„Der Fall Collini“ – nach dem Roman von Ferdinand von Schirach aus dem Jahr 2011, feierte am 18. April 2019 seine Kinoauswertung. Mit dabei Elyas M’Barek als Jung-Anwalt Caspar Leinen, Heiner Lauterbach als Star-Anwalt Richard Mattinger und der großartige Franco Nero (bekannt aus der Rolle des Ur-Django) als Fabrizio Collini. Der Film behandelt das Thema des Mordes an dem Industriellen Jean-Baptiste Meyer. Dieser wird brutal von dem pensionierten Gastarbeiter Fabrizio Collini ermordet. Allem Anschein nach aber ohne Motiv, da Collini sich nicht zu seiner Tat äußert. Dennoch steckt hinter dieser Aktion wesentlich mehr, als man auf dem ersten Blick erkennen kann. Nach Sichtung des Trailers stellte ich mir die Frage: „kann dieser deutsche Film endlich mal wieder überzeugen?“ Ob er das konnte, werde ich dem geneigten Leser mit den nachfolgenden Zeilen gerne erläutern.
Story:
Ein Hotelzimmer, ein Gast öffnet einem scheinbar Unbekannten die Tür, mehrere Schüsse, dann Stille. Eine Blutspur hinter sich herziehend verlässt der Unbekannte den Fahrstuhl in der Lobby und sackt in einen der Gästesessel. Eine Angestellte, die dieses Schauspiel beobachtet, geht auf diesen Mann zu und fragt ob sie ihm helfen könne. Doch dieser erwidert nur: „Er ist tot“. Schnitt: Eilig ist der Jung-Anwalt Caspar Leinen auf der Suche nach dem richtigen Sitzungssaal. Vielleicht bekommt er ja die Pflichtverteidigung, was auch gleichzeitig sein erster Fall vor Gericht wäre und das gleich bei einem Mordfall. Tatsächlich wird er beigeordnet und versucht sogleich, ein erstes Gespräch mit dem Täter namens Collini zu führen. Doch Collini schweigt beharrlich und Leinen hat absolut keine Ahnung, wen er da verteidigt bzw. wen Collini ermordet hat. Die Erkenntnis soll nicht lange auf sich warten lassen. Der Tote Jean-Baptiste Meyer ist ihm und dem Rest der Öffentlichkeit eher bekannt unter dem Namen: Hans Meyer. Hans Meyer war Caspars Förderer, Gönner und Vaterersatz. Nein, Collini kann er nicht vertreten, nicht den Mörder seines Ziehvaters. Auch könnte er nie wieder in die Augen von Meyers Enkelin, seiner früheren Freundin Johanna schauen. Doch einer seiner ehemaligen Professoren und wie sich herausstellt, gleichzeitig Vertreter der Nebenklage Star-Anwalt Mattinger, ermutigt ihn geradezu, sich diesem Fall anzunehmen. Es sei schließlich seine Pflicht als Anwalt und auch in Caspars Kopf stellen sich Fragen über Fragen. Diese wird er nur dann beantwortet bekommen, wenn er sich mit Täter, sprich Collini persönlich auseinandersetzt. Was für Hintergründe muss es gegeben haben, dass sein gütiger und hilfsbereiter Vaterersatz, so brutal ermordet werden musste. Er muss Collinis Schweigen brechen, doch obwohl Collini beharrlich stumm bleibt, stellen sich im Verlauf des Prozesses immer mehr Ungereimtheiten heraus und das nicht nur auf Seiten der Verteidigung, sondern auch auf der Seite der Nebenklage. Dennoch konnte niemand die ungeheuerliche Wahrheit, die in diesem Prozess aufgedeckt wird, jemals auch nur erahnen.
Meinung und Bewertung:
Vorab möchte ich sagen: ich bin weder Kenner des Buches, noch bin ich ein großer Freund deutscher Kinofilm-Unterhaltung (das was so die letzten 20 bis 30 Jahre herauskam, fand ich größtenteils nicht mehr wirklich berauschend), ebenfalls bin ich kein direkter Fan von Elyas M’Barek. Meine Beweggründe „Der Fall Collini“ anzuschauen, lagen eher darin, mal wieder etwas von Franco Nero zu sehen. Umso größer war meine Überraschung, als ich nach Sichtung feststellen musste, dass es der deutsche Filmemacher doch noch kann. Und auch Elyas M’Barek hätte mich nicht positiver überraschen können. Weg von der Unter-Der-Gürtellinien-Unterhaltung, hin zu einem wirklich ernstzunehmenden Darsteller. Der es geschafft hat, neben einem Heiner Lauterbach und einem Franco Nero durchweg auf Augenhöhe zu bestehen.
Dabei kann man aber auch den restlichen Cast als sehr gut aufspielend bezeichnen. Franco Nero hatte dabei wohl die schwierigste Rolle, ohne viel Text überzeugt seine Gestik und seine Mimik auf ganzer Linie. Selten war ich von einer dialoglosen und grandiosen Darbietung so emotional berührt. Neros Verbitterung, Anspannung, Trauer, Hilflosigkeit, Erleichterung, springt direkt auf den Zuschauer über. Die Inszenierung des Films hat dabei so gut wie keine Längen und ist somit in der Lage, die Spannung und Neugier bis zum Ende zu halten. Die erste Hälfte widmet sich der Suche nach der Wahrheit, hier dominiert die Neugier und die Frage, was steckt hinter dieser Tat. Die zweite Hälfte nimmt dann einen sehr dramatischen Verlauf, der aus den erschreckenden Erkenntnissen resultiert. Bis zum Schluss kann man sich nicht sicher sein, welchen Ausgang der Film haben wird und selbst das vermutete Ende ist noch nicht wirklich das Ende.
