Film: Als der Raubritter Götz von Berlichingen bei einem Überfall eine Schatztruhe mit Goldmünzen und einem königlichen Siegel erbeutet, zieht er damit die Wut des Bischoffs auf sich. Doch nicht nur der Kirchenmann ist nun hinter dem Ritter her, auch die intrigante Adelheid von Walldorf, die das Siegel benötigt, um den amtierenden Kaiser zu stürzen, hat es auf den Ritter abgesehen. Als sich dann auch noch sein Jugendfreund Adalbert von Weislingen gegen ihn stellt und ihn seines Hab und Guts beraubt, paktiert Von Berlichingen mit den aufständischen Bauern und zieht in den Kampf.
Was mag wohl dabei herauskommen, wenn RTL, Haussender von Formaten wie „Familien im Brennpunkt“ und „Alarm für Cobra 11“, eine Verfilmung von Johann Wolfgang von Goethes Schauspiel „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“ inszeniert? Immerhin gehört das Werk zu den wichtigsten und einflussreichsten Schriften der Sturm- und Drangzeit, war zu seiner Zeit ein bahnbrechendes Werk, welches die Konventionen des Theaters einriss und ist heute fester Bestandteil an deutschen Hochschulen.
Goehte selbst orientierte sich bei seinem Stück an dem fränkischen Reichsritter Gottfried von Berlichingen zu Hornberg, wobei er es dabei mit den historischen Fakten nicht allzu genau nahm. Drehbuchautor Christian Schnalke und Regisseur Carlo Rola hingegen nahmen es mit Goethes Werk ebenfalls nicht so genau, entnahm diesem lediglich die Hauptfiguren und ihr Verhältnis zueinander, und bastelt daraus eine ganz eigene Geschichte. Geblieben sind dabei der Titelheld Götz von Berlichingen, der sich im Zwist mit seinem einstigen Jugendfreund Adelbert von Weislingen und dessen Geliebter, der Witwe Adelheid von Walldorf befindet.
Bei allem anderen hingegen nahm Schnalke sich offenbar den Titel der erfolgreichsten deutschen Komödie der letzten Jahre zu Herzen und dachte sich „Fack ju Göhte“. Die eiserne Prothese, zwar das Markenzeichen des Götz von Berlichingen, aber bei weitem nicht so maßgelblich mit dessen Charakter verbunden, wird dabei kurzerhand zum Mittelpunkt einer wahren Götzenverehrung (man verzeihe das Wortspiel).
Statt einer werkgetreuen Verfilmung präsentiert RTL dem Publikum ein actionreiches Stück Mittelalter-Unterhaltung, das mit seinen zahlreichen nackten Leibern, literweise Blut, Giftmord und Intrigenspiel auch gut als deutsche No-Budget-Version von „Game Of Thrones“ durchgehen könnte. Immerhin bleibt die Geschichte dabei dem historischen Vorbild ein wenig treuer als Goethe mit seinem Stück – und wenn wir ganz ehrlich sind, steht im Film auch nirgendwo irgendwas von dem großen deutschen Dichter. Diese Assoziation wurde einzig und alleine vom Publikum getroffen. Entfernen wir uns also von der literarischen Vorlage, und betrachten einfach nur den Film.
Es beginnt bereits mit einem Scharmützel, bei dem Von Berlichingens Mannen den deutlich in der Überzahl befindlichen Tross des Bischoffs aufreiben, wobei sie die Goldtruhe entwenden, welche die Handlung überhaupt erst ins Rollen bringt. Das Scharmützel ist flott gefilmt, anständig blutrünstig und mündet darin, dass ein verschluckter Schlüssel aus dem Körper des Trossführers kurzerhand herausgeschnitten wird. In Nahaufnahme versteht sich. Ein guter Anfang, fürwahr!
Anschließend geht es ab ins Bordell, wo zeitgemäß Wein, Weib und Gesang auf die siegreichen Recken warten. Glücklicherweise ist der Film-Götz kein Ehemann und Vater, sondern ein freier Weiberheld, der seinen Sieg derart auskosten kann. Bei der Gelegenheit wird dann auch die innige Freundschaft zwischen Von Berlichingen und Adelbert von Weislingen gezeigt, denn was verbindet zwei Männer mehr, als gemeinsam von oben auf Fremder Leute Pferde zu urinieren?
Das Markenzeichen, die eiserne Hand nämlich, bekommt Götz von einem findigen Erfinder verpasst, nachdem er seine echte Hand bei einem Attentat im Bordell verloren hat. Zunächst muss jedoch der blutige Stumpf versorgt werden, bevor der Ritter daran zu Grunde geht. Hierfür wird die Heilerin Saleema in die Handlung involviert. Diese Rolle wird von der in Äthiopien geborenen Dennenesch Zoudé gespielt, die der Handlung eine gewisse erotisch-exotischen Note verleiht. Zwar wirkt eine farbige Heilkünstlerin in den fränkisch-schwäbischen Wäldern des Mittelalters ein wenig deplatziert, aber wir dürfen nicht aus dem Auge verlieren, dass wir nicht beim Discovery- oder History-Channel sind, sondern bei RTL. Deshalb läuft die gute Seele auch zumeist in einem recht spärlichen Lederbikini herum und gewinnt bald das Herz des Titelhelden. Is klar!
