olivares („Roma“) verleiht zum Beispiel dem ungewöhnlichen Hexenhaus immer einen bernsteinfarbenen Schimmer, der gleichzeitig Wärme aber auch Gefahr ausstrahlt. Ungewöhnlich ist bei „Gretel & Hänsel“ ohnehin ein gutes Stichwort, irgendwie erscheint hier alles anders, als man es zuerst erwartet. Das Haus der Hexe wirkt nicht wie in den alten Märchenbüchern. Von Lebkuchen und anderen süßen Verzierungen, kann hier keine Rede sein. Der Unterschied zwischen Antike und Moderne erzeugt hier beunruhigende Bilder: Gretel hat kurze Haare, anstatt den gewohnt lieblichen Zöpfen und auch die Geschichte selbst schlägt im Verlauf der knapp 87 Minuten Laufzeit optisch immer wieder ungewöhnliche Wege ein. Auch Alice Krige („Silent Hill“) als Hexe zu casten, war definitiv richtig, denn sie schafft es allein durch ihre Blicke, ihren Bewegungen und ihre Präsenz jederzeit Unbehagen auszustrahlen. Komponist Robin Coudert („Maniac“ 2012), stützt sich stark auf die in letzter Zeit bei Gruselfilmen beliebt gewordenen bizarren Synthesizer- und Ambient-Klänge und schafft somit den Brückenschlag der wirren Bilder und Klänge des Films.
Klingt nach einem Geheimtipp, oder? Jein, denn „Gretel & Hänsel“ bietet zwar von der Ausstattung her viel Ungewohntes und auch stellenweise richtig Tolles, verheddert sich aber mit zunehmender Spieldauer in Nebensächlichkeiten. Immer wieder ertappt man sich dabei, nun endlich ein „Aha!“ ausrufen zu wollen, während der Film sich immer wieder einfach zu sehr auf seine bedrohlichen Bilder, anstatt einer stringent erzählten Story verlässt. Aber auch das sehr gemächliche, oftmals von psychedelischen Bildern begleitete Erzähltempo, wird sicherlich nicht bei jedem Gruselfan ankommen. Das hat der 2015 ähnlich inszenierte Film „The Witch“ wesentlich straffer und vor allem stimmiger hinbekommen. „Gretel & Hänsel“ lässt sich auch schlecht einordnen, denn für ein Märchen ist er fast zu wenig fantastisch aber für einen Horrorfilm wiederum zu wenig gruslig, auch wenn die Atmosphäre noch so gut eingefangen wurde. Was bleibt ist ein unblutiger, gewöhnungsbedürftiger Mix aus Gruselmär und Arthausbeitrag, der leider nicht viel zu erzählen hat – immerhin aber schön schaurig verpackt wurde.
BILD:
Das Gezeigte wird uns im eher selten verwendeten Ansichtsverhältnis 1,55:1 präsentiert, bei dem am linken und rechten Bildrand schwarze Ränder zu sehen sind. So wird der Blick noch mehr auf die Kameraarbeit von Galo Olivares fokussiert. Gedreht wurde mit der modernen Arri Alexa Mini Kamera, die bei Bedarf gestochen scharfe und natürliche Bilder wiedergeben kann.
Die Farben und auch der Kontrast wurden bewusst und Genretypisch etwas zurückgefahren und auch einige gewollte Unschärfen lassen sich teilweise ausmachen. Die (Grund)Schärfe ist im gehobenen Durchschnitt anzusiedeln und bietet die meiste Zeit über ein ordentliches Bild – vor allem bei den Tageslichtszenen. Der Schwarzwert könnte zwar etwas saturierter sein, lässt aber dafür in den dunklen Szenen so gut wie nichts absaufen. Es wird immer das gezeigt, was auch Regisseur und Kameramann uns zeigen wollten. Filmkorn oder störende Artefakte konnten keine ausgemacht werden.
TON:
- Deutsch DTS-HD MA 5.1
- Englisch DTS-HD MA 5.1
Sowohl der deutsche als auch der englische DTS-HD MA 5.1 Originalton sind im Großen und Ganzen in Ordnung. Ein Effektfeuerwerk darf man zwar nicht erwarten, dennoch fallen dem Zuschauer in dieser Arthaus-Gruselmär feine direktionale Surround Effekte auf. Erst recht, wenn sich der zuvor angesprochene Score von Komponist Robin Coudert mit seinen abscheulichen unorthodoxen Ambient-Synthie-Klängen ankündigt, dann erzeugt dies erst recht eine wohlige Gänsehaut. Der Subwoofer bekommt wenig bis gar nichts zu tun – immerhin sind die Dialoge stets gut zu verstehen, könnten aber in ihrer Dynamik noch einen Ticken direkter daherkommen.
EXTRAS:
- Booklet
- Disc 1 Blu-ray (HD, ca. 87 Min.):
- Clips
- Teaser
- Kinotrailer
- Disc 2 DVD (ca. 83 Min.):
- Clips
- Teaser
- Kinotrailer
Sowohl auf der DVD, als auch auf der Blu-ray Disc sind dieselben, doch recht übersichtlichen Extras zu finden. Beide bieten neben ein paar Trailern lediglich kurze Featurettes, die eigentlich mehr Eigenwerbung als echtes Hintergrundwissen zu Tage fördern.
Wie von Capelight gewohnt, bekommt man immerhin ein äußerst schickes wie wertiges Mediabook spendiert, in dem auch ein 28seitiges, farbiges Booklet integriert ist.
FAZIT:
Bild und Ton der Disc aus dem Hause Capelight liegen qualitativ im oberen Mittelfeld und leisten sich so gut wie keine Schwächen. Mittelpunkt dieser Veröffentlichung ist ohnehin das schicke Mediabook mit seinem 28seitigen Booklet, das Sammlerherzen höherschlagen lässt. „Gretel & Hänsel“ spielt leider nicht in einer Liga mit „The Witch“ oder „Hereditary“, bietet Genrefreunden auf der Suche nach etwas Neuem immerhin einen soliden Titel. Der erhoffte große Wurf ist dem Regisseur Oz Perkins trotz der starken audiovisuellen Umsetzung mit dieser gemächlichen Gruselmär im Arthaus-Look aber leider nicht ganz gelungen.
Testgeräte:
TV: LG OLED 55C8PLA
Player: Sony UBP X-700
AV-Receiver: Denon AVR X-1500 H
Center-Lautsprecher: Teufel Ultima UL 40 C Mk3
Front- und Surround-Lautsprecher: Teufel Motiv 6
Atmos-Lautsprecher: Teufel Reflekt (Front Height)
Hier erhältlich:
- Gretel & Hänsel (Blu-ray)
- Gretel & Hänsel (4K UHD Blu-ray)
- Gretel & Hänsel (Blu-ray Mediabook)
- Gretel & Hänsel (DVD)
(Alexander Gabler)
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