Am 10. September 2020 erscheint „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ auf DVD, Blu-ray und digital und hier gibt es das Review:
2019 nahm sich die deutsche Regisseurin und Oscar Gewinnerin Caroline Link („Nirgendwo in Afrika“) dem Buch von Judith Kerr an. Mit dem Jugendbuch „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ erzählt Kerr, in teils autobiografische Form, die Geschichte ihrer Kindheit. Caroline Link adaptierte Judith Kerrs Geschichte aus dem Jahr 1971 für einen Kinofilm, der am 25. Dezember in die deutschen Kinos kam. Die britische Illustratorin und Schriftstellerin deutscher Herkunft verpackte ihre Erlebnisse in einer kindgerechten Buchform, welche bis heute an vielen Schulen zur Pflichtlektüre gehört. Dieser kind- und jugendgerechten Erzählung, folgt Link in gleichem Maße. Wie sich Caroline Links filmische Interpretation bei mir geschlagen hat, erfahrt ihr wie immer wenn ihr meinen Zeilen folgt.
Story:
Berlin 1933, Deutschland steht vor einem politischen Wandel. Hitler und seine Nazi-Schergen sind auf dem besten Wege, die Macht zu übernehmen. Auch wenn die kleine Anna Kemper erst neun Jahre alt ist, soll sich aufgrund Hitlers Bemühungen, ihr Leben vollständig ändern. Nicht nur, dass sie jüdischer Abstammung ist, ihr Vater Arthur Kemper ist ein bekannter Autor und Journalist, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Ihm ist durchaus bewusst, dass seine Aussagen den aufstrebenden Nazis ein Dorn im Auge sind. Mit dem vorausschauenden Wissen, dass nichts Gutes bei dieser bevorstehenden Machtübernahme entstehen wird, fasst Arthur einen Entschluss. Er und seine Familie müssen dieser aufsteigenden Gefahr entfliehen. So führt sie die Flucht, von Vater Arthur, seiner kleinen Tochter Anna, ihrem Bruder Max und der Mutter Dorothea in die neutrale Schweiz. Hier sind sie zwar sicher, doch für Arthur gibt es an diesem Ort keine Arbeit und das Ersparte wird nicht ewig reichen. So geht der Weg weiter nach Frankreich, aber auch hier bessert sich die finanzielle Lage nicht. Die politische Situation in Deutschland hat faschistische Züge angenommen und das dort herrschende Regime hat zwischenzeitlich ein Kopfgeld auf Arthur ausgesetzt. So bleibt der Familie weiterhin nur die Flucht nach vorn.
Meinung:
Mit dem Film „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ versuchte Caroline Link ihrerseits, eine kindgerechte Form zu finden. Das Ziel, dem Jugendbuch von Judith Kerr filmisch gerecht zu werden. Und ich muss zugeben, dies ist ihr vollständig gelungen. Dabei bereitete Link den Stoff sogar außerordentlich gut auch für kleine Kinder auf. Was ebenso die FSK 0 Freigabe bestätigt. Trotz des düsteren Grundthemas der Geschichte, sprich der Judenverfolgung durch die Nazis, hat man gerade bei den Szenen in der Schweiz das Gefühl, einem „Heidi“ Film zu folgen. Ich musste mir während der Sichtung immer wieder klar machen, dass ich hier keinen reinen Abenteuerfilm eines kleinen Mädchens sehe, sondern die dramatische Flucht vor einem Menschenleben verachtenden Regime. Lassen wir mal die Naziverfolgung außen vor, folgen wir der Reise von Anna, angefangen in Deutschland über die Schweiz nach Frankreich bis zur Endstation England. Dabei muss Anna ebenso wie ihr Bruder Max jedes Mal die gefundenen Freundschaften abbrechen und das vermeintliche Zuhause wieder verlassen. Hier fehlte mir die emotionale Dramatik, die ein Kind erlebt, wenn man es aus seiner gewohnten Umgebung reißt. Bei jedem Abschied fließen zwar Tränen, doch im Verlauf des Films nehmen diese ab und die Kinder akzeptieren den Umstand scheinbar ohne Wenn und Aber. Große Trauer oder Ängste scheinen in dem Film ein Tabu zu sein.