Überhaupt sind die Kulissen und Kostüme recht gut gelungen, wenn es auch ein wenig an Authentizität mangelt. Hier wurde mehr Wert auf eine romantisch verklärte Garderobe gelegt, die eher an einen Fantasyfilm erinnert als an einen… aber da wären wir wieder bei Thema Discovery-Channel.
Der Rest ist übles Ränkespiel, Mord- und Totschlag und jede Menge Säbelrasseln. Eine Belagerung, offene Kämpfe, ein Bauernaufstand und nicht zuletzt ein Schlachtfest voller zu Tode gefolterter und übel zugerichteter Leichen, die der Held passieren muss und die Gräuel dieser finsteren Zeit versinnbildlichen. Bis zum Ende wird Götz viele Freunde verlieren, neue finden, Frauen lieben, Männer töten und darf mehr als einmal die siegreiche (eiserne) Faust in die Höhe recken. Das Ende ist dabei auch ein wenig vorhersehbar, zumal wir uns inzwischen so weit von Goethes Vorlage entfernt haben (letzter Vergleich, versprochen!) dass wir das tragische Ende nun eh nicht mehr erwartet hätten.
Für die Hauptrolle brauchte es einen Mann wie einen Baum, also entschied man sich logischerweise für den Henning und erleben dadurch quasi den letzten Bullen in Ritterrüstung. Henning Baum ist auch schon aufgrund seiner äußerlichen Erscheinung (perfekt bis hin zum Bart!) für die Rolle des raubeinigen Raubritters wie geschaffen. Die Rolle kauft man dem blonden Hünen definitiv ab, auch wenn er zuweilen in seiner Betonung ein wenig in seine Paraderolle als Ruhrpott-Bulle zurückfällt. Das stört nicht nur kaum, sondern verpasst dem Ritter sogar eine ganz eigene, glaubwürdige Art. Mit seinem besonderen Charisma beherrscht Baum den Film zu jeder Minute. Der berühmteste Ausspruch Von Berlichingens, „Richtet Ihm aus, er soll mich im Arsch lecken“ bringt er stotternd und dadurch umso authentischer rüber. Die anschließende Aussage „Ich hab mich halt versprochen, es wird schon nicht in die Geschichte eingehen“ ist nur einer von vielen Sprüchen, die dem Film eine schöne Prise Humor verpassen. Einzig ein paar wenige Passagen, die klingen als hätte Goethe sie geschrieben, passen nicht so Recht zu ihm und wirken wie auswendig gelernt.
Der Gegenspieler wird von Johann von Bülow ebenfalls absolut grandios dargestellt. Von Bülow, ein entfernter Verwandter des legendären Komikers Loriot, ist seit Jahren auf der Theaterbühne zu Hause und spielt derzeit in der ARD-Erfolgsserie „Mord mit Aussicht“ den Bürgermeisterkandidaten und macht der dortigen Polizei ein ums andere Mal das Leben schwer. Ebenfalls erwähnenswert ist Natalia Wörner als durchtriebene Intrigantin Adelheid von Walldorf, die sie herrlich diabolisch darstellt.
Alles in allem ist RTLs Götz von Berlichingen ein Fernsehfilm, der zwar zu unterhalten weiß, dass jedoch auf relativ niedrigem Niveau. Zumindest lässt sich ein gewisser Unterhaltungswert nicht absprechen. Als Inszenierung von Goethes Stück funktioniert der Film keineswegs – aber vermutlich will er das auch überhaupt nicht. Wer also einfach nur die Beine hochlegen und sich von einem Mittelalter-Fantasy-Fernsehfilm berieseln lassen möchte, kann mit dem Ergebnis vollends zufrieden sein.
Bildqualität: Die Anfangssequenz besticht mit einer vorbildlichen Schärfe und sehr hoher Detailzeichnung, die leider im weiteren Filmverlauf in dieser Qualität nicht mehr vorhanden ist. Gleich zu Beginn wird ein Kampf gezeigt, der wie im Zeitraffer gefilmt abläuft und beinahe schon in den Augen weh tut – aber auch diese Szene ist ein Einzelfall, die sich im weiteren Verlauf des Films nicht wiederholt.
Der restliche Film ist ebenfalls von durchschnittlich guter Schärfe, allerdings sind die Bilder –mit Ausnahme der Nahaufnahmen – allgemein ein wenig weicher gehalten. Die Detailzeichnung ist hingegen allgemein sehr gut und offenbart viele kleinere Details und Oberflächenstrukturen. Die Farben wirken jederzeit natürlich und kräftig. Kontrast und Schwarzwert gefallen ebenfalls, allerdings ist das Bild häufig etwas zu dunkel, wodurch einige Details verschluckt werden.
