Am 25. Mai 2021 kam „Biomutant“ für die PS4, Xbox One und PC in diversen Variationen in den Handel und wir haben das Review dazu:
Biomutant wurde bereits Ende 2017 angekündigt und zeigte sich auch in ersten Trailern. Dann wurde es aber still um das Action-RPG mit dem Waschbär-ähnlichen Tier mit Augenklappe und Kung-Fu Faible. Jetzt anno 2021 ist der Titel des kleinen schwedischen Entwicklerteams Experiment 101 endlich erschienen und ich habe mich in der postapokalyptischen Welt von „Biomutant“ umgesehen.
Vielleicht hatten die Grünen am Ende doch recht, irgendwann richtet der Mensch die Erde zugrunde – in „Biomutant“ ist genau dies geschehen. Ein Großkonzern hat seinen gesamten Giftmüll in die Landschaft und die Meere gekippt – uncoole Idee. Als Folge dessen kippt das Klima, es folgt eine riesige Umweltkatastrophe und gleichzeitig wird das Ende der Menschheit eingeläutet. Es kommt zu Mutationen unter den verbliebenen Tieren und einer kompletten Neuordnung der Zivilisation. Nun stehen anthropomorphe, intelligente Nagetiere an der Spitze der Nahrungskette und das Leben wird vom Baum des Lebens gestützt. Dieser wiederum ist aber in akuter Gefahr, denn gigantische Monster, die sogenannten „Weltenfresser“, nagen an den Wurzeln des Baums.
Hier greifen wir als Waschbär-Was-Auch-Immer-Mutant in das Geschehen ein. In einer langen Fluchtsequenz durch einen Bunker, die als Tutorial dient, lernen wir die Grundzüge zur Erstellung unseres Charakters sowie die Vermittlung der Basics von Steuerung und Spielkonzept. Nebenbei erfahren wir auch etwas über unsere Vergangenheit, den Verlust von Familie und Heimat und unserem bösen Widersacher Lupa Lupin. Bei der Erstellung des eigenen Avatars kann man nur aus einer Rasse und Klasse wählen, allerdings können wir Farben, Spezies und Stärke auswählen. Je nachdem wie die eigene Auswahl ausfällt, verändert sich das körperliche Aussehen unseres Helden. Wer also einen agilen Fernkämpfer baut, bekommt einen zierlichen und schlanken Avatar, derjenige der einen robusten Nahkämpfer bevorzugt, erhält einen bullig aussehenden Charakter. Bei den Fähigkeiten lassen sich drei verschiedene Upgrade-Punkte in passive Buffs, pseudomagische Fähigkeiten (PSI) und aktive Kampffähigkeiten investieren. Dazu lässt sich bei jedem Levelanstieg eines der Basis-Attribute wie Stärke, Vitalität oder Geschick um 10 Punkte erhöhen.
Im Anschluss startet man in die hübsch anzusehende Welt. Es gibt drei verschiedene Biome: Das sind zunächst die grünen Wiesenlandschaften, Canyons und Dschungelgebiete. Daran schließen städtische Überreste der menschlichen Zivilisation sowie unterirdische Anlagen und Bunker an. Abschließend gibt es Bereiche, die aufgrund eines giftgrünen Öls stark radioaktiv verseucht sind. Just diese No-Go Areas sollte man erst betreten, wenn man eine gewisse Resistenz entwickelt hat. Am Anfang ist man nur auf zwei- bzw. seinen eigenen vier Beinen in der Welt unterwegs – im Verlauf der Story erhält man Zugriff auf Reittiere und einen Gleiter. Bereits besuchte Orte lassen sich über eine praktische Schnellreiseoption direkt anwählen, jedoch erst wenn man die entsprechende Markierung tiergerecht „markiert“ also angepinkelt hat.
Leider ist die Orientierung über die Karte alles andere als übersichtlich. Manche Nebenquests, die unterirdisch angelegt sind, können in der Kartenansicht kaum ausgemacht werden, da nicht zwischen Ober- und Unterwelt unterschieden wird. So passiert es nicht selten, dass man einfach am eigentlichen Quest-Point vorbeilatscht. Zudem sind einige der Nebenquests sehr repetitiv. Oftmals geht es nur darum, von Punkt A zu Punkt B zu gelangen, um dort einen Gegenstand zu bekommen, und im Anschluss wieder zu Punkt A zurückzukehren und den Gegenstand an den Questgeber auszuliefern. Klingt im ersten Moment nicht schlimm, wird aber schnell nervend, wenn die Questgebiete sehr weit voneinander entfernt liegen und eine Schnellreise noch nicht möglich ist.
Die erste große Entscheidung, die es im Spiel zu treffen gilt, ist der Anschluss an den Stamm der Myriad oder der Jagni. Während die Myriad auf die Rettung des Baums des Lebens hoffen und alle Stämme wiedervereinen möchten, sind die Jagni der Auffassung, das sowieso alles zu spät ist und man den Weltenfressern helfen sollte, den Baum zu zerstören, um den Weltuntergang zu beschleunigen und alle Stämme zu unterjochen bzw. eine neue Weltordnung zu bilden. Diese Auswahl soll den Wiederspielwert erhöhen, um bei einem weiteren Durchlauf einen anderen Stamm auszuwählen. Es gibt insgesamt sechs verschiedene Stämme – drei wollen den Baum des Lebens retten, die anderen drei anderen den Weltenfressern helfen. Die Hauptstory, die einen gut 16-20 Stunden Spielzeit beschäftigt, unterteilt sich in drei Hauptstränge: das Besiegen der Weltenfresser, das Schicksal der Stämme und die Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und dem persönlichen Erzfeind. Je nach Spielstil warten verschiedene Enden auf uns. Maßgeblich hierfür ist die Wahl des Stammes und die eigene Aura. Wer anderen hilft, sich gutmütig, gnädig und kooperativ zeigt, erhellt seine Aura. Wer hingegen Macht anstrebt und egoistisch unterwegs ist, färbt seine Aura dunkel.