Wie anfangs erwähnt, kenne ich das Buch nicht und kann daher keine Aussage tätigen, wie nah oder fern dieses Filmes seiner literarischen Vorlage kommt. Ehrlich gesagt bin ich es auch müßig, die immer gleichen Aussagen zu lesen wie: der Film würde nicht an das Buch herankommen. Natürlich wird so gut wie keine Verfilmung irgendeinem Buch nahekommen. Buch ist Kopfkino und da jeder anders tickt, wird das Kopfkino des Regisseurs nie dem Kopfkino des Lesers entsprechen. Daher vergleiche ich auch trotz der Kenntnis einer Buchvorlage diese so gut wie nie eins zu eins mit einer Verfilmung. Im Bonusmaterial kommt in einem Interview der Autor des Buches, Ferdinand von Schirach zu Wort und dieser scheint durchaus mit dem Film zufrieden zu sein. Daher sage ich mal pauschal, ist der Autor mit der Kinoumsetzung zufrieden, so bin ich es auch. Weiterhin bin ich wahrlich auch kein Freund deutscher Filme, doch dieser hat mich im wahrsten Sinne des Wortes Lügen gestraft. Lange konnte mich kein deutscher Film mehr so emotional abholen, wie dieser hier. Trotz aller verteilter Lorbeeren gibt es auch ein paar kleinere Kritikpunkte. Das Auftauchen des wahren Vaters Caspars und deren Konflikt wirkt etwas konstruiert. Ebenso taucht sein Ermittlerhilfstrupp, das gegen Ende des Films wie wild ermittelt, wie aus dem Nichts auf. Dabei erscheint die ehemalige Pizzabotin, die sich ungelernt zur Anwaltshelferin mausert, noch am Plausibelsten, da zu dieser schon recht früh eine Verbindung aufgebaut wird.
Ebenfalls muss ich erwähnen, dass wieder einmal des Deutschen Vergangenheit als Grundlage herhalten muss und auch ich bin es ehrlich gesagt Leid, immer wieder damit konfrontiert zu werden. Da man sich natürlich irgendwann die Frage stellt, ob wir Deutschen auch noch für irgendwas anderes bekannt sein können oder dürfen, außer für unsere Gräueltaten. Im vorliegenden Fall muss ich aber tatsächlich eine Ausnahme machen, denn der Film behandelt ein Randthema dessen was vorgefallen ist und dieses dürfte wiederum nicht vielen bekannt sein. Auch mir war dieser Umstand unbekannt, umso schockierte war ich, als sich herausstellte wie lange mittels deutscher Gesetze, die Gerechtigkeit regelrecht aufgehalten wurde.
Schlussendlich kann ich „Der Fall Collini“ jedem nahelegen, der Fan sehr guter Gerichts-Dramen / Gerichts-Thrillern ist und eine wirklich sehr starke darstellerische Leistung aller Beteiligten sehen möchte. Ich war mehr als positiv überrascht und muss zugeben, dass ich schon lange keinen so guten deutschen Film mehr gesehen habe. Leider gibt es auch noch ein großes Manko, dies ist aber technischer Natur und wird von mir unter der Technikangabe erläutert.
Habt ihr den Film gesehen, wie habt ihr ihn empfunden, hat er euch gefallen, bejubelt ihr ihn oder fandet ihr ihn bescheiden, wenn nicht sogar schlecht? Teilt es uns in den Kommentaren mit.
Bild:
Das Bild hat im wahrsten Sinne seine Sonnen- und Schattenseiten. Tagaufnahmen und Aufnahmen bei guten Lichtverhältnissen sehen durchweg gut aus, Farben und Schärfe überzeugen bei den Tagaufnahmen weitestgehend. Sobald sich das geschehen aber in die Nacht / ins Dunkel verlagert oder Elyas M’Barek durch die dunklen Gänge der Untersuchungshaft schlendert, wird der Zuschauer mit Kompressionsspuren übelster Art erschlagen. Der Schwarzwert scheint geflüchtet zu sein und macht einem mittleren Grauwert Platz.
Kompressionsartefakte schwingen wie Wellen mit den Bewegungen der Protagonisten mit. Ich hatte ernsthaft das Gefühl, ich würde ein sehr stark komprimiertes Youtube Video, anstatt einer DVD mit einem aktuellen Film, aus dem Jahre 2019 anschauen. Ernsthaft, so darf selbst eine DVD, heutzutage nicht mehr ausschauen. Das führt dann auch zu entsprechendem Punkteabzug. Bleibt zu hoffen, dass die Blu-ray besser gemastert wurde.
Ton:
Der Ton ist Genrebedingt sehr dialoglastig ausgelegt. Diese sind dauerhaft sehr gut verständlich, selbst wenn Franco Nero in seinen Bart brummelt. Der Surroundanteil darf hier aber auf der Ersatzbank platz nehmen.
Extras:
An Bonusmaterial enthält die DVD ein sehr minimalistisches Making-of von gerade einmal vier Minuten und Interviews mit Darstellern, Regisseur und Autor. Für solch einen Film und solch ein Thema hätte ich mir schon wesentlich mehr gewünscht, als das was sich auf der Disc befindet. Das ist gelinde gesagt, schon sehr enttäuschend.
(Marc Maurer)
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