Was ebenfalls gut gefällt ist die hohe Plastizität, vor allem die Außenaufnahmen können hier punkten. In der dunkleren Burg hingegen bleibt es etwas eindimensionaler, was ein wenig schade ist. Fehler konnten an dieser Stelle keine festgestellt werden. Einzig das allgemeine Erscheinungsbild des Streifens, welches seine Fernsehherkunft zu beinahe keiner Zeit kaschieren kann.
Tonqualität: Obwohl es sich bei der Tonspur um eine 5.1 Mischung handelt, spielt sich alles überwiegend auf den Frontlausprechern ab. Die hinteren Kanäle werden fast ausschließlich von der Musik angesteuert, und selbst diese ist eher zurückhaltend. Hier und da gibt es ein paar dezente Surroundeffekte, aber lassen sich diese an einer Hand abzählen und können nicht wirklich zugeordnet werden. Der Subwoofer ist ebenfalls sehr zurückhaltend, obwohl es hier und da Möglichkeiten zum Einsatz gegeben hätte. Auch hier wird fast ausschließlich die Musik durch die tiefen Töne verstärkt. Zugutehalten muss man dem Titel allerdings, dass sich alles in einer schönen Einheit befindet, und die Dialoge nur selten von Geräuschen überlagert werden. Allerdings ist die Dialogverständlichkeit dennoch stellenweise etwas schlechter, da es sich hierbei um einen nicht synchronisierten deutschen Film handelt – ein Problem, dass leider viele deutsche Produktionen aufweisen. Das Ganze klingt dadurch zwar wesentlich authentischer, aber eben nicht immer zu 100 Prozent verständlich.
Unterm Strich ist die Tonspur dennoch zweckdienlich gut, und erreicht – trotz der differenzierten Punktevergabe – eine relativ hohe Wertung.
Extras: Das Menü zeigt das Konterfei des Helden und Szenen aus dem Film, während im Hintergrund Musik von The Dark Tenor abläuft. Ansonsten ist das Menü sehr übersichtlich und intuitiv gestaltet.
Zusätzlich zum Hauptfilm werden noch ein knapp dreizehnminütiges und dabei sehr werbelastiges Making of und drei Set-Tagebücher von Henning Baum, Andreas Guenther und Dennesch Zoude mit einer Gesamtlaufzeit von siebeneinhalb Minuten geboten.
Wirklich viel erfährt man bei den zusätzlichen Features zwar nicht, aber für eine Fernsehproduktion ist das dargebotene schon recht erfreulich.
Ein Wendecover gibt es leider nicht, da die Rück-, beziehungsweise Innenseite des Covers mit einem Artwork zum Film und diversen Labelwerbung für ähnliche Titel (deren Trailer sich ebenfalls auf der Disc befinden) bedruckt wurde.
Fazit: Rein technisch präsentiert sich die RTL-Eigenproduktion in einem akzeptablen Licht. Das Bild ist relativ scharf, die Farben sind natürlich und der Kontrast ist ebenfalls gut eingestellt. Allerdings wirkt der Film nicht wirklich wie ein Film, sondern sieht irgendwie billig und nach Fernsehen aus. Schlecht ist das sicherlich nicht, nimmt der Produktion aber erheblich von dem Zauber, den er hätte haben können. Auch der Ton kann seine Fernsehherkunft kaum verbergen und bleibt sehr frontlastig. Obwohl es hier an allen Ecken und Enden mangelt kann der Ton dennoch überzeugen, zumal er durch die ungefilterten Dialoge sehr authentisch wirkt.
Das Bonusmaterial ist sehr übersichtlich und bietet nur einen geringen Mehrwert, da sowohl die Produktionsbücher als auch das Making Of sehr werbelastig sind und nur wenig über die Hintergründe verraten.
Der Film selbst ist ein spannen inszeniertes Mittelalter-Schlachten-Stück, welches mit netten Kostümen und einer unterhaltsamen Story punkten kann. Die Darsteller machen ihre Arbeit auch gut und passen hervorragend in ihre Rollen. Nur hat das ganze wenig bis überhaupt nichts mit der Vorlage von Deutschlands berühmtesten Dichter zu tun, sondern nimmt lediglich deren Figuren und ein paar (wenige) Zitate, um daraus eine völlig neue Geschichte zu konstruieren. Wer sich damit abfinden kann oder gar die Vorlage gar nicht kennt, wird sich daran wohl kaum stören. Als Film funktioniert der Mann mit der eisernen Faust ganz gut, als Literaturverfehlung… pardon… Literaturverfilmung darf man ihn jedoch nicht bezeichnen. Unterm Strich ist „Götz von Berlichingen“ ein von allen Konventionen losgelöstes Stück Fernsehunterhaltung, das nicht den geringsten Anspruch auf irgendetwas erhebt, außer vielleicht darauf, sein Publikum für anderthalb Stunden zu unterhalten.
(Michael Speier)
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