Story: Der Italoamerikaner Tony „Lip“ Vallelonga (Viggo Mortensen) hält seine Familie mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Man lernt ihn als knallhart durchgreifenden Türsteher kennen, der sich auch mal eines Tricks bedient um etwas dazu zu verdienen. Als jedoch der Nachtclub, bei dem er angestellt ist, für Renovierungsarbeiten schließt, gerät er unter Druck eine neue Einnahmequelle zu finden. Da kommt ein spezielles Angebot sehr gelegen: ein Job als Chauffeur eines Musikers für ziemlich gutes Geld. Allerdings beruht das Interesse an Tony Lip auch auf dessen Ruf mit unkonventionellen Mitteln auf potenziell problematische Situationen zu reagieren. Diese Fähigkeit könnte noch eine Rolle spielen, denn der Musiker, Dr. Don Shirley (Mahershala Ali), ist ein Afroamerikaner und die Konzerttour geht durch die Südstaaten der USA – schließlich ist es 1962, was bedeutet, dass es dort noch Rassentrennung gibt. Weil Tony sowohl ein Problem mit der Hautfarbe von Dr. Shirley hat, als auch damit, dass er als Assistent dessen zusätzliche Aufgaben übernehmen soll, lehnt er das Angebot zunächst ab. Schlussendlich begibt sich das ungleiche Duo dann doch zusammen auf Tour.
Kritik: Was dann beginnt ist ein ereignisreicher Roadtrip. Die beiden sind sich anfangs nicht ganz grün, beginnen sich aber Stück für Stück einander anzunähern. Sie dabei zu begleiten macht unheimlich viel Spaß. Tony sorgt mit seiner ungehobelten Art für Irritation bei Dr. Shirley, genauso wie dieser mit seiner eloquenten Ausdrucksweise Stirnrunzeln bei Tony hervorruft. Beides sorgt für heitere Momente. Dabei kommt die lustige Seite von Green Book aber keinesfalls erzwungen daher. Insgesamt mutet die Entwicklung der Handlung an wie die logische Folge wenn zwei Menschen aufeinander treffen, wie es Tony und Dr. Shirley sind, und über eine längere Zeit miteinander auskommen müssen. Es wirkt organisch und lebensnah.
Bei aller aufkommenden Harmonie verliert der Film seinen ernsthaften Teil keineswegs aus dem Auge. Alle am Anfang des Films eingeführten Themen – ob direkt angesprochen, wie Tonys Fähigkeiten, oder nur angedeutet, etwa die Isolation von Dr. Shirley – werden als Handlungsstränge wieder aufgenommen. Dem Zentralsten wird dabei natürlich am meisten Beachtung geschenkt: dem Rassismus gegenüber Afroamerikanern. Deshalb zu sagen Green Book handle nur vom Umgang mit Rassismus wäre aber viel zu kurz gegriffen. Peter Farrelly schafft es glaubhaft weitere Ebenen seinem Film hinzuzufügen und diese miteinander zu verweben und ineinander über gehen zu lassen, seien diese das Band der Freundschaft, die Suche nach dem Selbst oder eine andere Form von Rebellion.
Tony Lip ins Zentrum zu nehmen und die Geschichte aus seiner Perspektive zu erzählen mutet erst mal etwas komisch an, da der Dreh- und Angelpunkt ja die Hauptfarbe von Dr. Shirley ist. Dennoch ist dies gut gewählt, denn andernfalls wäre Tony zu einem flachen Nebencharakter verkommen. So kann jedoch seine graduelle Entwicklung sehr gut herausgearbeitet werden und bekommt an Gewicht. Gleichzeitig ist es genau richtig Dr. Shirley die Nebenrolle zu geben, eben weil er dem Geschehen einen Rahmen gibt und es darüber hinaus sehr gut zu ihm und der Art und Weise passt, wie er mit dem gegen ihn gerichteten Rassismus umgeht. Dadurch sind beide gleich wichtig für die Handlung und bilden eine Art Einheit. An dieser Stelle ist eine Ähnlichkeit zu Ziemlich beste Freund unverkennbar, was aber keinesfalls als Nachteil zu verstehen ist.
Fazit: Green Book – Eine besondere Freundschaft katapultiert den Zuschauer mit der ersten Szene Jahrzehnte in die Vergangenheit, lässt ihn eintauchen in das Nachtleben von 1962 New York City und erreicht es, dass er über die Länge des Films ein Gefühl der Atmosphäre von damals vermittelt bekommt. Die beiden Hauptdarsteller, Viggo Mortensen und Mahershala Ali, haben eine tolle Chemie und sind keinesfalls zu Unrecht für einen Oskar nominiert. Der Umgang ihrer Charakter mit Rassismus stellt zwei auf der Leinwand selten gesehene Ausprägungen dar. Vor allem Tony Lips pragmatische Art ist dabei sehr erfrischend. Auch wenn Green Book hier und da etwas voraussehbar ist nimmt ihm das nicht an Komik, Drama und emotionaler Wucht, was ihn zu einem Film-Highlight des Jahres macht.
(J.-H. Matthies)
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