Apropos dunkel und gemein: Natürlich gibt es in einem Action-RPG auch Kämpfe mit Gegnern und Endbossen, wie den riesigen Weltenfressern. Die Animationen in den Kämpfen sind, bis auf wenige Ausnahmen, den Jungs von Experiment 101 wirklich gut gelungen. Es gibt spektakuläre Sprünge im Kugelhagel, die nahtlos in Nahkampfsequenzen übergehen, nebst Ausweichmanövern in Zeitlupe á la Matrix. Hinzu kommen PSI-Fähigkeiten, mit denen man Gegner elektrisieren, einfrieren oder einfach durch die Luft schleudern kann. Spezialmunition, Items zur Heilung oder Auffüllen der KI-Energie sind über ein Ringmenü anwählbar und runden das Package ab.
Natürlich gibt es in „Biomutant“ auch viele verschiedene Gegenstände zu entdecken, um sein Waffenarsenal und die Ausrüstung zu verbessern. Es gibt Ausrüstungsverbesserungen für Kopf, Schultern und Torso. Außerdem kann man mit Rucksäcken seine Charakterwerte erhöhen. Die gefundenen Bauteile lassen sich zu weiteren Nah- und Fernwaffen zusammensetzen. Nahkämpfer können alle möglichen Behelfe von Nahkampfklauen, bis hin zu zweihändigen Hämmern bauen. Im Fernkampf heizt man den Gegnern mit Pistolen, Gewehren, Shotguns und Automatikwaffen ein.
Kommentiert wird das gesamte Geschehen im englischen Original von David Shaw-Parker. Das Besondere an der Erzählweise ist, dass der Erzähler nicht nur die eigentliche Story voranbringt, sondern auch das aktuelle Geschehen erläutert und mit mehr oder weniger lustigen Kommentaren versieht. Auch die Übersetzungen der NPC übernimmt der Erzähler, da alle Kreaturen eine Fantasiesprache wie die Sims sprechen, die nach kurzer Zeit nervig wirkt. Die Musikauswahl ist passend, aber nicht spektakulär.
Fazit
„Biomutant“ ist ein gut gemachter unterhaltsamer Genre-Vertreter, der den Spieler durch eine interessante, liebevoll gestaltete Welt schickt. Das Sammeln von Gegenständen, um die eigene Ausrüstung und Waffen zu verbessern, sowie die Option den Fortgang der Story durch eigene Entscheidungen ein stückweit zu beeinflussen, gefällt mir.
Aber leider merkt man zu oft, dass die Entwickler von Experiment 101 zu viel wollten. Die Welt von Biomutant ist groß, schön und lädt zum Erkunden ein. Jedoch wirkt sie dabei nicht komplett stimmig – ja es gibt radioaktiv verseuchte, desolate Areale – aber der Großteil der Landschaft ist ein malerisches Fleckchen Erde – das passt aber dann wiederum nicht so richtig zu einem Endzeitszenario. Die ungenaue Kartenansicht, wiederholende Nebenquests und eine ungenaue Steuerung, schlagen ebenfalls negativ zu Buche. Das größte Manko stellt für mich allerdings der Erzählstil dar. Zu Beginn wirkt er originell und interessant, er wird aber einfach überstrapaziert. Es nervt sehr schnell, wenn jede Handlung, jedes Gespräch von derselben Person mit unpassenden Gags und Bemerkungen garniert wird – zum Glück besteht zumindest die Option in den Einstellungen die Kommentare zu reduzieren.
Bei „Biomutant“ wurde leider viel Potential verschenkt – man kann mit „Biomutant“ Spaß haben, wenn man über die erwähnten Schwächen hinwegsehen kann, aber mehr als ein Platz im Mittelfeld der Action-Rollenspiele kommt am Ende leider nicht zustande. Bei einem möglichen zweiten Teil sollten die Entwickler daher an den richtigen Stellen nachbessern.
Pro:
- interessantes postapokalyptisches Setting
- putziger Comic-Look
- große abwechslungsreiche Spielwelt
- Aura-System: Entscheidungen beeinflussen die Handlung
Contra:
- Erzählweise wirkt irgendwann nervig
- ungenaue Quest-/Kartenführung
- Glitches und teilweise detailarme Grafiken
- ungenaue Steuerung bei Kämpfen
- Kamera hinkt bei Kämpfen teilweise hinterher
Hier erhältlich:
- Biomutant (PS4 Standard)
- Biomutant (PS4 Collectors Edition)
- Biomutant (PS4 Atomic Edition)
- Biomutant (Xbox One Standard)
- Biomutant (Xbox One Collectors Edition)
- Biomutant (Xbox One Atomic Edition)
- Biomutant (PC Standard)
- Biomutant (PC Collectors Edition)
- Biomutant (PC Atomic Edition)
(Michael Schröder)
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