Loben muss ich die Schauspieler, diese spielen überaus authentisch und überzeugend. Man ist der Meinung, der Cast hätte die damalige Zeit aufgesogen und regelrecht verinnerlicht. Bei der Ausstattung bewies Regisseurin Caroline Link ebenfalls ein überaus glückliches Händchen. Sehen die Kostüme, die Bauten, die Örtlichkeiten doch so aus, als hätte man sie der Vergangenheit entliehen. Das Pacing ist ebenfalls gelungen und so wird Judith Kerrs Geschichte ohne große Längen erzählt. Als erwachsener Zuschauer, ich betone „erwachsen“, wünscht man sich dennoch, dass die eine oder andere Szene etwas tiefer, dramatischer, emotionaler ausgefallen wäre. Aus Sicht eines Kindes müsste dies aber genau die richtige Mischung sein. Allgemein stelle ich es mir schwer vor, solch ein Thema einem Kinde nahezubringen. Hier muss ich Regisseurin Link Respekt zollen. So hat sie meiner Meinung nach dieser Problematik mit Bravour gemeistert.
Fazit:
Kommen wir nun ohne große Umwege von Deutschland über die Schweiz, über Frankreich und England zu meinem Fazit: Eine Buchverfilmung stellt immer ein großes Problem dar, sind die Unterschiede zwischen dem gelesenen Wort und dem filmischen Bild doch meist riesig. Klar ist, nicht immer lassen sich alle Details eines Buches in einen zeitlich begrenzten Film packen. Im Falle des rosa Kaninchens, welches der „Pöse Pursche“ namens Hitler samt seiner Saubande stahl, fand Caroline Link meines Erachtens die fast perfekte Mischung. Hierbei steht das Karnickel natürlich stellvertretend für die Jugend, die Freiheit und den freien Willen. Das Augenmerk liegt auf Anna, die von Riva Krymalowski wunderbar verkörpert wurde. So folgt Regisseurin Link der Reise, besser gesagt der Flucht, der kleinen Anna. Dies stellt sie mehr als Abenteuerreise eines kleinen Mädchens anstatt eine Flucht dar. Selbst wenn wir von einer reinen kindgerechten Verfilmung sprechen, verschwimmt für mich der dramatische Hintergrund, weshalb die Familie Kemper überhaupt ihre Heimat verlassen musste. Hier hätte ich mir gewünscht, dass Caroline Link etwas mehr auf die drohende Gefahr eingegangen wäre. Nicht deswegen, um die Spannung zu erhöhen, diese sitzt dem erwachsenen Zuschauer, dem die damaligen Gegebenheiten bekannt sind, eh schon im Nacken. Man vermutet einfach, dass gleich die Bösen zuschlagen werden. Ich hätte es besser gefunden, die jüngeren Zuschauer bezüglich der Gefahr des Fremdenhasses etwas mehr zu sensibilisieren. Auch wenn ich der Meinung bin, dass man diesen Punkt etwas mehr hätte herausarbeiten können, hat Caroline Link dennoch eine schöne Familiengeschichte trotz ihres dramatischen Hintergrunds erzählt. Ebenfalls meine ich das dieser Film, ebenso wie Judith Kerrs Buch im Schulunterricht gezeigt werden müsste. Im Gegensatz zu anderen deutschen Produktionen, die sich dieses Themas annahmen, ist Caroline Links Film nicht nur grau und trist, sondern zeigt auch trotz der derben Situation erfreuliche Bilder. Letztendlich bleibt mir nur zu sagen: Wer das Buch nicht kennt, sollte unbedingt zu dem Film greifen, aber auch Kenner der Geschichte sollten einen Blick riskieren. Ich wage mich mal soweit aus dem Fenster und behaupte, das kein Zuschauer enttäuscht werden wird.
Bild:
Das Bild ist wie bei einer aktuellen Veröffentlichung nicht anders zu erwarten, sehr gut ausgefallen. Die Farben und Kontraste sind ordentlich eingestellt und auch der Schwarzwert schickt sich nicht an Details verschlucken zu wollen. Brillieren kann das Bild bei der Schärfe, die knackig scharfe Aufnahmen präsentiert. Haare, Poren, Details sind meist immer klar und scharf erkennbar.
Ton:
Der Ton liegt für die deutsche Tonspur im Format DTS-HD MA 5.1 vor. Genrebedingt braucht man hier zwar kein Surround Gewitter erwarten, aber dennoch hätte man sich für eine aktuelle Veröffentlichung auch das aktuellste verfügbare Tonformat wünschen dürfen. Dennoch bin ich mit der 5.1 Tonspur nicht unzufrieden. Dialoge sind immer klar und verständlich, Tonfehler waren keine auszumachen und ab und an gibt es mal kleine räumliche Effekte. Zum Beispiel als eine Kinderschar durch die engen Gassen in einem Schweizer Dorf klein Anna hinterher jagt.
Extras:
- Die Geschichte
- Vom Buch zum Film
- Die Dreharbeiten
- Trailer
Technische Bewertungen beziehen sich immer auf das Alter und das vorhandene Ausgangsmaterial!
Wie immer möchte ich mich für eure Aufmerksamkeit bedanken und hoffe wir lesen uns bei meinem nächsten Review wieder.
(Marc Maurer)
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